Nein zum Hass!

Bahri Abdo, ursprünglich aus Aleppo, nahm am Berliner Women’s March teil
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Bahri Abdo, ursprünglich aus Aleppo, nahm am Berliner Women’s March teil

Der Women’s March on Washington am 21. Januar 2017 hat Millionen Menschen auf der ganzen Welt zusammengebracht, die mit ihrer Stimme ein Zeichen für eine friedliche und tolerante Gesellschaft gesetzt haben. Eine von ihnen war die Soziolog*in Sabine Hark, die vor dem Brandenburger Tor diese Rede gehalten hat.

Ein praktizierender Vertreter der Kultur der Vergewaltigung, Rassismus und Sexismus, Hass auf Frauen*, Lesben und Schwule, auf Trans­gender, Inter* und Queers, Ausgrenzung und Entwürdigung, Missachtung und Verletzung hat am 20. Januar 2017 im Weißen Haus Platz genommen.

Das Zeitalter der legitim prügelnden und vergewaltigenden Männer, der ressentimentgeladenen, homophoben Kleinfamilie und der kolonialen Allmachtsphantasien, das Zeitalter der Kriege und des vernichtenden Rassismus kann damit wieder aufleben.

Wir haben uns heute hier versammelt, weil wir das nicht hinnehmen werden und weil wir gemeinsam eine andere Welt wagen wollen. Weil wir Nein sagen zu einer Politik des Hasses und der Respektlosigkeit, weil wir Nein sagen zu einer Politik der Gewalt und Einschüchterung. Respektlosigkeit lädt zu Respektlosigkeit ein, Gewalt animiert zu Gewalt. Diese Einladung nehmen wir nicht an.

Auch hierzulande sind wir seit Langem Zeug*innen, dass auch die gebildete gesellschaftliche Mitte, die sich selbst verstärkt als Opfer eines angeblich von Feminist*innen, Linken und anderen Gutmenschen ausgeübten »Tugendterrors« inszeniert, zunehmend enthemmt hasst und diffamiert, beleidigt und pöbelt.

Viele von uns, Frauen*, Queers, Menschen mit Fluchterfahrung, Menschen mit Behinderung, migrantische und Schwarze Deutsche, erleben tagtäglich diese geballte Wucht rabiater Eliten, den längst nicht mehr nur semantisch ausgetragenen Klassenkampf von oben, der die Gleichwertigkeit von Menschen leugnet und ihre psychische und physische Integrität antastet.

Doch homo- und transphobe, heterosexistische und rassifizierende Politiken treffen nicht alle gleichermaßen. Gewalt richtet sich gegen manche Körper und nicht gegen andere. Es ist daher wichtig, dass wir den Unterschied zwischen privilegierten und ausgesetzten Körpern erkennen. Dass wir unser Beteiligtsein an Gewalt und Unterwerfung, an Ignoranz und Passivität, unser Mittun an Regression, an Rassismus und Sexismus in den Blick nehmen, und dass wir aktiv Nein dazu sagen.

So erleben wir etwa derzeit überall in Europa, dass fremdenfeindliche, nationalistische Parteien Vorstellungen von Gleichberechtigung benutzen, um darzustellen, dass männliche muslimische Bürger – und nicht-westliche männ­liche Migranten ganz allgemein – nicht imstande seien, die Rechte von Frauen* und LGBTI*Q zu respektieren. Auch dazu sagen wir Nein. Sexismus und sexualisierte Gewalt sind niemals hinnehmbar. Aber die Anprangerung von Sexismus darf niemals als Legitimation für rassistische Politiken herhalten.

Heute vor 75 Jahren, am 20. Januar 1942, beschlossen die National­sozialisten in einer Villa am Wannsee die ohnehin bereits im Gange befindliche endgültige Vernichtung der europäischen Juden.

Wir haben heute die Wahl und müssen uns entscheiden: Wir können mit Trump und Orbán, Le Pen und Farage, Kaczyński und Modi, Rasmussen und Petri, Erdogan und Putin zurückfallen und die Schrecken des 20. Jahrhunderts wiederholen. Oder wir sehen die Gefahr und bündeln jetzt unsere Kräfte, um endlich in ein 21. Jahrhundert einzutreten, das Gleichheit und das Zusammen- und Miteinander-Sein der Verschiedenen in den Vordergrund rückt, in ein Jahrhundert, das sich in globaler Solidarität übt. Wir haben nur diese eine verrottete Gegenwart. Sie ist unsere einzige Gelegenheit. Sie ist das Leben, das wir haben, sie und keine andere birgt den Stoff, um unsere Kräfte zu entwickeln. Lasst uns heute damit beginnen!