Resolution 1325 und ihre reale Bedeutung …für die irakischen Frauen

Es sollte hervorgehoben werden, dass die Resolution 1325 in der Sicherheitsratsresolution 1483 zum Irak vom 22. Mai 2003 Erwähnung findet. Hier wird festgestellt, dass allen irakischen BürgerInnen ohne Einschränkung gleiche Rechte und Gerechtigkeit zuzusichern ist. Dies veranlasste uns - die zivilgesellschaftlichen Organisationen und hier insbesondere die Frauenorganisationen - dazu, eine Kampagne zu starten, um die Präsenz von Frauen in Entscheidungspositionen einzufordern. Wir sind stolz darauf, dass wir es geschafft haben, in der Verfassung eine Quote von mindestens 25 Sitzen im Abgeordnetenhaus zu verankern; die gleiche Quote wurde bei den Provinzwahlen 2009 erreicht.

Ferner können wir voller Stolz auf unsere bemerkenswerten Erfahrungen zurückgreifen: Wir waren stets aktiv und unnachgiebig in dieser schwierigen Zeit und fordernden Umgebung, die durch Terroranschläge und religiöse Konflikte und Unsicherheit gekennzeichnet waren; wir haben aktiv an den Wahlen und dem Verfassungsreferendum teilgenommen, Programme umgesetzt, die eine Dialogkultur, Pluralismus und gegenseitiges Verständnis, Menschenrechte, einschließlich der Rechte von Frauen und Kindern, sowie Konzepte der Gewaltfreiheit, Konfliktlösung und Friedenskonsolidierung und menschlicher Sicherheit fördern und sich auf Kompetenz und Integrität, nationale Einheit und Rechtsstaatlichkeit, Übergangsjustiz und Demokratie bezogene Prinzipien und Werte stützen.

Die irakische Frauenbewegung hat es durch ihre unterschiedlichen Strukturen, Programme und Aktivitäten geschafft, die Empfindlichkeiten des Sektierertums und Regionalismus, Tribalismus, Rassismus und Parteigängertums weiter zu überwinden und hat gezeigt, welche Fähigkeiten sie im Bereich Lobbyarbeit auf kommunaler Ebene und auch als Mobilisierungskraft und Katalysator für einen nationalen und bürgerlichen Aufschwung im Irak hat.

Als Nichtregierungsorganisationen haben wir uns dazu verpflichtet, Menschenrechte zu fördern und zu schützen, indem wir uns darauf berufen, dass der Irak den Internationalen Pakt über Wirtschaftliche, Soziale und Kulturelle Rechte, den Internationalen Pakt über die Bürgerlichen und Politischen Rechte, die Konvention zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau, die Kinderrechtskonvention sowie andere internationale Verträge im Bereich Menschenrechte unterzeichnet hat. Wir sind nunmehr bestrebt, die strategische Dimension zur Förderung der Menschenrechte nicht nur als Problem von Mechanismen und Gesetzen, sondern auch als bildungsrelevantes Thema zu betrachten und die Kultur, die sich in den Verhaltensweisen, Praktiken und Visionen widerspiegelt und in der Struktur der unterschiedlichen Lebensweisen in der Gemeinschaft verankert ist, zu konsolidieren und zu einem wichtigen Diskursbaustein zu machen.

Trotz der relativen Verbesserung der Sicherheitslage, die im letzten Jahr zu beobachten war, werfen die Auswirkungen und Geschehnisse der vergangenen drei Jahrzehnte während der Diktatur weiterhin ihren Schatte auf die Situation der irakischen Frauen, deren Rechte in unterschiedlichen Bereichen und Kategorien sowie an unterschiedlichen Orten nach wie vor verletzt werden - als Inhaftierte in Haftanstalten, als Vertriebene und Migrantinnen, als Obdachlose, mit einer geschätzten Zahl von , Waisen und Frauen mit besonderen Bedürfnissen von ca. 4 Millionen, von denen die meisten unter Armut, Not, Arbeitslosigkeit und einem Mangel an sozialem Schutz leiden – und all das angesichts der ungeheuren Verschlechterung der allgemeinen Daseinsvorsorge, der Wohnungslage, der Strom-, Wasser- und Lebensmittelversorgung sowie der Bildung und Gesundheitsfürsorge.

