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Ohne Frauen Kein Frieden

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Ohne Frauen Kein Frieden

Nachhaltige Sicherheit braucht die Frauen und die Geschlechterperspektive

Gitti Hentschel

Bosilka Schedlich und Monika Hauser sind zwei von 15 Frauen aus Deutschland und von 1000 Frauen aus 150 Ländern, die in diesem Jahr den Friedensnobelpreis erhalten sollen. Sie wurden vom Verein „1000 Frauen für den Friedensnobelreis“, einer Initiative von frauen- und friedenspolitisch engagierten Expertinnen in der Schweiz, dafür nominiert, stellvertretend für die vielen ungenannten, unbekannten Frauen, die weltweit gegen Krieg, Frauen/Menschenrechtsverletzungen, Frauenunterdrückung und Ausbeutung und für Frieden kämpfen. Zwei Jahre lang hat der Verein Frauen in aller Welt gesucht, die eine solche Ehrung verdienen. Ende Juni wurden an 40 Orten der Welt ihre Namen veröffentlicht.

Bedingung für ihre Nominierung war, dass sie „gewaltlos, nachhaltig und uneigennützig und mit legalen Geldern finanziert“ arbeiten. Der Hintergrund dieser unter dem Patronat der UNESCO stehenden Initiative: Frauen leisten weltweit einen wesentlichen Beitrag zur Krisenprävention, zur zivilen Konfliktbearbeitung und zum Wiederaufbau in Nachkriegsgesellschaften, sie kämpfen, je nach Bedingungen in ihrem Land, subversiv oder offensiv gegen Gewalt und Frauen/ Menschenrechtsverletzungen, gegen den Einsatz von Waffen und für die Aussöhnung der konfliktaustragenden Parteien. In der Regel wird die politische Bedeutung ihrer Friedens- oder Versöhnungsarbeit kaum anerkannt, ihre Expertise, ihre Leistungen werden kaum gewürdigt. So wurde der Friedensnobelpreis bisher an 78 Männer verliehen, aber nur an 11 Frauen.

Gravierender noch ist der weitgehende Ausschluß der Frauen aus der (inter)nationalen Friedens- und Sicherheitspolitik, denn dies bedeutet auch, ihre spezifischen Perspektiven und Erfahrungen kommen dort nicht vor. Die mangelnde Partizipation von Frauen verweist außerdem auf ein grundlegendes Defizit im Demokratieverständnis der einzelnen Länder und der internationalen Staatengemeinschaft. Frauen sind trotz Gleichheitsprinzip und Gleichberechtigungsgesetzen in zentrale Entscheidungen über Krieg und Frieden, in Verhandlungen über Friedensabkommen und Nachkriegsordnungen kaum eingebunden, wie Beispiele der jüngsten Geschichte zeigen: an den Friedensgesprächen in Dayton 1995 zur Beendigung des Bosnienkonflikts wurde keine einzige Frau beteiligt, obwohl die massive Gewalt an und Marginalisierung von Frauen dort international bekannt war.i

Selbst in Afghanistan, wo die Militärintervention u.a. mit der Befreiung der Frauen begründet wurde, waren in der verfassungsgebenden Lloya Jirga im Januar 2004 nur 11% Frauen vertreten, obwohl das afghanische Frauenministerium, unterstützt von internationalen Frauenorganisationen, eine Quote von mindestens 25 % Frauen gefordert hatte. Im UN-Sicherheitsrat, der vertrat in den letzten Jahren keine einzige Frau die fünf ständigen und zehn nicht-ständigen Mitgliedsländer.

Auch Deutschland, das 2003/04 dort Sitz und Stimme hatte, wurde durch UN-Botschafter Günter Pleuger vertreten. Wie Studien zeigen, kommt Frauen jedoch eine „wichtige Rolle ...bei der Verhütung und Beilegung von Konflikten und bei der Friedenskonsolidierung“ zu und „der systematische Ausschluss von Frauen aus offiziellen Friedensprozessen hat schädliche Effekte auf die Nachhaltigkeit von Friedensabkommen“.ii Beispiele hierfür sind die labilen Verhältnisse im Kosovo, in Afghanistan und Irak. Denn ihre Anwesenheit „verändert .. die Natur des Dialogs“.iii Der Grund: zwischen den Geschlechtern bestehen Unterschiede in der in der Art zu verhandeln und in Konflikten zu vermitteln. Zum Beispiel bestehen Frauen stärker auf zivilen Konfliktlösungen und bringen andere Themen in die Verhandlungen ein, etwa Gesundheits-, Bildungsfragen und Besitzverhältnisse.iv Entsprechend waren Verhandlungsergebnisse, die von Frauen erzielt oder stark beeinflusst wurden, dauerhafter, die Verhandlungsparteien zufriedener. Beispiel hierfür ist Somalia.

