Daten, Zahlen, Fakten

Frauenfußball in Deutschland im Überblick

Petra Rost

Inhalt:
 

  1. Zahlen und Fakten für Frauenfußball-Unkundige
  2. Entwicklungen und Normalisierungen
  3. Potentiale

1. Zahlen und Fakten für Frauenfußball-Unkundige

Die Geschichte des deutschen Frauenfußballs ist eine Erfolgsgeschichte. Diese These wird im Vorfeld der Fußballweltmeisterschaft 2011 gerne und oft wiederholt. Nicht von der Hand zuweisen sind die Erfolge der derzeitigen Welt- und Europameister_innen aus Deutschland. Aber stimmt diese Aussage? Und wenn ja, wann hat sie angefangen, die Erfolgsstory und welche Hürden und Hindernisse musste und muss der Frauenfußball bewältigen?

Wer spielt?

Fußball ist heute der beliebteste Teamsport bei Mädchen und Frauen. Über 1 Million Mädchen und Frauen sind im DFB organisiert und rund 700.000 spielen in Deutschland Fußball, weltweit sind es mehr als 30 Millionen. Sie sind in zahlreichen Amateur- und Profivereinen organisiert.

Aktuell spielen 12 Teams in der ersten Bundesliga die deutsche Meisterschaft aus. 25 Teams spielen in der zweiten Bundesliga um den Aufstieg oder den Klassenerhalt.

Einige dieser Teams, wie zum Beispiel der Hamburger SV, der VfL Wolfsburg, Bayern München oder Bayer 04 Leverkusen, sind sogenannte Frauenabteilungen der jeweiligen Sportvereine. Andere Teams, wie der 1. FFC Frankfurt, der FF USV Jena oder der 1. FFC Turbine Potsdam, sind als eigenständige Frauenfußballclubs aus bestehenden Sportvereinen hervorgegangen.

Wer pfeift?

Während in der Frauen-Bundesliga (1. und 2.) ausschließlich Frauen als Unparteiische pfeifen, pfeifen in der ersten Männer-Bundesliga ausschließlich Männer als Unparteiische. Einzige Ausnahme ist Bibiana Steinhaus. Sie ist die einzige Schiedsrichter_in, die im Profibereich der Männer Fuß gefasst hat.

Wo wird gespielt?

Die Frauen-Bundesliga in ihrer heutigen Form wurde offiziell 1989 nach dem Vorbild der Männer-Bundesliga eingeführt und nahm 1990 ihren Spielbetrieb auf. Die Stadien der Frauen-Bundesliga sind weitaus kleiner und weniger komfortabel als die Stadien der Männer-Bundesligisten. Nur drei Stadien haben eine Kapazität, die 10.000 Plätze übersteigt.

Die Spiele werden in der Regel Sonntags zwischen 11 Uhr bzw. 14 Uhr ausgetragen. Warum die Frauen fast ausschließlich Sonntags spielen und die Spiele es wederSsamstags noch Sonntags in die Sportschau schaffen wird noch zu klären sein. Auch Konferenzschaltungen in den Fußballübertragungen vermisst der_die geneigte Fußballbegeisterte bisher völlig.

Wer schaut zu?

Mit Fan-Schal ins Stadion? Eher die Ausnahme, denn Frauen-Fußball begeistert überwiegend Fernsehzuschauer_innen. Das letzte Länderspiel gegen Australien brachte dem ZDF 3,53 Mio. Zuschauer_innen, was einem Marktanteil von 13,9% entspricht. Zur Freude der übertragenden Sender – und des DFB, der für die Fernsehrechte an der Nationalelf und der Bundesliga Millionen kassiert. Spiele des Nationalteams, auch der U19 und U20, erzielen überragende Quoten. Dagegen sind Spiele der Clubs auf internationaler Ebene und Spiele der Bundesliga medial kaum beachtet. Sie haben auch im Vergleich die geringeren Zahlen an Stadionbesucher_innen.

