Unmittelbar nach der Parlamentswahl in der Türkei im Juli 2007 kündigte die aus den Wahlen gestärkt hervorgegangene AKP-Regierung an, eine neue Verfassung auszuarbeiten. Sie hatte dafür bereits vor den Wahlen eine Kommission von Verfassungsrechtlerinnen und Verfassungsrechtlern einberufen, die mit der Ausarbeitung eines neuen Entwurfs beauftragt wurde. Dieser sollte in der AKP diskutiert und in überarbeiteter Fassung dann der Öffentlichkeit als Regierungsentwurf vorgestellt werden.
Doch dazu kam es nicht. Bis heute liegt dieser Entwurf nicht vor. Dabei herrscht weitgehend Konsens, dass die von den Militärs 1983 dekretierte Verfassung endlich durch ein ziviles und demokratisches Grundgesetz abgelöst werden sollte. Doch schon allein das Verfahren stieß auf harsche Kritik der Zivilgesellschaft, da es eine breite gesellschaftliche Diskussion von vornherein stark beschränkte.
Aus feministischer Perspektive war zudem der von der Kommission ausgearbeitete Entwurf längst nicht hinreichend. Sie gründeten deshalb im Oktober 2007 die Plattform Frauen und Verfassung, die über 90 autonome Frauenorganisationen und rund zehn Plattformen verband, also über 200 Frauengruppen unter einem Dach. Diese Plattform mischte sich in die Diskussion ein, erstellte einen umfangreichen Forderungskatalog aus Gender-Perspektive für eine eventuelle neue Verfassung und verschaffte den Forderungen der Frauen so landesweit Gehör. Die Heinrich-Böll-Stiftung unterstützte die Plattformtreffen und lud die Frauen zu Bündnistreffen anderer NGOs ein, die sich ihrerseits zusammengeschlossen hatten, um sich über eine alternative Verfassung zu verständigen.
Als die Regierung das Vorhaben auf Eis gelegt hatte, da ihr Entwurf offiziell nie zur Diskussion gestellt wurde, verlor diese Kampagne an Schwung. Dennoch können die ausgearbeiteten Forderungen zu einem späteren Zeitpunkt wieder hervorgeholt werden. Denn – soviel ist sicher –: Die derzeitige Verfassung ist längst von der Geschichte überholt worden.
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