Was bedeutet die Rede zur Lage der Nation 2011 für die Frauen Südafrikas?

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Am 10. Februar 2011 sprach Präsident Zuma in Kapstadt auf einer gemeinsamen Sitzung beider Kammern des Parlaments zur Lage der Nation. Die Rede zur Lage der Nation findet stets abends statt, damit so viele Südafrikanerinnen und Südafrikaner wie möglich hören oder sehen können, wie der Präsident das im Vorjahr erreichte beurteilt und was die Regierung für das laufende Jahr plant. Die Schwerpunkte, die die Regierung setzt, wirken sich auf die gesamte Bevölkerung Südafrikas aus, die mehrheitlich aus Frauen und Mädchen besteht. Als Reaktion auf die Rede Zumas beschäftigen sich die Autorinnen im Folgenden mit dem Fahrplan der Regierung für das laufende Jahr, vergleichen ihn mit dem, was vergangenes Jahr versprochen wurde (oder auch nicht) und liefern ihre Einschätzung dazu, wie sich dies auf die gesellschaftliche und wirtschaftliche Lage von Frauen auswirken wird.

Für 2010 hatte der Präsident ein Aktionsjahr angekündigt, eine Regierung, die die Lebensbedingungen ihrer Bürgerinnen und Bürger kennt, deren Bedürfnisse versteht und die rascher handelt. In unserer Gesellschaft geht es Frauen, wirtschaftlich wie auch gesellschaftlich, tendenziell schlechter als Männern, und mangelhafte staatliche Leistungen wirken sich auf sie stärker aus. Die von der Regierung vorgeschlagene Schaffung eines leistungsorientierten Staates und das damit einhergehende Versprechen, Maßnahmen zur stärkeren Gleichberechtigung der Geschlechter in den Aktionsplan der Regierung aufzunehmen, ließ einen Staat, der sich entschieden fuer die Verbesserung der Lebensbedingungen von Frauen engagiert, möglich erscheinen.

In unserer Reaktion auf die vom Präsidenten im vergangenen Jahr gemachten Versprechungen untersuchen wir, ob es in den fünf vom Präsidenten als Schwerpunkte benannten Bereichen seither zu Fortschritten gekommen ist. Dies sind:
1. Bildung, Aus- und Weiterbildung
2. ein langes und gesundes Leben für alle Bürgerinnen und Bürger
3. ländliche Entwicklung und Landreform
4. Schaffung angemessener Arbeitsplätze
5. Verbrechensbekaempfung

In seiner Rede zur Lage der Nation von 2011 ging Zuma wesentlich auf den vierten dieser Schwerpunkte, die Schaffung von Arbeit, ein und erklärte, man habe hier Fortschritte erzielt. Er sagte, die Regierung sei wegen der anhaltenden Arbeitslosigkeit und Armut in Sorge, und 2011 werde daher ein Jahr im Zeichen der Arbeitsbeschaffung werden. Dem fuegte er hinzu, dass sämtliche Regierungseinrichtungen ihre Programme vorrangig auf die Schaffung von Arbeit ausrichten wuerden. Die Integration von Massnahmen zur Gleichberechtigung der Geschlechter wurde in allen Programmen, inklusive der Schaffung von Arbeit, nicht erwähnt. Dabei ist die Wahrscheinlichkeit für Frauen, arbeitslos zu sein oder in Armut zu leben, höher als für Männer. Die angeführten Aussagen scheinen darauf hinzudeuten, dass die Schaffung von Arbeit Vorrang vor allen anderen Bereichen hat, beziehungsweise, dass bei den anderen Schwerpunkten bereits ausreichende Fortschritte erzielt wurden. Diese besondere Konzentration auf die Schaffung von Arbeit hat Auswirkungen auf die Lage der Frauen. Beispielsweise könnte man geltend machen, die hohe Zahl von geschlechterspezifischen Gewalttaten in unserer Gesellschaft (die Zahlen gehören, unter den Ländern, die solche Angaben ermitteln, zu den höchsten weltweit), bedeutete, dass der Kampf gegen das Verbrechen für Frauen gleichermaßen wichtig ist. Wird, im Verhältnis zu anderen Themen, die Gleichheit der Geschlechter bei dem Versuch, mehr Arbeit zu schaffen, unter die Räder kommen?  
 
