Georgien: Hotspot des transnationalen Leihmutterschaftsmarktes

Georgien gehört zu den wenigen Ländern weltweit, in denen die kommerzielle Leihmutterschaft legal ist. 2007 wurde dort das erste von einer Leihmutter ausgetragene Kind geboren. Seitdem boomt das Business der Kinderwunscherfüllung. Dabei geraten häufig die in den Hintergrund, auf deren Körper zugegriffen wird: die Leihmütter.

Abstrakte Zeichnung einer weiblich gelesenen Person, die ihre Arme auf ihren Bauch legt

Aus dem Georgischen übersetzt von Erekle Chigogidze

 

Als ich Ani das erste Mal treffe, ist sie 24 und plant, zum zweiten Mal Leihmutter zu werden.[2] Als Forscherin, möchte ich wissen, was Ani zu dieser Entscheidung veranlasst hat. Ani fragt mich zurück warum ich mich für ihre Geschichte interessiere.[3] Nach kurzem Zögern antworte ich entschlossen:

Weil es wichtig ist, dass man deine Stimme hört“.

Leihmutterschaft

Die Leihmutterschaft[1] ist die komplexeste Form reproduktiver Technologien unter Beteiligung einer Dritten – der Leihmutter. Letztere gibt ihre Einwilligung, das Kind des potenziellen Elternteiles bzw. der potenziellen Eltern auszutragen, die wegen medizinischer oder anderer Gründe kein Kind gebären können oder wollen. Es wird zwischen der sogenannten traditionellen Leihmutterschaft, bei der die Leihmutter auch die genetische Mutter ist und der gestationellen Leihmutterschaft unterschieden. Letztere gewinnt immer mehr an Popularität, da die Eizellen entweder von der Wunschmutter oder einer Eizellgeberin stammen.  In manchen Ländern, wie Georgien, der Ukraine und den USA ist die kommerzielle Leihmutterschaft legal, in anderen, wie z.B. Großbritannien oder Indien ist ausschließlich die sogenannte altruistische Leihmutterschaft erlaubt, bei der nur eine Aufwandsentschädigung gezahlt werden darf. 

Das erste Leihmutter-Kind wurde Anfang der 1980er Jahre in den USA geboren,[4] und bis heute ist diese medizinische Möglichkeit hoch umstritten. Sie verlangt, dass wir Begriffe wie Körper, Mutterschaft und Familie neu denken. In den meisten Ländern ist Leihmutterschaft illegal. Häufig wird argumentiert, dass die Leihmutterschaft Frauen und Kinder zu Konsumgütern mache und menschliches Leben und reproduktive Arbeit entwertet würden. In manchen Ländern ist nur die altruistische Leihmutterschaft zugelassen. In diesem Fall erhält die Leihmutter lediglich eine Entschädigung für medizinische Behandlung oder andere Ausgaben. Dieser Ansatz wird etwa in Kanada, Israel, in den Niederlanden und im Vereinigten Königreich verfolgt. Angesichts der wirtschaftlichen Lage in Georgien ist es völlig nachvollziehbar, dass es für Ani und andere Leihmütter wichtig ist, für die Leihmutterschaft angemessen entschädigt zu werden.  Georgien zählt zu den wenigen Ländern (wie z. B. die Ukraine, Russland sowie einige Bundestaaten in den USA), wo die geltende Gesetzgebung beide Formen der Leihmutterschaft zulässt. Laut dem georgischen Gesundheitsschutzgesetz ist „…die extrakorporale Befruchtung zulässig: (a) im Fall der Behandlung der Kinderlosigkeit sowie wenn bei dem Mann oder der Frau die Gefahr der Übertragung einer genetischen Krankheit besteht; in diesem Fall erfolgt die extrakorporale Befruchtung durch Einsetzen der Keimzellen oder des Embryos des Spenders, sofern eine schriftliche Zusage des Paars vorliegt; (b) Im Fall, dass die Frau keine Gebärmutter hat, erfolgt sie durch die Übertragung und Entwicklung des durch die Befruchtung erzeugten Embryos in die Gebärmutter einer anderen Frau (der Leihmutter); die schriftliche Zusage des Paars ist auch hier obligatorisch“.[5] 