Die zweite Frauen-Bundesliga spielt in den Medien nicht nur ein untergeordnete Rolle, sondern gar keine. Ausnahmen sind zuweilen die Regionalprogramme, die die Spiele der eigenen Regionalteams (erste und zweite Bundesliga) in ihren Sportsendungen zusammenfassen.

Die Zuschauer_innenzahlen sind seit der Aufnahme des Spielbetriebs kontinuierlich gestiegen. In der ersten Saison 1989/1999 kamen insgesamt 33.483 Zuschauer_innen zu 132 Spielen, in der aktuellen Saison sind es bei 112 Spielen 86.026 Zuschauer_innen.

Was einen Anstieg um ca. 33% bedeutet. Besonders viele Zuschauer_innen ließen sich jeweils nach den gewonnenen WM-Titeln verzeichnen. In der Vor – WM - Saison 2002/2003 kamen insgesamt 44.707 Zuschauer_innen. Nach dem Gewinn des Titels waren es bereits 70.136 Zuschauer_innen. Ähnlich spielte es sich in der Vor-WM-Saison 2006/2007 ab.

Zu bemerken bleibt, dass in der Saison nach dem zweiten WM-Titel des Nationalteams 2007 die Zahlen erstmals über die 100.000er Marke stiegen und dort bis jetzt relativ konstant blieben. Auch wenn ein Rückgang um 10.000 – 15.000 Zuschauer_innen seit der Saison 2007/2008 zu verzeichnen ist. Der Durchschnitt aller Clubs beträgt ca. 700 Zuschauer_innen pro Spiel.

Trotz dieser positiven Entwicklung muss aber leider festgestellt werden, dass der Frauenfußball in der öffentlichen Wahrnehmung außerhalb von Länderspielen nur eine untergeordnete Rolle spielt.

Und wie sieht es mit dem Budget aus?

Die Etats der Clubs der Frauen-Bundesliga sind bescheiden gemessen an denen der Männer-Bundesliga.

Auch innerhalb der Bundesliga gibt es ein erhebliches Gefälle in der finanziellen Ausstattung: In der Saison 2007/2008 lagen die Budgets zwischen 150.000€ (1. FC Saarbrücken) und 1.000.000€ pro Saison (1. FFC Frankfurt).1

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2. Entwicklungen und Normalisierungen

a) Entwicklungslinien

Um 1900 gibt es erste Hinweise auf das Spielen einer Fußballvariante von Frauen. Das erste dokumentierte Fußballspiel fand 1927 statt. 1930 gründete Lotte Specht den "1. DDFC" (erster DamenFußballClub).2

Bis zum heutigen Tag halten sich hartnäckige Vorurteile und Klischees gegen den Frauenfußball. Einige dieser Klischees sind: Frauenfußball ist viel zu langsam, technisch und taktisch nicht so ausgereift, nicht sehr kampfbetont, der Fußball und Sport überhaupt würde ihrer Gesundheit bzw. ihrer Reproduktionsfähigkeit schaden.

Professionalisierungsprozesse haben erst sehr viel später und unter schwierigeren Bedingungen stattgefunden. Noch 1995 hatten Nationalspieler_innen lediglich drei Trainingseinheiten pro Woche, heute sind es sieben. Ein besonderer Tiefpunkt in der Wertschätzung der sportlichen Leistungen: Die Siegesprämie für den EM-Titel 1989 war ein Kaffeeservice: „Irgendwas musste man den Frauen ja mitgeben […] Und da hat man dieses fehlerhafte Service gefunden.“3 Diese „Prämie“ war auch Ausdruck des Amateurstatus, in dem kein Geld fließen durfte.

Zum Weltmeistertitel 2007 bekamen die Spieler_innen des Nationalteams dann 50.000 Euro.

Die Prämie für einen erneuten Titel 2011 beträgt 60.000 Euro.

Ein großer Fortschritt, jedoch immer noch ein recht geringer Betrag, wenn man an die Summen denkt, die die Spieler des Männer-Nationalteams bekommen.

