Leicht zu finden war der Bremer Veranstaltungsort der „Gender Kicks 2011“ nicht. Denn das Weserstadion ist groß und in die VIP-Lounge verirren sich die gemeinen Fußballfans eher selten. Doch insgesamt 100 Interessierte, von jungen Spielerinnen bis zum älteren Herren mit Fanschal, fanden sich ein und erlebten über der Weser einen interessanten Abend. Der Fußballbegeisterung zweier Frauen war es zu verdanken, dass es auch in Bremen eine Veranstaltung gab, obwohl es nicht Austragungsort der Frauenfußballweltmeisterschaft ist. Die Mitorganisatorin und Geschäftsführerin vom Kulturzentrum belladonna, Maren Bock, eröffnete denn auch sichtlich begeistert die Veranstaltung. Als aktive Kickerin und Mitglied von Werder Bremen outete sich auch die Moderatorin des Abends, die Landesbeauftragte für Frauen, Ulrike Hauffe.
Aber „warum spielen Frauen überhaupt Fußball?“ Dieser Frage widmete sich zum Einstieg der Film „Go Girls Go“. Wieder einmal wurde deutlich, wie viele Widerstände Fußballspielerinnen zu überwinden hatten, vom Verbot des Frauenfußballs bis hin zum inzwischen berühmt-berüchtigten Kaffeeservice zur ersten EM-Titel. Und wie gerade der Frauenfußball für die Emanzipation der Frauen steht und die immer wiederkehrende Frage, ob wir versuchen, überall mit den Männern gleich zu ziehen oder einen eigenen Weg finden.
Anschließend ging es mit der Podiumsdiskussion „Gegnerinnen-Aufklärung“ weiter. Schwerpunktland diesmal war der amtierende Vizeweltmeister Brasilien und die Gästeliste sowohl lokal, als auch hochkarätig besetzt, passend zum Veranstaltungsort. Als „Stargast“ war der ehemalige Manager von Werder Bremen und heutige UN-Sonderbeauftragter für Sport im Dienste von Frieden und Entwicklung, Willi Lemke, geladen. Weitere Werder-Gäste waren Chadia Freyhat, Spielerin der 1. Frauenmannschaft, und Birte Brüggemann, die Abteilungsleiterin für Mädchen- und Frauenfußball. Der Präsident des Bremer Fußball-Verbandes, Björn Fecker war ebenfalls gekommen.
Die Spielerin Kelly Cristina Pereira Silva vom brasilianischen Pokalsieger CEPE-Caxias hatte leider kurzfristig verletzt abgesagt, dafür musste die Hobbykickerin und Sozialarbeiterin Diane Sousa für zwei sprechen. Und wie sie das tat. Sie berichtete von den zum Teil noch erheblichen Widerständen, denen sich Fußballspielerinnen in Brasilien gegenüber sehen. Sie selbst begann mit 8 zu kicken und schloss sich wenige Jahre später der Stiftung Formação an, die Straßenkindern im Nordosten Brasiliens den Fußball näher bringt. Inzwischen ist sie mit zwei weiteren Aktivistinnen für die Ausbildung von insgesamt 900 Spielerinnen und Trainerinnen verantwortlich.
Trotz der letzten Erfolge der brasilianischen Seleçao um Marta werde Frauenfußball in Brasilien immer noch vernachlässigt. Doch das Problem liege tiefer, denn das Aufzwingen von Rollenbildern beginne immer noch mit der Geburt. Aber niemand habe die Frauen gefragt, was sie eigentlich wollten. So würden Fußballspielerinnen auch weiter als kleine Mannweiber verunglimpft, doch im Vergleich zu früher habe sich schon viel getan. Für sie selbst sei das Fußball spielen auch eine Befreiung, gar eine demokratische Übung, erklärte sie und kassierte spontanen Applaus der Besucher_innen.
Auch Willi Lemke hatte von seinen Reisen sowohl positive, als auch negative Geschichten mitgebracht. Während aufgrund der Initiative eines Mädchens nun im Westjordanland erstmals eine Fußballmädchenliga entstanden ist, gab es in einem somalischen Flüchtlingslager Probleme. Nachdem Volleyballspielerinnen von den Jungen im Lager mit Steinen beworfen wurden, musste das Sportprojekt abgebrochen werden. Da er auch weiter auf der Suche nach neuen Projekten sei, zeigte er sich schwer beeindruckt von der Arbeit Sousas – und ließ sich gleich ihre Kontaktdaten geben.
Ein weiteres Thema des Abends waren die Schwierigkeiten des Frauenfußballs in Deutschland. Bis heute seien Vereinsfunktionäre teilweise schwer zu überzeugen, auch Mädchenmannschaften einzurichten, berichtete Björn Fecker aus der Verbandsarbeit. Auch in Bremen hatte es lange Widerstände gegen eine Frauenabteilung gegeben. Von den fehlenden Toiletten bis hin zum befürchteten Ausbluten der umliegenden Vereine waren alle Argumente angeführt worden. Schließlich waren es die kleinen Vereine, die um einen großen Klub als Rettung baten, weil die Spielerinnen nach Niedersachen oder sogar weiter weg abwanderten. Das seit Jahren steigende Interesse am Mädchenfußball könnte nun mit der Frauen-WM einen weiteren Schub erhalten – eine Entwicklung auf die man noch nicht 100 prozentig vorbereitet sei.
Auch die anderen Gäste hatten noch viele Geschichten zu erzählen, so dass der Abend schon fast zu schnell vorbei war. Besonders Diane Sousa begeisterte die Zuhörer_innen. Wie viel sie trotz ihres Alters schon erreicht hat, beeindruckte auch eine Gruppe Teenager: Diane sei eine Inspiration und Beispiel für die Emanzipation der Frau.
- Die Ankündigung der Veranstaltung: Gegnerinnen-Aufklärung (Bremen)
Die Teilnehmenden am Podium waren:
Chadia Freyhat (SV Werder Bremen); Willi Lemke (UN-Generalsekretär), Birte Brüggemann (SV Werder Bremen), Moderatorin Ulrike Hauffe (Bremer Landesfrauenbeauftragte für Frauen), Diane Sousa (Straßenfußball-Organisation Formacao, Brasilien), Björn Fecker (Präsident Bremer Fußball-Verband)
Mehr zum Thema: - Belladonna Bremen (Kooperationspartner_in)
- Liebe Frauen! ran an den Ball (Interview mit Diane Sousa und Maren Bock bei radiobremen)
Helga Hansen
arbeitet als Wissenschafts- und Lokaljournalistin für Print und Hörfunk. Seit 2009 schreibt sie auf dem feministischen Gemeinschaftsblog Mädchenmannschaft zu gesellschafts- und netzpolitischen Themen. Privat leidet sie als Dauerkartenbesitzerin mit dem VFL Osnabrück.
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