Maximale Flexibilität für Wunscheltern

Seit 2007 wächst der reproduktive Markt in Georgien stetig. Aktuell bieten ca. 20 Kliniken Leihmutterschaftsbehandlungen an. In Georgien ist ausschließlich gestationelle Leihmutterschaft zulässig, die eine genetische Verwandschaft zwischen Leihmutter und Kind ausschließt.[6] Den Vertrag mit der Leihmutter darf ein heterosexuelles Paar nur schließen, wenn es urkundlich mindestens 12 Monate ein eheliches oder partnerschaftliches Zusammenleben nachweisen kann.[7] In der reproduktiven Medizin beschäftigte Ärzt*innen und Jurist*innen sind jedoch mehrheitlich der Ansicht, dass in Georgien die Leihmutterschaft rechtlich größtenteils ungeregelt ist, da die Gesetzgebung über die Auswahlkriterien der Leihmütter, Anzahl der zu übertagenden Embryos, Obergrenze der durch  eine Leihmutter geborenen Kinder oder obere Altersgrenze der potenziellen Eltern nichts aussagt.[8] Nach heutigem Stand dürfen in Georgien keine homosexuellen Paare und alleinstehende Frauen Leihmutterschaft beanspruchen, ansonsten bietet die geltende liberale Gesetzgebung Wunscheltern jedoch relativ flexible Bedingungen. Nach der Geburt haben weder der Spender noch die Leihmutter einen Anspruch auf Sorgerecht. Ein klarer Vorteil für Wunscheltern, die laut Studien häufig besorgt sind, dass die Leihmutter ihre Meinung ändern und beschließen könnte, das Kind zu behalten (Blyth 1995).[9] Laut geltender Gesetzgebung ist die Leihmutter nicht verpflichtet, ein eigenes Kind zu haben, doch häufig bestehen Agenturen und Kliniken darauf. Von einer Frau, die eigene Kinder hat, erwartet man weniger, dass sie Gefühle zum neugeborenen Kind entwickelt. Darüber hinaus deutet die Mutterschaft der potenziellen Leihmutter auf eine gute Reproduktionsfähigkeit hin. Gleichzeitig geht man davon aus, bereits gemachte Erfahrungen von Schwangerschaft und Geburt zu mehr Rationalität führen. Das für die Leihmütter festgelegte Alter von ca. 21 bis 38 Jahren ist ein weiteres Beispiel der Selbstregulierung der Kliniken und Agenturen.

Wunschkinder für ausländische Paare

Aufgrund der wirtschaftlichen Lage im Land sind georgische Paare nur selten in der Lage, Leihmutterschaft in Betracht zu ziehen. Trotz pro-natalistischer Appelle finanziert der Staat weder In-Vitro-Fertilisation noch den viel teureren Prozess der Leihmutterschaft. Deshalb steht hinter den steigenden Zahlen von Kliniken und Agenturen größtenteils die Nachfrage von ausländischen Paaren, die versuchen, ihre Kinderwünsche unter Vermeidung der gesetzlichen Restriktionen in ihren Heimatländern zu erfüllen.  Interviews mit Vertreter*innen der Kliniken und Agenturen zeigen, dass die ausländischen Paare aus jenen Ländern kommen, wo der gesetzliche Rahmen keinen Zugang zu den von ihnen erwünschten Dienstleistungen zulässt.[10] Das Interesse an Georgien ist durch mehrere Faktoren bedingt: im Vergleich zu anderen Ländern sind Preise günstiger;[11]in der Geburtsurkunde wird das Paar gleich nach der Geburt des Kindes als Eltern eingetragen; die hohe Erfolgsrate der Kliniken; und nicht zuletzt die für die Kommunikation mit den ausländischen Paaren notwendigen Fremdsprachenkenntnisse der Vermittler*innen.