Die Unterrepräsentation von Frauen in Schlüsselpositionen ist ein Thema, was sich auch im organisierten Sport fortsetzt. Wie in allen Bereichen der Arbeitswelt (sehr allgemein) gilt auch hier, je höher das Amt, desto geringer der Anteil von Frauen in diesen Positionen. Übungsleiterinnen und Trainerinnen sind im deutschen Sport mit nur 23% klar in der Minderheit.4

Im Fußball scheint es auf den ersten Blick anders zu sein. Zwar werden Teams aus den Bezirks- und Landesligen oft von (formal nicht qualifizierten) Männern trainiert.5 Aber: Das Nationalteam wird seit Jahren von Frauen trainiert und in den Landesverbänden des DFB sind Frauen als Trainerinnen hauptamtlich angestellt.

Beim genaueren Blick zeigt sich jedoch: Die wenigsten Trainerinnen haben eine Übungsleiterinnenlizenz und noch seltener eine Trainerinnenlizenz. Übungsleiterinnen bzw. Trainerinnen, denen formal eine Qualifizierung angeboten wird, nehmen diese oft nicht wahr. Formal sind Trainerinnen und Schiedsrichterinnen gleichgestellt und haben die gleichen Zugangsvoraussetzungen. Es muss also andere Gründe geben, warum Frauen seltener an Ausbildungen teilnehmen. Zu vermuten ist, dass die Scheu vor stereotypen Vorstellungen und Geschlechterrollen hier eine große Rolle spielt.

Wichtig sind die gezielte Ausbildung und die Besetzung wichtiger Positionen (Trainerinnen, Management, Marketing) innerhalb des DFB mit Expert_innen aus dem aktiven (Frauen)Fußball. Doch der geringe Anteil von Frauen, die den Weg in Richtung Ausbildungslehrgänge einschlagen, ist nicht von der Hand zu weisen. Schlechte Verdienstmöglichkeiten, geringe Karrieremöglichkeiten, latente Diskriminierung in den Auswahlverfahren bei der Besetzung von Trainerinnenstellen, fehlende Einbindung in formelle und informelle Netzwerke, schlechterer Ressourcenzugang, fehlende Akzeptanz von Trainerinnen und das damit einhergehende geringe Medieninteresse sind Inklusionsbarrieren und gleichzeitig Exklusionsmechanismen, die einer weiteren Professionalisierung des Frauenfußballs noch immer im Wege stehen.

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b) Von Fußball und Frauenfußball: Darf oder muss man Frauenfußball und Männerfußball vergleichen?

Dazu gibt es so viele Meinungen wie Spielzüge, taktische Ausrichtungen, Fußbälle und Fans. Und vielleicht ist diese Frage nicht so leicht zu beantworten, weil sie so komplex ist.

Ich denke, die Frage ob Frauenfußball mit Männerfußball vergleichbar ist, muss anders gestellt werden. Was verglichen werden muss, sind die Bedingungen, unter denen Fußball gespielt werden kann und gespielt wird. Frauen und Männer im Fußball zu vergleichen, heißt anzunehmen, dass wir wissen, was Frauen und Männer sind. Es gibt kein gemeinsames Frauen-Wir und kein gemeinsames Männer-Wir. Es gibt Männlichkeiten und Frauen und Weiblichkeiten und Männer und ganz viel dazwischen.

Die Prämien zu vergleichen, die Trainingsaufwände, die Ausbildungen bzw. Lizenzierungen von Trainer_innen und Schiedsrichter_innen, heißt, die Bedingungen und Möglichkeiten zu analysieren, die Ungleichbehandlungen und Ausschlüsse hervorrufen und rechtfertigen. Die Verteilung von Ressourcen ist immer an Bedingungen geknüpft. Hier wie in allen gesellschaftlichen und sozialen Bereichen geht es um die Anerkennung der zugewiesenen Rollengrenzen. Das Überschreiten der Grenzen zieht Nichtanerkennung und die Verwehrung zum Zugang zu Ressourcen nach sich.

Ein Vergleich macht nur Sinn, wenn er Ungleichbehandlung benennt und Maßnahmen ergriffen werden um diese abzubauen.

Solange sich eine Vergleichbarkeit an vermeintlich natürlichen Unterschieden festmacht und strukturelle Ungleichbehandlung rechtfertigt, bleibt sie defizitär und verstetigt Ungleichbehandlungen.