Unsere Verfassung sieht eine Gesellschaft vor, in der Männer und Frauen wesentlich gleichberechtigt sind. Die fünf Prioritäten stehen alle zueinander in Beziehung, und um echte Fortschritte zu erzielen, ist ein gesamtheitlicher Ansatz erforderlich. Bleibt die Ungleichheit der Geschlechter unberücksichtigt, werden solche Fortschritte nicht möglich sein.

In seiner Rede listete der Präsident einige der Erfolge auf, die seine Regierung 2010 errungen hat. So führte er beispielsweise Statistiken an, denen zufolge 7.000 Arbeitsplätze durch Hilfsprogramme für Firmen, die sich in finanziellen Schwierigkeiten befanden, gerettet und 7.000 Arbeitsplätze durch das landesweite Programm zur Entwicklung des laendlichen Raums geschaffen wurden. Diese Statistiken sind insofern problematisch, da in ihnen nicht aufgeschlüsselt wird, wie viele dieser Arbeitsplätze an Frauen gingen, weshalb die Autorinnen die Fortschritte, die hier möglicherweise gemacht wurden, nicht einschätzen können.

Zu den angeführten Erfolgen gehört auch, dass es etablierte Institutionen gibt, die die Demokratie stützen und die Rechte der Bürgerinnen und Bürger verteidigen. Leider stand die Kommission für Geschlechtergleichheit (Commission on Gender Equality) im Mittelpunkt zahlreicher Kontroversen, da sie chaotisch arbeitet und so kaum die Rechte von Frauen schützen kann. Weiter wird ausgeführt, dass sich die Arbeit der Gerichte verbessert hat. Funktionierende Gerichte sind für Frauen von besonderer Bedeutung, da ihnen häufig alleine die Fürsorge der Kinder obliegt (die Frage des Unterhalts) und sich sexuelle und häusliche Gewalt vor allem gegen sie richtet. Das Versagen der Strafverfolgungsbehörden und die hohe Zahl von Frauen, die, nachdem sie Opfer eines Verbrechens wurden, durch die ermittelnden Behörden weiter schikaniert werden, wird unten im Abschnitt Verbrechensbekämpfung untersucht. Erwähnt werden muss an dieser Stelle jedoch, dass 2010 bei Anhörungen im Parlament deutlich wurde, dass das 1998 eingeführte Gesetz gegen häusliche Gewalt (Domestic Violence Act 116) kaum umgesetzt wird – unter anderem deshalb, weil es hierfür kein angemessenes Budget gibt. Der Staat hat es zudem nicht geschafft, die systemweit gescheiterte Umsetzung von Gesetzen zu Unterhaltszahlungen zu einem Schwerpunkt zu machen. Nach wie vor können Frauen die Väter ihrer Kinder für die Zahlung von Unterhalt weder einfach noch schnell zur Verantwortung ziehen.

In unserer Reaktion untersuchen wir jeden der fünf Schwerpunkte und werten Berichte, Untersuchungen und Statistiken aus, um feststellen zu können, welche Fortschritte im Verhältnis zu den Versprechungen von 2010 gemacht wurden, welche Folgen die Planungen für 2011 haben werden und wie, aus einer Genderperspektive, die Schwerpunkte gesetzt werden sollten. Auf Punkte, denen in Zukunft besondere Aufmerksamkeit gelten sollte, weisen wir speziell hin.

Das Women’s Legal Centre ist ein Projektpartner des Regionalbüros der Heinrich-Böll-Stiftung im Südlichen Afrika: Womans Legal Centre (www.wlce.co.za)

  • Der Report zum Download (PDF, englisch, 26 Seiten)