Tagung zur Vielfalt von Männlichkeiten

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Die Fachtagung "Männlichkeiten zwischen Hegemonie und Vielfalt" fand am 27.September 2014 in der Heinrich-Böll-Stiftung statt. Im Vordergrund zu sehen: Prof. Dr. Martin Dinges , Institut für Geschichte der Medizin, Robert Bosch Stiftung
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Die Fachtagung "Männlichkeiten zwischen Hegemonie und Vielfalt" fand am 27.September 2014 in der Heinrich-Böll-Stiftung statt. Im Vordergrund zu sehen: Prof. Dr. Martin Dinges , Institut für Geschichte der Medizin, Robert Bosch Stiftung

Die Lebensrealität von Männern ist nicht mehr eindimensional. Traditionelle Bilder und Rollenzuschreibungen werden in Frage gestellt. Den karriereorientierten Ernährer in heterosexueller Partnerschaft mit Kindern gibt es weiterhin, er ist aber nicht mehr für alle Männer der Orientierungsrahmen männlicher Identität. Die Tagung “Männlichkeiten zwischen Hegemonie und Vielfalt - Welche? Für wen? Wozu?”, zu der das “Forum Männer in Theorie und Praxis der Geschlechterverhältnisse” und das Gunda Werner Institut am 27. September in die Räume der Heinrich-Böll-Stiftung nach Berlin eingeladen hatten, hatte das Ziel, die “Diversität von Männerleben sichtbar und begreifbar zu machen”.

Zu Beginn gaben Ilse Lenz, emeritierte Professorin für Geschlechterforschung an der Ruhr-Universität Bochum und Professor Martin Dinges vom Institut für Geschichte der Medizin der Robert-Bosch-Stiftung in Stuttgart einen Einblick in die Historie. In ihren Vorträgen beschrieben sie die Entwicklung von Männlichkeiten seit Beginn des 20. Jahrhunderts. Lenz skizzierte dabei drei Stufen der Geschlechterordnung: Auf die “neopatriarchale” Phase, in der Männer als “Herren und Krieger der Nation”, als das überlegene Geschlecht betrachtet wurden, folgte eine “differenzbegründete” Ideologie. Diese ging von der Annahme aus, dass Männer und Frauen “anders, aber gleich” seien. Nunmehr, so Lenz, befinden wir uns in einer “flexibilisierten” Ordnung, in der sich Geschlechternormen pluralisieren: So seien Doppelernährer_innen in den Familien ebenso möglich wie ein breites Spektrum sexueller Orientierungen.

Martin Dinges setzte einen Schwerpunkt auf die generationellen Unterschiede zwischen den Männern. Die junge “Globalisierungsgeneration” der Jahrgänge ab 1990 praktiziere die Rollenvielfalt und sei selbstverständlich tolerant gegenüber der Homosexualität. In der “hedonistischen Konsummännlichkeit”, die die harte Männlichkeit der Nachkriegszeit abgelöst habe, werde der männliche Körper zur “letzten Wahrheitsressource”. In seiner Beschreibung der erwachsenen Männer bezog sich Dinges auf die Ergebnisse der kirchlichen Männerstudien von Paul Zulehner und Rainer Volz. Diesen zufolge akzeptieren inzwischen selbst “(teil)traditionelle Männer” die weibliche Erwerbstätigkeit, gleichzeitig aber besteht ein erhebliches Gefälle zwischen den Geschlechtern: Frauen sind deutlich moderner eingestellt als Männer. In den gesellschaftlichen Milieus “ganz oben” und “ganz unten” finden sich besonders viele männliche Traditionalisten.

Die anschließende Diskussion drehte sich vor allem um die Widersprüche des Umbruchs in den Geschlechterbeziehungen. So greift die rechtspopulistische Partei AfD (Alternative für Deutschland) die Irritationen über die “Parallelkulturen” auf und macht Stimmung gegen einen angeblichen “Genderismus”. Männerrechtliche Strömungen wollen nicht unbedingt zurück zum Patriarchat, sondern setzen eher auf die alte Differenzordnung. Zum Teil argumentieren sie mit der Denkfigur der Gleichheit, stilisieren dabei aber die Männer zu Opfern im Geschlechterkampf. Homosexualität werde nicht mehr unbedingt komplett abgelehnt, aber dennoch tabuisiert, nach dem Motto: “Man darf von mir aus zu Hause schwul sein, aber man soll bitte nicht in der Schule darüber reden!”

In vier Workshops diskutierten die rund 50 Teilnehmer/innen die Themen Sexualität, Partnerschaft und Ökonomie, Beziehungen unter Männern und Sozialisation. Auf einem ausführlich präsentierten Marktplatz stellten sich männerpolitische Organisationen und Initiativen, Forschungseinrichtungen, Verlage, Beratungsstellen und Selbsthilfegruppen vor. Begleitet wurde die Tagung von der Fotoausstellung “er*Leben - Fotografien des Männlichen” des Hamburger Pädagogen und Jungenarbeiters Alexander Bentheim. Der Mitherausgeber der Männerzeitschrift Switchboard (die sich ebenfalls mit einem Infostand präsentierte) dokumentierte an Wänden und auf Bildschirmen anregende “Prints & Slides aus Deutschland/ England / Frankreich / Polen / USA - 1975 bis 2014".

Ein zentrales Anliegen des FORUM MÄNNER war, die Bandbreite der bestehenden Beratungs- und Hilfsmöglichkeiten aufzuzeigen, die den unterschiedlichen Lebenssituationen und Lebenszielen von Männern gerecht werden. In der Schlussdiskussion der Tagung wurde deutlich, dass die Vielfalt männlicher Lebensweisen zwar verbal auf mehr öffentliche Akzeptanz stößt, die politische Umsetzung konkreter Angebote etwa durch finanzielle Förderung jedoch nur schleppend vorankommt.

Netzwerk Forum Männer in Theorie und Praxis der Geschlechterverhältnisse

Hier geht es zur Fotoausstellung “er*Leben” im Netz

 

Videos der Tagung

 

Ilse Lenz: Von hegemonialer Männlichkeit zur Parallelkultur von Männlichkeiten

Ilse Lenz: Von hegemonialer Männlichkeit zur Parallelkultur von Männlichkeiten - Heinrich-Böll-Stiftung

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Martin Dinges: Von hegemonialer Männlichkeit zur Parallelkultur von Männlichkeiten

Martin Dinges: Von hegemonialer Männlichkeit zur Parallelkultur von Männlichkeiten - Heinrich-Böll-Stiftung

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Der Vortrag als PDF

 

Diskussion: Von hegemonialer Männlichkeit zur Parallelkultur von Männlichkeiten

Diskussion: Von hegemonialer Männlichkeit zur Parallelkultur von Männlichkeiten - Heinrich-Böll-Stiftung

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Fotos der Tagung

Andreas Goosses, Forum Männer und Henning von Bargen, Gunda-Werner-Institut' data-embed='Andreas Goosses, Forum Männer und Henning von Bargen, Gunda-Werner-Institut'>

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