Hinzu kommt, dass einige Konfliktsituationen und Umstände dazu geführt haben, dass Frauen sowohl Teil der Gewalt als auch Opfer wurden. In diesem Zusammenhang geht es um das Phänomen der Selbstmordattentate, bei dem eine Überschneidung unterschiedlicher Beweggründe zu beobachten ist: Nötigung, Gehirnwäsche sowie der Verlust der Familie, extreme Armut, Analphabetismus, Hoffnungslosigkeit und Wut, etc.

Die Aushebelung bestehender Gesetze und Mechanismen und deren Anwendung führen zu Straflosigkeit und einer Ausbreitung von Ignoranz und Rückständigkeit. Diese Faktoren begünstigten die kriminellen Machenschaften im Bereich Terrorismus und Gewalt gegen Frauen, Entführungen, Mord, Vergewaltigungen und körperliche und geistige Verletzungen sowie endlose Drohungen vonseiten milizgestützter Gruppen zur Durchsetzung eines bestimmten Aussehens und Kleidungsstils. Oder aber diese Frauen werden misshandelt, da sie ethnischen Minderheiten oder anderen religiösen Gruppen angehören, oder verkauft, ausgebeutet und zur Prostitution gezwungen. Außerdem werden auf Stammesbräuchen und –traditionen begründete Regeln erlassen, die dem Menschenrechtsansatz zuwiderlaufen. Im Namen des Islam wird zudem die Religion durch die Heranziehung widersprüchlicher lokaler, klerikaler Rechtsgutachten (fatwas) manipuliert, z.B. durch die Legitimierung der sogenannten Ehrenverbrechen, Zwangsehen und die gesetzeswidrige Verheiratung von Mädchen, was im Umkehrschluss Polygamie und Ehen auf Zeit begünstigt. Ein großer Prozentsatz von Frauen und Mädchen leidet unter häuslicher Gewalt, die häufig lebensbedrohliche Formen annimmt und vernichtende Auswirkungen auf ihre körperliche und geistige Gesundheit hat.  

Wir, die zivilgesellschaftlichen Organisationen, haben versucht, den passenden Mechanismus zu finden, um Frauenrechte zu fördern und zu schützen, wobei unser Ansatz auf Transparenz, dem Recht auf Zugang zu Informationen und der Partnerschaft bei der Ausformulierung, Durchsetzung, Überwachung und Evaluierung der öffentlichen Ordnung durch den Staat beruht. Bei unserer Arbeit tragen wir die Verantwortung dafür, die Opfer sowie die verfassungsrechtlich und in internationalen Verträgen garantierten Bürgerrechte (insbesondere in der UN-Resolution 1325 und CEDAW, die der Irak 1986 ratifiziert hat) zu schützen.
 
Wir appellieren an die internationale Staatengemeinschaft, die UN sowie die Geberländer und internationalen Institutionen, unsere Programme folgendermaßen zu unterstützen:

  1. Frauen und Frauengruppen sollten Zugang zu jeden politischen Diskussionen und Gesprächen bekommen, die für den zukünftigen Frieden und Demokratieaufbau im Irak von entscheidender Bedeutung sind. Zur Verbesserung von Transparenz und zur Förderung von Verantwortungsübernahme  in allen Bereichen sollte ihre Rolle zur Stärkung einer guten Regierungsführung und Entwicklung Berücksichtigung finden.
  2. Die irakische Verfassung sollte die internationalen Menschenrechtsverträge als nationale und gesetzlich verpflichtende Bezugspunkte betrachten.
  3. Es sollte sichergestellt werden, dass der Grundsatz der Staatsbürgerschaft und Gleichbehandlung vor dem Gesetz für alle BürgerInnen gleichermaßen gefördert wird. Hierzu muss die Verfassung von sämtlichen sektiererischen Artikeln (einschließlich Artikel 41) und Aspekten befreit werden, um die Hingabe zum Sektierertum, Terrorismus und sektiererische Gewalt, Hass und Disparitäten zwischen den Elementen der irakischen Gesellschaft ein für alle Mal zu verhindern. 
  4. Schaffung einer gesunden Atmosphäre, um Frauen bei der Erreichung von Gleichberechtigung zu stärken, indem man ihnen in allen Bereichen Chancengleichheit zuteil werden und sie an Entscheidungsprozessen auf den unterschiedlichen Ebenen stärker partizipieren lässt.
  5. Forderung nach Errichtung eines Rechtsschutzsystems, von Schutzunterkünften, eines unerlässlichen Gesundheits- und Sozialfürsorgesystems für schutzbedürftige Frauengruppen, einschließlich Gewaltopfern, sowie Lobbyarbeit für den Entwurf eines Gesetzes über häusliche Gewalt und Frauen- und Kinderhandel, einhergehend mit der Verbesserung von Rechtsstaatlichkeit, Gleichberechtigung und Gerechtigkeit im Irak.
  6. Aufruf an internationale Gruppen und Stakeholder, die Bereitstellung von finanzieller Unterstützung für die irakischen zivilgesellschaftlichen Organisationen und Frauengruppen im Einklang mit UNSCR 1325 als vordringliche Aufgabe zu betrachten, wodurch deren Lobbyaktivitäten und –kampagnen zur Verbesserung der Position der Frauen im öffentlichen Leben, zum Schutze der Menschenrechte und zum Kampf gegen geschlechterbasierte Gewalt finanziert werden könnten.
  7. Die Implementierung von Fort- und Weiterbildungsprogrammen für Frauenorganisationen sowie die Entwicklung nationaler Schulungsfertigkeiten im Bereich Gender, geschlechterbasierte Gewalt, Frauenhandel und Friedenskonsolidierung durch Frauen.
  8. Anerkennung der Erfahrungen und der Rolle von irakischen Frauengruppen bei der Friedenskonsolidierung, der nationalen Versöhnung, beim Wiederaufbau und beim Schutz der menschlichen Sicherheit von Frauen im Einklang mit UNSCR 1325. 
  9. Hilfestellung beim Informationsaustausch und Netzwerkaufbau mit Frauen in ehemaligen Konfliktregionen, um Lobbykampagnen anzustoßen, die sich mit den Auswirkungen bewaffneter Konflikte auf das Leben der Frauen beschäftigen.
  10. Unter Bezugnahme auf Veröffentlichungen von Wikileaks über Menschenrechtsgräueltaten im Irak rufen wir die internationale Gemeinschaft auf, einen internationalen Untersuchungsausschuss einzusetzen, um den unmenschlichen Praktiken nachzugehen, die seit April 2003 von verschiedenen Seiten ausgeübt wurden: von den Besatzungskräften, der Miliz und zahllosen Gefolgsleuten des vorigen Regimes und Regierungsapparats.

 
Schließlich hat die Resolution 1325 dazu beigetragen, den irakischen Frauen im Verlauf der Zeit eine Stimme zu verleihen. Wir arbeiten und kämpfen unermüdlich auf verschiedenen Gebieten. Obgleich wir zahlreiche Waffenschwestern verloren haben, haben wir nicht aufgegeben. Die irakischen Frauen sind fest entschlossen, Frieden in ihrem Land sowie ein würdevolles Leben für sich und ihre Familien zu schaffen und das Thema Geschlechtergerechtigkeit als Voraussetzung für den Demokratieaufbau im Irak auf die Tagesordnung zu setzen.