Familiengründung oder geschlechtliche Selbstbestimmung? Als trans Person kannst du nicht beides haben

Kommentar

Trans Personen müssen sich entscheiden zwischen ihrem Recht auf Gründung einer Familie und dem Recht auf freie Entfaltung ihrer geschlechtlichen Identität. Es ist höchste Zeit, die Gesetzgebung an moderne Familienrealitäten anzupassen.

Familiengründung oder geschlechtliche Selbstbestimmung?

Bei Antritt meiner letzten Arbeitsstelle musste ich die Geburtsurkunde meiner Kinder vorlegen. Das Problem: Die Person, die dort als „Mutter“ aufgeführt ist, existiert juristisch gesehen nicht mehr. Vor vier Jahren habe ich das Gesetz über die Änderung der Vornamen und die Feststellung der Geschlechtszugehörigkeit in besonderen Fällen – besser bekannt als das „Transsexuellengesetz (TSG)“ [1]  - in Anspruch genommen. Nach dieser demütigenden und teuren Prozedur konnte ich endlich alle meine Dokumente ändern lassen, inklusive meiner eigenen Geburtsurkunde. Was ich aber nicht ändern kann, sind die Geburtsurkunden meiner Kinder. Denn laut Abstammungsrecht muss es eine Mutter geben, und „Mutter ist die Frau, die das Kind geboren hat“. Gleichzeitig hat der Staat mit der Streichung des verfassungswidrigen Paragrafen §8 zur Zwangssterilisation im TSG implizit anerkannt, dass es gebärende Männer und zeugende Frauen geben kann. Das war 2011. Trans Eltern waren zuvor nicht nur unerwünscht, sondern ihre Fortpflanzungsunfähigkeit musste sogar sichergestellt werden.

Akuter Handlungsbedarf für Transeltern

Seitdem ist ein echter Fortschritt zu verzeichnen. Akuten Handlungsbedarf gibt es allerdings weiterhin. Bisher sind beispielsweise alle Klagen von trans Eltern abgewiesen worden, die sich mit ihrem richtigen Namen und Geschlecht in die Geburtsurkunde ihrer Kinder eintragen lassen wollten. [2]

Doppelt diskriminiert sind homosexuelle Paare, die gemeinsam ein leibliches Kind haben (was durchaus möglich ist, wenn eine Person trans und eine cis ist). Schon für reine cis lesbische Paare ist das Adoptionshilfegesetz diskriminierend. Die nicht gebärende Mutter muss ihr Kind adoptieren, während in einer Hetero-Ehe der Ehemann automatisch der Vater ist, und selbst ohne Ehe eine Vaterschaftsanerkennung problemlos möglich ist. Gehen wir jetzt noch davon aus, dass die nicht-gebärende Mutter eine trans Frau ist. Sie hat das Kind gezeugt, und ihre Partnerin hat das Kind geboren. Jetzt hat die trans Frau die Wahl: Entweder sie muss ihr leibliches Kind adoptieren, um als zweite Mutter anerkannt zu werden. Oder sie muss sich als „Vater“ in der Geburtsurkunde eintragen lassen, und zwar mit altem, männlichen Namen. Beide Optionen sind erniedrigend.

Transelternschaft wird im Alltag stark erschwert

Trans Personen müssen sich entscheiden zwischen ihrem Recht auf Gründung einer Familie und dem Recht auf freie Entfaltung ihrer geschlechtlichen Identität. Im Alltag bedeutet das dann zum Beispiel die Entscheidung, ob ich auf den Kinderfreibetrag verzichte oder mich meiner Arbeitgeber*in gegenüber zwangs-outen muss. Bei der Anmeldung für Kitas, Schulen, Hort, Wohnung, Sportvereine, Kindergeld und Kinderärzt*in habe ich von Beginn an gar keine Wahl. Es bedeutet auch, besser keine Auslandsreisen mit den Kindern zu machen, denn hier riskiere ich Repressionen wegen der nicht übereinstimmenden Pässe. Meine Kinder sind mittlerweile in einem Alter, in dem sie einige dieser Probleme mitbekommen. Sie merken, dass ich „anders“ bin als die Eltern ihrer Schulfreund_innen, dass es keine Repräsentation unserer Familienform in Büchern oder Fernsehen gibt. Ich weiß auch, dass sie über mich als „Mama“ reden in der Schule, obwohl sie mich seit vielen Jahren nicht mehr so nennen. Das tut weh, aber ich kann es ihnen auch nicht verübeln. Wie auch, wenn ich mich bei jeder Gelegenheit als „Mutter“ der beiden benennen lassen muss.

Das Abstammungsrecht muss dringend reformiert werden. Elternteil soll sein, wer sich verbindlich für die Sorge für ein Kind erklärt. Mit allen Rechten und Pflichten, aber unabhängig von geschlechtlicher Identität, ob zeugend oder gebärend, oder gar nichts von beiden. Es muss die Möglichkeit geben, mehr als zwei Eltern zuzulassen. Es ist höchste Zeit, die Gesetzgebung an moderne Familienrealitäten anzupassen.

Autor*in

Rix Weber (Jahrgang 1988), Elternteil von zwei Kindern (geb. 2011 und 2012), Transaktivist_in, Queerfeminist_in, Kollektivista bei Queerulant_in, Master-Abschluss in Gender Studies, und auch sonst nichts, womit sich ein Lebensunterhalt finanzieren lässt.

 

[1] https://www.gesetze-im-internet.de/tsg/BJNR016540980.html

 [2] z.B.: https://www.bundesverband-trans.de/bundesverfassungsgericht-nimmt-besch…  oder
    https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2020-05/diskriminierung-…