Leihmütter als zentrale Akteurinnen erforschen

Leihmutterschaft hängt mit verschiedenen gesellschaftlichen Rahmenbedingungen wie den Geschlechterbeziehungen, finanziellen Problemen, Konzepten von Familie und Erbschaft sowie medizinischen, staatlichen und religiöse Regeln zusammen. Dabei müssen die Motivation und Taktiken jener Akteur*innen erforscht werden, die im globalen reproduktiven Markt involviert sind, gleichzeitig aber in ihrer eigenen, lokalen räumlichen und zeitlichen Dimension leben.

In den Geschichten der Leihmütter zeigen sich Erfahrungen, die unterschiedliche soziale Probleme widerspiegeln. Wie viele andere Leihmütter hat auch Ani früh geheiratet. Mit ihrer Ehe hoffte sie, sich von einer schweren Kindheit zu befreien. Wegen der von Traditionen geprägten Mentalität in ihrer neuen Familie, musste Ani jedoch die Schule abbrechen. Ihre Ehe scheiterte, und heute muss sich Ani als alleinstehende Mutter behaupten. Ohne familiäre oder staatliche Unterstützung kann das zu einem unüberwindbaren Problem  werden. Ohne Schulabschluss, kein Studium. Ohne Studium keine sichere Beschäftigung und somit keine Möglichkeit, Schulden zu zurückzuzahlen. Die Lebensläufe der Leihmütter haben eines gemeinsam: das Fehlen sozialer Unterstützung.

Wer kann Leihmutter werden?

Es gibt Fälle, in denen das Paar auch ohne Vermittlungsagentur mit einer potenziellen Leihmutter zu einer Abmachung kommt, jedoch wird dieser Prozess meist von Agenturen geregelt, die sich auf Leihmutterschaft bzw. [Organ]Spenden spezialisiert haben. Agenturen sind sich der Gefahr bewusst, dass Ehemänner oder Partner Frauen zu Leihmutterschaft drängen, um daran zu verdienen. Deshalb versuchen die Vertreter*innen der Agenturen schon beim Erstgespräch möglichst viele Details über die Motivation der Frau zu erfahren. Die Agenturen arbeiten mit Kliniken innerhalb eines Regelungsrahmens zusammen. Hier sind alle Einzelheiten der „körperlichen Eignung“ festgelegt. Im Vertrag über die Leihmutterschaft sind alle Anforderungen festgeschrieben, an die die Leihmutter sich vor und während der Schwangerschaft halten muss. Die Leihmutter muss entsprechende Medikamente nach einem festgelegten Plan einnehmen. Sie darf keinen Alkohol oder Drogen konsumieren, und es kann auch sexuelle Enthaltsamkeit gefordert werden.

Beim Ultraschall wegschauen

Bevor sie mit dem Leihmutterschaftsprogramm beginnen können, werden die Frauen entsprechend vorbereitet: sowohl körperlich als auch diskursiv. Während ihres ganzen Lebens hören Frauen, dass die neun Monate der Schwangerschaft äußerst wichtig seien und dass das Kind schon im Mutterleib als das eigene wahrgenommen und liebgewonnen werden müsse. In Fall der Leihmutterschaft aber werden keine Akzente auf die emotionale Bindung während der Schwangerschaft gesetzt. Diese Periode wird als eine vorübergehende, bedeutungslose Phase der medizinischen Beobachtung und nicht etwa als eine entscheidende Etappe der Mutterschaft dargestellt. Für die Leihmütter ist die Einschaltung dieses Selbstschutzmechanismus eine Normalität: Sie sehen den Monitor des Ultraschalgerätes absichtlich nicht an oder wenden den Blick vom Neugeborenen ab.

Lia, die kurz vor der Geburt steht, setzt auf folgende Taktik:

„Offen gesagt habe ich gar keinen Wunsch, es anzusehen… Ich will nicht, dass es sich in mein Gedächtnis einprägt“ (Lia, 39).