Ein Vergleich von Frauenfußball und Männerfußball, die Bezeichnung als etwas Besonderes, Spezielles, das Hinweisen darauf, dass Frauenfußball anders ist als Männerfußball, hat immer den Beigeschmack des Defizitären. Männerfußball wird als Norm gesetzt, von dem Frauenfußball differenziert wird und sich selbst differenziert. Eben doch: Fußball und Frauenfußball.

3. Potentiale

Welche Potentiale könnte die WM 2011 für den deutschen Fußball haben, welche Entwicklungsschritte sind nötig, was braucht der Frauenfußball?

Das Motto des DFB "20Elf von seiner schönsten Seite" und das Maskottchen dieser WM, „Karla Kick“ lösten bereits im Vorfeld kontroverse Debatten aus. Einige argumentieren, dass mit der Vergabe der WM eine gestiegene Werteschätzung und ein Schritt hin zur mehr Gleichberechtigung einhergehe. Andere kritisieren, dass das Motto und die gesamte Werbekampagne Vorstellungen von vergeschlechtlichten Körpern reproduziere und mitnichten ein Schritt zu mehr Gleichberechtigung sei, sondern eine Ästhetik-Debatte eröffne, die Frauen und Schönheit wieder miteinander in Beziehung setzen.

Hier bietet die WM 2011 die Möglichkeit, in die öffentlichen Debatten über Gender, Rassismus, Integration, Homo- und Trans*-feindlichkeit zu intervenieren. Es braucht begleitende politische Fragen, weil Politik und Sport miteinander verwoben sind: Sport macht Politik und Politik macht Sport. Frauenfußball erweist sich als Herausforderung hegemonialer (Fußball)Männlichkeit. Dies könnte großes Potential bieten, sich genau anzuschauen, wie diese verfasst ist und wo es Ansätze zu einer kritischen Auseinandersetzung gibt.

Fußball ist der beliebteste Teamsport bei Frauen und Mädchen. Nach der WM 2011 soll sich dieser Trend fortsetzen. Zumindest baut der DFB auf eine große Resonanz und einen großen Schub für die Entwicklung des Frauenfußballs. Am Liga-Alltag nach der WM wird sich zeigen, wie nachhaltig die Aufmerksamkeit war, die die WM generierte. Aber eine politische Unterstützung für Mädchen und Frauen im Fußball wird weiterhin nötig sein. Ein erster Schritt wäre die verpflichtende Anwendung von Gender Budgeting im Spielbetrieb, wie z.B. bei Trainingszeiten und Trainingsplätzen. Diese und andere Maßnahmen setzten aber den Willen voraus, Frauen- und Männerfußball als gleichberechtigte und mit gleichen Kriterien bewertete Profi- und Breitensportart zu etablieren.

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Endnoten:
1 FF Magazin November 2007
2 sueddeutsche.de: Der erste Fußballverein für Damen - Der Kick ihres Lebens
3 Frankfurter Rundschau: Siegprämie Kaffeeservice
4 Gieß-Stüber, P. (1996). TrainerIn (K)ein Beruf für Frauen? In Anders, G. & Braun Laufers, E. (Red.), Frauen im Leistungssport (S. 71-81). Köln: Sport & BuchStrauß.
5 Weigelt-Schlesinger, Yvonne: Geschlechterstereotype – Qualifikationsbarrieren von Frauen in der Fußballtrainerausbildung? 2006, Dissertation, TU Chemnitz

 

 
 
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Petra Rost, M.A.

arbeitet im Bereich der Antidiskriminierungs-, Diversity- und Gleichstellungspolitik.
Sie ist Historiker_in, Gender- und Politikwissenschaftler_in. Sie arbeitet im Genderkompetenzzentrum Berlin und ist Mitgründer_in des Vereins gender/queer e.V. Ihre Arbeitsschwerpunkte sind Sport und Körperpolitik(en); Critical Whiteness, Heteronormativitäts- und Repräsentationskritik.

 

 

 
 
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GENDER KICKS 2011