Als im Mai 2000 die Männer der Konfliktparteien, die fünf somalischen Clans, die Frauen von Friedensverhandlungen ausschließen wollten, schlossen sich die Frauen der Clans über ethnische Grenzen hinweg zu einem 6. Clan zusammen und erreichten durch massiven Druck ihre Beteiligung. Sie setzten für die Parlamentswahlen eine 10%ige Quoten für Frauen ihrer Wahl durch, und die Wahl weiterer Frauen durch die anderen Clans. Die vom Parlament verabschiedete Charta für die Rechte von Frauen, Kindern und Minderheiten gilt als eine der fortschrittlichsten in der islamischen Welt. Hervorzuheben ist, dass die Unterschiede der Geschlechter in der Konfliktvermittlung – ebenso wie die unterschiedliche Beteiligung von Frauen und Männern an gewaltsamen Konflikten - nicht auf biologische oder Wesensmerkmale der Geschlechter zurückzuführen sind. Die Frau als friedfertige Vermittlerin, Trösterin, Unterstützerin, aber auch Schutzbedürftige einerseits, der Mann als der tapfere Kämpfer, Staatsmann, Beschützer auf der anderen Seite sind gesellschaftliche Stereotype und Rollenzuschreibungen, die untrennbar zusammenhängen und sich wechselseitig ergänzen.

Entsprechend spielen die Geschlechterverhältnisse ebenso wie die jeweiligen Geschlechterkonstruktionen in einer Gesellschaft sowohl für die Entstehung und den Verlauf gewaltsamer Konflikte als auch für die Konfliktbearbeitung eine wichtige Rolle.v Das bedeutet auch, dass Männer und Frauen für Gewalteskalation und Krieg gleichermaßen Verantwortung tragen, ebenso wie für zivile Konfliktlösungen. Dass Frauen hier wirksamer sind, resultiert aus ihren von Männern verschiedenen Lebensbedingungen und Erfahrungen, wodurch jeweils spezifische Kompetenzen und Verhaltensmuster entwickelt werden. Frauen sind außerdem von allen ZivilistInnen in kriegerischen Konflikten und auch in der Nachkriegszeit am meisten gefährdet.vi In Kriegen wird sexuelle Gewalt systematisch als Mittel der Kriegsführung eingesetzt,vii einerseits um die Feinde zu demütigen und zu demoralisieren, andererseits, um die Gewaltbereitschaft der eigenen Soldaten zu steigern. Zwar werden auch Männer hier Opfer sexueller Gewalt, doch Massenvergewaltigungen, gewaltsame Verschleppungen und Versklavung der „Kriegsbeute“ trifft vor allem Frauen und Mädchen.

So wurden im Bürgerkrieg in Ex-Jugoslawien in den 1990er Jahren etwa 20-50 000 Frauen vergewaltigt.viii Viele Frauen sind auch nach bewaffneten Konflikten, trotz Friedensvereinbarungen und in der Phase des (Wieder)aufbaus demokratischer Strukturen nicht sicher. Infolge der Brutalisierung der Kombattanten im Krieg erleben sie in potenziertem Maße häusliche Gewalt und Vergewaltigung durch die eigenen zurückgekehrten Männer, zumal häusliche Gewalt in vielen Ländern noch gesellschaftlich geduldet oder sogar legitimiert wird.ix Dies verweist auf den - von feministischen Expertinnen seit langem thematisierten - untrennbaren Zusammenhang zwischen häuslicher und militärischer Gewalt einerseits, auf die Bedeutung von Geschlechterverhältnissen im Kontext von Konflikten und ihrer Bearbeitung andererseits. Auch wenn Sicherheit in der (inter)nationalen Politik als „geschlechtsneutral“ angesehen wird, hat sie eine geschlechtsspezifische Dimension. Afghanistan ist dafür aktuelles Beispiel. Dort werden in weiten Teilen des Landes die Grundrechte der Frauen – ähnlich wie zu Zeiten der Taliban-Herrschaft – weiterhin verletzt, ihre persönliche Sicherheit ist bedroht, sie sind Opfer von sexueller Gewalt, von Zwangsheiraten und Entführungen, und durch die weiterhin von Männern ausgeübte Strafgerichtsbarkeit haben sie weder Unterstützung noch Schutz zu erwarten; im Gegenteil werden sie dadurch weiter diskriminiert.

