Dossier
Care Ökonomie: Nachhaltig geschlechtergerecht Wirtschaften und Leben!
„Care“ ist ein zentraler Bestandteil menschlichen Zusammenlebens: Niemand kommt ohne Sorge und Versorgung von anderen oder für andere aus. Die Betreuung kleiner Kinder, die Pflege älterer Menschen, die Versorgung von Kranken, das ehrenamtliche Engagement für Soziales: Sorgearbeit ist überall – nur nicht in der Ökonomie. Jedenfalls scheint es so, als würde es nach wie vor eine „richtige“ Wirtschaft geben – und eben Bereiche, die ausgeklammert werden. Care Arbeit „zählt nicht“, denn sie widersetzt sich den gängigen wirtschaftlichen Prinzipien von Gewinnsteigerung, Effizienz, Nutzen und Prozessmaximierung, Produktivität: Babys wickeln, Menschen füttern braucht seine Zeit. Aber gerade die reproduktiven Tätigkeiten sind mehr als nur jene kostenlose Ressource, als die sie die klassische Ökonomie behandelt: Sie sind selbst ein Teil der Ökonomie – der „weibliche Zwilling“ der Marktökonomie. Care steht dem androzentrischen Marktbild radikal entgegen.
Was konkret bedeutet es für unser Wirtschaftsverständnis und unser ökonomisches Handeln, wenn reproduktives Handeln als Teil der Ökonomie mit „berechnet“ wird, wenn all jene kostenlosen Tätigkeiten zur Umsorgung von Menschen, die die Erwerbsökonomie erst ermöglichen, berücksichtigt werden? Kommen wir durch Care zu einem umfassenderen, geschlechtergerechten, nachhaltigeren Wirtschaftsbegriff, der Ressourcen nicht als Gratisangebot wahrnimmt, sondern endlich fair verhandelt und Gewinn nicht nur als Nutzenmaximierung und Bilanzverbesserung versteht?
Mit Blick auf die demographische Entwicklung, klamme Staatskassen und fragwürdige Gesundheitsreformen stellt sich zudem die Frage: Wer pflegt künftig wen – und zu welchen Bedingungen? Arbeitsschutz, Rechtssicherheit und faire Löhne sind dabei nur eine Seite der Medaille, denn Care beinhaltet auch Emotion, Motivation, Fürsorge – sowie Anerkennung bezahlter wie auch unbezahlter Sorgearbeit.
Die Autor/innen dieses Dossiers beleuchten aus ganz unterschiedlichen Perspektiven Probleme und Chancen von Care Ökonomie, Care Arbeit, Care Ethik und Care Politik – für nachhaltiges, geschlechtergerechtes Wirtschaften und Leben.
Wirtschaften
Wirtschaften bedeutet den Umgang mit knappen Gütern. Dabei wird auch das „Gut“ Geschlechtergerechtigkeit gehandelt. Was alle Geschlechter zum selbstbestimmten Leben brauchen, soll auch geschlechtergerecht produziert werden. Geschlechtersensible Wirtschaftspolitiken setzen die Krisen von Wirtschaft und Umwelt in Bezug zur Krise der Sorge- und Versorgungsarbeit. Feministische Perspektiven diskutieren z.B. die in Wert Setzung von unbezahlter Arbeit oder hinterfragen die kapitalistische Trennung von Produktion und Reproduktion kritisch.
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Arbeitsorganisatorische Leitbilder
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