Mehr Haltung zeigen für eine feministische Außenpolitik!

Kommentar

Patriarchale Machtverhältnisse müssen hinterfragt und überwunden werden. Es gilt, die Rechte von Frauen und Mädchen zu verwirklichen – überall. In den kommenden zwei Jahren hat Deutschland die Chance, hierfür im UN-Sicherheitsrat einzutreten.

Am 2. Oktober 2018 wurde der regimekritische Journalist Jamal Khashoggi im saudischen Konsulat in Istanbul ermordet. Sechs Wochen später reagierte auch die Bundesregierung auf dieses Verbrechen und kündigte an, Rüstungsexporte nach Saudi-Arabien zu stoppen.

Dieser Schritt ist ausdrücklich zu begrüßen. Schließlich ist Saudi-Arabien in die Kriegshandlungen im Nahen Osten verwickelt. So wirft eine Expert/innenkommission der Vereinten Nationen der saudischen Allianz vor, Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Jemen zu begehen. Doch nicht nur außenpolitisch missachtet die saudische Regierung rücksichtslos Menschenrechte. Auch innenpolitisch schrecken die Machthaber vor keiner Brutalität zurück, wie der Fall Khashoggi zeigt. Ganz zu schweigen von der systematischen Unterdrückung von Frauen und Mädchen in Saudi-Arabien.

Aber wieso hat die Bundesregierung überhaupt so lange gebraucht, um diese Sanktionen auszusprechen? Immerhin ist der tragische Fall nur einer von vielen. Im Jahr 2015 beispielsweise wurde die Menschenrechtsaktivistin Israa al-Ghomgham verhaftet. Ihr droht die Enthauptung. Als die kanadische Außenministerin Chrystia Freeland dies im Sommer 2018 öffentlich kritisierte und um Rückendeckung von ihrem deutschen Amtskollegen bat, schwieg Außenminister Heiko Maas. Und obwohl er mehrfach zugesagt hatte, Aktivistinnen zu unterstützen. In seiner Rede auf der 73. VN-Generalversammlung betonte er außerdem, wer Verbrechen gegen die Menschlichkeit begehe, müsse sich darüber bewusst sein, dass seine Taten nicht straffrei blieben – und zwar „niemals und nirgendwo“.

Die Agenda Frauen, Frieden, Sicherheit ernst nehmen  - Aktivistinnen schützen!

Als erster deutscher Außenminister hat Heiko Maas wiederholt auf den „engen Zusammenhang zwischen Geschlechtergleichstellung, dem Schutz der Menschenrechte, nachhaltiger Entwicklung und der Wahrung von Frieden und Sicherheit“ öffentlich hingewiesen. Die Umsetzung der Agenda „Frauen, Frieden und Sicherheit“ sei ihm ein wichtiges Anliegen – so seine Aussage. Frauen und Mädchen sollten vor Gewalt geschützt und gleichberechtigt an Friedensprozessen beteiligt werden. Doch warum setzt er sich international für Frauenrechte ein und überlässt Aktivistinnen gleichzeitig ihrem Schicksal? Wie passt das zusammen?

Am Beispiel von Saudi-Arabien sehen wir, wie destabilisierend patriarchale Strukturen nach innen und außen wirken. Daraus sollten für die deutsche Außenpolitik Konsequenzen gezogen werden, nicht nur im Hinblick auf dieses eine Land. Patriarchale Machtverhältnisse müssen hinterfragt und überwunden werden! Es gilt, die Rechte von Frauen und Mädchen zu verwirklichen – überall. In den kommenden zwei Jahren haben Heiko Maas und seine Kolleg/innen die Chance, hierfür im VN-Sicherheitsrat einzutreten und die Umsetzung der Agenda „Frauen, Frieden und Sicherheit“ engagiert in New York und weltweit voranzubringen!

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Am 31. Oktober 2000 verabschiedete der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen einstimmig die Resolution 1325 zum Thema „Frauen, Frieden und Sicherheit“. Das Gremium stellte dabei fest, dass der Schutz von Frauen und Mädchen in bewaffneten Konflikten sowie ihre gleichberechtigte Beteiligung an Friedensprozessen in erheblichem Maße zur Förderung des Weltfriedens beitragen können. Die Resolution 1325 stellt damit im Gegensatz zum klassischen Sicherheitskonzept nicht den Staat in den Mittelpunkt der Sicherheitspolitik, sondern Frauen und Mädchen als Akteurinnen für Frieden. Sie spiegelt damit das Konzept der menschlichen Sicherheit wider.

Der Sicherheitsrat formuliert in der Resolution 1325 eine Reihe von Maßnahmen, die dazu beitragen sollen geschlechtergerechten Frieden herzustellen – wie zum Beispiel die Berücksichtigung der unterschiedlichen Bedürfnisse weiblicher und männlicher Exkombattant/innen bei Demobilisierung und Wiedereingliederung. Die Forderungen richten sich sowohl an den UN-Generalsekretär und die UN-Mitgliedstaaten als auch an alle Akteur/innen von Friedensverhandlungen und Parteien in bewaffneten Konflikten. Diese sind verpflichtet, die Resolution 1325 umzusetzen. In den darauffolgenden Jahren hat der Sicherheitsrat eine Reihe von Folgeresolutionen verabschiedet, sodass eine umfassende Agenda „Frauen, Frieden und Sicherheit“ entstand.

Die Umsetzung der Resolution 1325 in Deutschland

Die deutsche Bundesregierung tat sich lange Zeit schwer, die Agenda „Frauen, Frieden und Sicherheit“ ernst zu nehmen. Erst im Dezember 2012 verabschiedete das Bundeskabinett einen Nationalen Aktionsplan zur Umsetzung der Resolution 1325 für den Zeitraum der Jahre 2013 bis 2016. Ziel des ersten Aktionsplans war es, das außen-, entwicklungs- und sicherheitspolitische Engagement im Themenfeld „Frauen, Frieden und Sicherheit“ strategischer auszurichten. Ohne eigenes Budget, klare Zielformulierungen und Indikatoren zur Messung der Zielerreichung war der Aktionsplan jedoch wenig wirkungsorientiert ausgerichtet.

Immerhin hat der Aktionsplan dazu beigetragen, mehr Aufmerksamkeit herzustellen. So haben sich hochrangige Entscheidungsträger/innen wie Bundeskanzlerin Angela Merkel wiederholt zum Thema geäußert. Ein Novum in der deutschen Politik. Für ein stärkeres politisches Bewusstsein spricht auch, dass die letzte Bundesregierung im Januar 2017 einen Folgeaktionsplan aufgelegt hat. Obgleich auch diesmal kein eigenes Budget bereitgestellt wurde, ist der zweite Aktionsplan wirkungsorientierter ausgerichtet als sein Vorgänger. Die Bundesregierung verpflichtet sich darin zu einer Reihe von konkreten Maßnahmen. Darüber hinaus hat die Bundesregierung die Agenda „Frauen, Frieden und Sicherheit“ zu einem Schwerpunkt ihrer Kandidatur für einen nichtständigen Sitz im Sicherheitsrat für die Jahre 2019 und 2020 gemacht. Nun gilt es den politischen Bekenntnissen Taten folgen zu lassen und die Agenda kohärent umzusetzen.

Dieser Kommentar ist Teil unseres Dossiers "Feministische Außenpolitik".