Die Generalsekretärin von amnesty international Barbara Lochbihler sieht hier ein Versäumnis der internationalen Gemeinschaft und der ausländischen Institutionen und Organisationen, die Afghanistan beim Aufbau unterstützen und begleiten, aber gegenüber der Situation der Frauen „eine alarmierende Achtlosigkeit“ gezeigt hätten.x Mit der mangelnden Partizipation von Frauen und der Vernachlässigung der Geschlechterperspektive wird auch bindendes Völkerrecht gebrochen. Im Oktober 2000 verabschiedete der UN-Sicherheitsrat einstimmig die UN-Resolution 1325 zu "Frauen und Frieden und Sicherheit". Sie verpflichtet in insgesamt 18 Punkten die UNO, ihre Mitgliedstaaten und die Konflikt-Parteien, Frauen in allen Fragen von Krieg und Frieden, in sämtlichen Entscheidungsgremien und –prozessen in Krisen und bewaffneten Konflikten, bei der Prävention und Konfliktregulierung und an der gesellschaftliche Neuordnung auf allen Ebenen angemessen zu beteiligen und auch die Geschlechterdimension in diesen Bereichen zu berücksichtigen.

Erstmals anerkennt der Sicherheitsrat außerdem die wesentliche Rolle zivilgesellschaftlicher Frauengruppen für diesen Bereich. Die Resolution ist Ergebnis des Engagements und Verhandlungsgeschicks (inter)nationaler Frauenbewegungen und ihrer beharrlichen Lobbyarbeit auf nationaler und internationaler Ebene. Sie gilt als „historisch“ und ist völkerrechtlich bindend. Dass dennoch ständig und überall dagegen verstoßen wird – in Staaten mit demokratischen Verfassungen ebenso wie in autoritär regierten Ländern - liegt vordergründig an unkonkreten Vorgaben. So fehlen zeitliche Vorgaben für die Umsetzung und Quoten für eine Mindestbeteiligung von Frauen. Weder sind Sanktionen bei Verstößen vorgesehen, noch werden Anreize, für Fortschritte in der Umsetzung der Resolution geschaffen. Außerdem gibt es keinerlei finanzielle Mittel, z.B. für die Entwicklung von Aktionsplänen oder für unterstützende Begleitprogramme. Zwar weisen einzelne UN-Mitgliedsländer – so auch Deutschland - Maßnahmen aus, bei denen sie, etwa im Rahmen von Peace Keeping Einsätzen oder im entwicklungspolitischen Bereich, die UNResolution 1325 berücksichtigen. Doch von der systematischen und gleichberechtigten Einbindung von Frauen und einer durchgängigen

Geschlechterperspektive in diesem zentralen Politikbereich ist auch die BRD noch weit entfernt. Dies verweist auf die tiefer liegenden Ursachen. Außen- und Sicherheitspolitik gehört zu den zentralen Bereichen von Machtpolitik und ist daher eine traditionelle und besonders resistente Männerdomäne, in der die Kluft zwischen Proklamation und Realisation besonders groß ist. Sie aufzubrechen und die Umsetzung der Resolution 1325 zu erreichen, hat sich der deutsche Frauensicherheitsrat (FSR) zur Aufgabe gemacht. 2003 schlossen sich Expertinnen aus frauen-, friedens- und entwicklungspolitischen Arbeitsfeldern und Organisationen, aus der Forschung und aus politischen Stiftungen mit dem Ziel zusammen, der Geschlechterperspektive zunächst im Rahmen bundesdeutscher Außen- und UN-Politik angemessen Geltung zu verschaffen. Konkret begleitete der FSR die Politik der Bundesregierung während ihrer zwei Jahre im UN-Sicherheitsrat beratend und mit kritischer Analyse und machte Vorschläge für die beschleunigte Implementierung der UN-Resolution 1325 auch in Kriegs- und Krisenregionen. Von vorn herein setzte er auf drei Ebenen an: direkte Einflußnahme auf deutsche Politik, öffentliche Information und Aktion, nachhaltige Vernetzung und Kooperation engagierter Frauen, von Organisationen und Gruppierungen in der Friedens- und Sicherheitspolitik.