Die Abwesenheit der genetischen Verwandschaft ist für die Leihmütter sehr wichtig. Jedoch machen sie auch auf die Beziehung aufmerksam, die zwischen ihnen und dem Fötus besteht. Sie erinnern sich, wie sie mit dem Baby in ihrem Bauch sprachen, für seine Sicherheit sorgten, wie sie Socken für das Neugeborene gestrickt haben.

Stell dir mal vor, schon am zehnten Tag begann bei mir die Milch zu fließen. Die (im Krankenhaus) aber beteuerten, dass die künstliche Schwangerschaft für den Körper in der Weise entwickelt worden sei, dass ich keine Gefühle haben sollte. Sie wunderten sich sogar, dass ich die Kinder gernhatte.“ (Nini, 27).

Leihmutterschaft bleibt stigmatisierte Praxis

Vertreter*innen von Kliniken und Agenturen behaupten, dass Interesse und Wissen hinsichtlich Reproduktionstechnologien in der Bevölkerung steigen. Gleichzeitig ist die Leihmutterschaft in Georgien nach wie vor eine stigmatisierte Praxis. Sehr selten trifft man auf Leihmütter, die über ihre Erfahrungen offen sprechen. Um negative Reaktionen zu vermeiden, versuchen die Leihmütter den gesamten Prozess zu tarnen oder geheim zu halten. In Georgien sind keine Mechanismen zur Selbststärkung der Leihmütter etabliert, es gibt auch keine Gesprächsrunden, in denen sie über ihre Erfahrungen austauschen könnten, oder Bücher, die bei Schwierigkeiten weiterhelfen würden. Nicht selten sind Fälle, in denen Leihmütter sogar den Wohnort wechseln, ihr Geheimnis zu schützen. Als Ani von den letzten Monaten ihrer Schwangerschaft erzählt, erinnert sie sich, dass sie ihr verändertes Aussehen so erklärte: 

„Ich sagte, dass ich wegen irgendeines hormonellen Problems zugenommen habe“ (Ani, 24).

Kinder für andere gebären, damit die eigenen Kinder es besser haben

In Gesprächen mit den Leihmüttern wird klar, dass die Frauen pragmatisch denken: Was könnte man mit der zu erwartenden Entlohnung anfangen? Wofür reichen zwölf-, fünfzehn- oder achtzehntausend US-Dollar? Kann ich damit meinen Bankkredit zurückzahlen? Oder eine Wohnung auf Raten kaufen? Oder vielleicht kann ich eine Ausbildung machen? Nini sagt, dass die Entschädigung es kaum ermöglicht, ihre Wünsche zu erfüllen:

Ich konnte damit gar nichts unternehmen. Offen gesagt, das einzige was ich hingekriegt habe, war die Beschaffung von alltäglichen Dingen: Für meine Kinder habe ich einen Laptop gekauft, den brauchen sie immer wieder: für Hausaufgaben, die sie in der Schule bekommen, müssen sie im Internet recherchieren. Außerdem habe ich ihnen Fahrräder gekauft, eine ganz einfache Sache, jeweils für 250 GEL, das ist ein Tropfen auf den heißen Stein, die Kinder haben davon geträumt und es auch verdient. Ich habe auch Kurse für Maniküre besucht, bin zertifizierte Nageldesignerin geworden, habe alle notwendigen Instrumente und Zubehör gekauft und so weiter...“ (Nini, 27).

 Die Leihmütter denken, dass die Entlohnung höher sein sollte. Besonders unfair finden sie, dass sie bei einer Mehrlingsschwangerschaft nur 1500 bis 2000 US-Dollar zugezahlt bekommen. In vielen Fällen wird der größte Teil des Lohnes zur Schuldentilgung verwendet. Mit dem Rest versuchen sie etwas Nützliches zu machen, zum Beispiel ein Bankkonto zu eröffnen, in der Hoffnung, mit der Zeit mehr Geld sparen zu können. Dies ist für Ani ein Anlass, sich über die zweite Leihmutterschaft Gedanken zu machen:

„Ich bin motiviert, für mich und mein Kind eine Wohnung zu kaufen, eine Einzimmerwohnung, damit es mindestens eine kleine eigene Ecke hat, das ist meine Motivation“ (Ani, 24).

