Hunderte Polizisten schützen Kiew-Pride 2015

Der Pride-March in Kiew im Juni 2015
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Der Pride-March in Kiew im Juni 2015

Die Situation für sexuelle Minderheiten in der Ukraine ist prekär. Trotz allem fand am 06. Juni 2015 die zweite Kiew-Pride statt. Wie dringend notwendig dabei der massive Polizeischutz war, berichtet Robert Sperfeld.

Ein massives Polizeiaufgebot war erforderlich, um am Samstag, den 6. Juni 2015 die diesjährige „Kiew-Pride“ unter dem Motto „Menschenrechte immer und für alle“ möglich zu machen. Trotz im Vorfeld erforderlicher Registrierung und erst sehr kurzfristiger Bekanntgabe des Kundgebungsortes waren ca. 300 Aktivist/innen und Unterstützer/innen der Kiewer LGBT-Community zusammen gekommen. Erst zum zweiten Mal ist es somit gelungen, einen Pride-Marsch in Kiew durchzuführen.

Der Verlauf der Veranstaltung machte jedoch deutlich, wie notwendig der massive Schutz durch Einheiten der Polizei und der Nationalgarde war. Etwa 20 militanten Provokateuren aus der rechtsnationalistischen Szene war es trotz weiträumiger Absperrungen gelungen, die Kundgebung mit Feuerwerkskörpern zu beschießen. Dank schneller Reaktion der Polizei blieben die Demonstrationsteilnehmenden zunächst unbeschadet, die Angreifer wurden in Gewahrsam genommen. Ein Polizist wurde durch einen mit Nägeln bestückten Feuerwerkskörper schwer verletzt, vier weitere leicht.

Erstmals hatten auch Abgeordnete der Verkhovna Rada, dem ukrainischen Parlament, die Kiew-Pride offen unterstützt. Svitlana Salichshuk und Serhii Leshchenko von der Präsidentenpartei Block Poroshenko waren ebenso vor Ort präsent wie der schwedische Botschafter und eine Delegation aus Kiews deutscher Partnerstadt München einschließlich der Bundestagsabgeordneten Beate Walter-Rosenheimer (Grüne) und  Karl-Heinz Brunner (SPD) sowie Terry Reintke (Grüne) aus dem Europaparlament.

Nach Ende des Marsches geriet die Situation kurzfristig außer Kontrolle. Weitere militante Anti-LGBT-Aktivisten verfolgten und bedrohten in beängstigenden Jagd-Szenen Teilnehmende der Pride-Demonstration auf ihrem Weg zur Bushaltestelle bzw. zur Metro. Dabei wurden zehn Personen leicht verletzt. Polizeikräfte verhinderten Schlimmeres, wurden aber auch selbst Ziel brutaler Attacken. Pride-Teilnehmende mussten zwischenzeitlich in Restaurants, Supermärkten und einer Postfiliale Schutz suchen. Lautstark gegen die Pride mobilisiert hatte vor allem der Parlamentsabgeordnete und Anführer des „Rechten Sektor“ Dmytro Yarosh, aber auch andere Gruppen. In der breiten Medienberichterstattung über die Kyiv-Pride kam vor allem Befremden gegenüber der brutalen Gewaltbereitschaft der rechten Gruppen zum Ausdruck.

Erst am Freitag, einen Tag vor dem Pride-Termin, hatte Präsident Petro Poroshenko auf Nachfrage während seiner regulären Pressekonferenz den Schutz des „Marsches für Gleichheit“ zugesichert. Zuvor hatte die Kiewer Polizei, unterstützt vom Kiewer Bürgermeister Vitalij Klitschko, versucht, die Initiator/innen zur Absage zu drängen. Vermutlich hat v.a. der diplomatische Einsatz von Seiten der Botschaften mehrerer europäischer Länder ein Umdenken bewirkt, so dass die Pride stattfinden konnte.

Angesichts der erschreckenden Gewaltbereitschaft der Ultrarechten musste allerdings eine am Nachmittag nach der Pride geplante Diskussionsveranstaltung der Heinrich-Böll-Stiftung genau zum Thema der „Anti-Gender“-Bewegungen in Europa aus Sicherheitsgründen abgesagt werden.

Homophobie ist in der Ukraine weit verbreitet. Ein militanter rechter Mob schreckt auch vor tätlichen Angriffen auf Homosexuelle in ihrem Alltag nicht zurück. Die Situation für sexuelle Minderheiten ist prekär. In den Jahren 2012 und 2014 mussten die Pride-Märsche jeweils abgesagt werden, da die Behörden deren Schutz verweigerten. Zwar hat Präsident Poroshenko in seinen Äußerungen zur Pride 2015 die Vereinbarkeit von Homosexualität und christlichen Werten in Frage gestellt und sich damit von der LGBT-Community distanziert. Mit der Bereitstellung des notwendigen Polizeischutzes hat er aber gleichzeitig bewiesen, dass er bereit ist, elementare Menschenrechte auch gegen massive Widerstände und für explizit für sexuelle Minderheiten durchzusetzen - ein Signal, das sowohl in der LGBT-Szene als auch vermutlich bei den europäischen Partnern sehr positiv aufgenommen wurde.

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