Eine 10-köpfige Steuerungsgruppe, die die breite Palette des FSR von Beteiligung und Kompetenzen spiegelt, organisiert und koordiniert die Aktivitäten. U.a. entwickelte der FSR einen detaillierten Maßnahmenkatalog für die adäquate Einbindung der irakischen Frauen in Entscheidungen über die Nachkriegsordnung und zum Monitoring des Nachkriegsprozesses sowie einen „Aktionsplan zur beschleunigten Umsetzung von Resolution 1325“ mit Vorschlägen für konkrete Zielformulierungen und Maßnahmen, den er der Bundesregierung auch als Vorschlag für den UN-Sicherheitsrat präsentierte. Er erstellte einen Schattenbericht zum Regierungsbericht über die Umsetzung von Resolution 1325 und führte neben dem Dialog mit führenden RegierungspolitikerInnen im Verbund mit anderen Organisationen ExpertInnentagungen und Diskussionsveranstaltungen durch. In der breiten Öffentlichkeit wirbt er mit einer Postkartenaktion für die massenhafte Unterstützung der UN-Resolution 1325. Die Arbeit des FSR fand bis in die Regierungsebene und international ein breites positives Echo, seine Bilanz nach zweijähriger Beteiligung Deutschlands im UN-Sicherheitsrats fiel jedoch zwiespältig aus: Die relativ breite Unterstützung durch NGOs sowie die Nachfrage nach Expertise des FSR verweisen auf den Bedarf und seine erfolgreiche Öffentlichkeits- und Netzwerkarbeit. Doch seine konkreten Impulse für die Umsetzung der UN-Resolution wurden von der Regierung nicht genutzt. Sie blieb im wesentlichen bei pauschalen Absichtserklärungen zur Berücksichtigung der UNResolution 1325. Dies unterstreicht die Kluft zwischen Proklamation und Implementierung von Forderungen nach Geschlechtergerechtigkeit in der Männerdomäne Sicherheitspolitik. Notwendig ist daher, durch gezielte Öffentlichkeits- und Netzwerkarbeit den Druck auf Regierungspolitik zu verstärken. Da deutsche Sicherheitspolitik eingebettet ist in den europäischen Kontext, arbeitet der FSR gegenwärtig an der Vernetzung mit anderen friedens- und frauenpolitischen Organisationen und ExpertInnengruppen in ganz Europa. Das Ziel: ein europaweites Bündnis nach deutschem FSRModell.

Dieser Artikel wurde in gekürzter Form in der Zeitschrift Inkota, Heft 133 „Sicherheit und Entwicklung“, im September 2005 abgedruckt.

Endnoten:
i United Nations – the Secretary General (Hg.), Women, Peace and Security, New York. 2002, S. 64.
ii David Bloomfield/Ben Reilly, Characteristics of Deep-Rooted Conflict, zitiert nach: Bericht über die Beteiligung von Frauen an der friedlichen Beilegung von Konflikten (2000/2005(INI)) 2000, vorgelegt vom Ausschuss für die Rechte der Frau und Chancengleichheit des Europäischen Parlaments, S. 27.
iii Women, Peace and Security; s.auch Elisabeth Rehn/Ellen Johnson Sirleaf: Women, War and Peace,. UNIFEM (Hg.), New York. 2002.
iv Women, War and Peace, S. 79.
v S. u.a. Christine Eifler, Ruth Seifert (Hg.), Soziale Konstruktionen – Militär und Geschlecht, Münster 1999, Cilja Harders, Bettina Roß (Hg.), Geschlechterverhältnisse in Krieg und Frieden. Perspektiven der feministischen Analyse internationaler Beziehungen, Opladen 2002
vi Sibylle Mathis, Ein- und Ausblicke feministischer Friedensarbeit, S. 111, in: Cilja Harders/Bettina Roß (Hg.); Women, Peace and Security, S. 2.
vii Bericht über die Beteiligung von Frauen an der friedlichen Beilegung von Konflikten, S. 15-17.
viii MaryValentich, Rape Revisited: Sexual Violence against Women in the Former Yugoslavia, in: Canadian Journal of Human Sexuality, 3, 1 (1994), S. 53.
ix Ergebnis sowohl von Women, Peace and Security als auch Women, War and Peace.
x Barbara Lochbihler, bei der Vorstellung des ai-Berichts zu Afghanistan, Oktober 2003: ‚No one listens to us and no one treats us as human beings‘. Justice denied to women, www.web.amnesty.org/library/print/ ENGASA110232003.

Foto: Stephan Röhl - Bestimmte Rechte vorbehalten

 

Gitti Hentschel

Institutsleiterin
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