Die Gespräche mit Leihmüttern zeigen, dass die Entscheidung, sich dem Prozess der Leihmutterschaft anzuschließen, meistens durch den Wunsch motiviert ist, die eigenen Kinder finanziell abzusichern. Wie die 28-jährige Eka sagt:

„Da war ich in einer Situation, als mir klar wurde: ich muss das alles machen, um meinem Kind etwas zu geben, weil ich mit meiner normalen Arbeit nichts machen konnte… Zuerst überlegte ich, ob ich es wirklich riskieren sollte, aber dann habe ich eingesehen, dass die Frage des Risikos keine Rolle spielt, wenn man keinen anderen Ausweg hat…“ (Eka, 28).

In den Gesprächen wird klar, dass die Frauen bei der Entscheidung eigentlich vor zwei Grundalternativen stehen: Leihmutterschaft oder illegale Migration. Dabei ist es für sie nur schwer vorstellbar, das Land zu verlassen, weil sie ein oder mehrere Kinder haben und sie keine lange Trennung in Kauf nehmen möchten. So stellt sich die Leihmutterschaft als einziger Ausweg dar.

Dieser Artikel beruht auf ersten Ergebnissen des Forschungsprojekts  “Surrogacy as Networked Phenomenon: the study of key actors and their interrelations” des Ilia Instituts der Staatlichen Universität Tbilisi, gefördert durch die Shota Rustaveli National Science Foundation und durchgeführt von Elene Gavashelishvili, Nino Rcheulishvili, Ketevan Gurchiani and Mariam Darchiashvili. Die Interviews wurden 2020 und 2021 in Georgien geführt.

 

Leere und Erleichterung nach der Geburt

Der Höhepunkt der Schwangerschaft ist für beide Seiten hochemotional. Die traditionelle Verbindung zwischen Mutter und Kind bekommt in diesem Fall eine andere Gestalt. Interviews mit den Wunscheltern zeigen, dass sie versuchen, das Neugeborene schon unmittelbar nach der Geburt zu übernehmen. Die Kliniken wollen meistens vermeiden, dass die Leihmutter nach der Geburt Kontakt mit dem Kind hält, etwa durch Stillen, was viele Leihmütter für übertriebene Vorsicht halten.

Für die Leihmütter ist es irritierend, dass die Übergabe des Kindes von der georgischen Gesellschaft immer wieder als Verkauf des eigenen Kindes wahrgenommen wird:

„Auch dieses Vorurteil ist fest verwurzelt: Wie kannst du dich dann von deinem eigenen Kind trennen?! Das ist doch nicht mein Kind, schon von vornherein weiß man, dass es nicht das eigene Kind ist“ (Eka, 28).

Die postpartale Situation wird stets von ambivalenten Gefühlen begleitet: Die Trennung vom Kind bringt der Leihmutter einerseits eine Erleichterung, andererseits hinterlässt sie aber auch ein Gefühl der Leere:

„Innerlich, für eine Hundertstelsekunde, fühlte ich etwas wie Bedauern. Ich dachte, ohje, ich werde nicht mehr schwanger werden, ohje, man bringt die Kinder weg. Und dann, als ich die Emotion gesehen habe, als diese Frau fast in Ohnmacht fiel, als sie weinte und gleichzeitig lachte, allen Gefühlen gleichzeitig freien Lauf ließ, nachdem sie das Kind gesehen hatte, da habe ich verstanden, dass ich was sehr Gutes getan habe und nicht den kleinsten Grund hatte, mir Sorgen zu machen, ganz im Gegenteil: mein ganzes Leben lang sollte ich darüber glücklich sein.“ (Nini, 27).

Leihmütter werden häufig als unterdrückt, stimmlos und handlungsunfähig dargestellt. Mangelnde staatliche Unterstützung und prekäre Beschäftigung spielen eine große Rolle und prägen ihre Entscheidungen. Doch ebenso sie sind Kämpferinnen und Gestalterinnen ihres Lebens. Der Opferdiskurs bringt uns nicht weiter. 

- „Mensch, du bist ja cool“, sage ich fassungslos zu Ani, die mir ihre Lebensgeschichte erzählt.

- „Wir sind doch Mütter, wir Mütter sind alle cool. Gewissermaßen ist jede Mutter cool, meine ich jedenfalls“, antwortet sie mir lächelnd.

 

Der Artikel ist zuerst auf Englisch auf der Seite der Heinrich-Böll-Stiftung Süd Kaukasus erschienen: https://feminism-boell.org/en/2022/08/04/unheard-voices-surrogate-mothe…


Fußnoten

[1] Anmerkung der Redaktion: In diesem Artikel wird gemäß der Übersetzung das Wort Leihmutterschaft verwendet. Alternativ kann der Begriff Tragemutterschaft oder Leihgebärendenschaft verwendet werden um sichtbar zu machen, dass hier reproduktive Arbeit geleistet wird.

[2] Die Namen aller Interviewten wurden aus Anonymitätsgründen geändert.

[3] Das laufende Forschungsprojekt „Leihmutterschaft als ein Netzwerkphänomen: Studie zu Schlüsselakteuren und ihren Beziehungen“ wird durch die Nationale Shota-Rustaveli-Stiftung zur Förderung der Wissenschaftlichen Forschung (Shota Rustaveli National Science Foundation of Georgia) finanziert (FR-19-7478). Bei der Gelegenheit möchte ich mich bei der Stiftung, allen Projektmitarbeiter*innen sowie allen Teilnehmer*innen bedanken, die uns Interviews gegeben und ihre Erfahrungen mitgeteilt haben. Ohne ihr Mitwirken wäre die Ausarbeitung dieses Artikels nicht möglich gewesen.

[4] Utian, W. H., Goldfarb, J. M., Kiwi, R., Sheean, L. A., Auld, H., & Lisbona, H. (1989). Preliminary experience with in vitro fertilization-surrogate gestational pregnancy. Fertility and Sterility, 52(4), 633-638. doi:10.1016/s0015-0282(16)60977-9.

[5] s.: „Das Georgische Gesundheitsschutzgesetz“, Art. 143.2

[6] Bei der Leihmutterschaft wird in die Gebärmutter der Leihmutter der durch die Anwendung der Eizelle entwickelte Embryo übertragen.

[7] s.: Anordnung des georgischen Justizministers vom 31. Januar 2012 (Tbilissi, N 18) über die Genehmigung des Verfahrens zur Eintragung von Personenstandsurkunden, Art. 19: https://matsne.gov.ge/ka/document/view/1572063?publication=0

[8] Als ein extremes Beispiel für die mangelnde gesetzliche Regelung kann der Fall des türkischen Geschäftsmanns Galif Öztürk und seiner Ehefrau Christina Östürk (@batumi_mama) betrachtet werden, die mit Hilfe der Leihmutterschaft 105 Kinder bekommen wollen. Das Paar lebt in Georgien, in Batumi (eine Stadt an der Schwarzmeerküste). Mehr dazu s.: in der Reportage über das Paar: The Sun (26 Jul 2021) “KID YOU NOT Dad who had 21 surrogate babies in a YEAR already had.

[9] s.: „Das Georgische Gesundheitsschutzgesetz“, Art. 141, 143, 144.

[10] Die Paare kommen aus der Türkei, dem Vereinigten Königreich, China, Israel, Deutschland, Spanien und andren Ländern.

[11] Zum Vergleich s.: die Webseiten der georgischen und US-amerikanischen Leihmutterschaftsagenturen: Israeli IVF, Donation and Surrogacy Center BIRTH in Batumi, https://birthbatumi.com/?page_id=7199&lang=ka “Price of US Surrogacy”, https://fertilitycenterlv.com/diagnosis-treatment-care/price-us-surrogacy/