bufas e.V., das Bündnis der Fachberatungsstellen für Sexarbeiterinnen und Sexarbeiter erinnert anlässlich des Internationalen Hurentags am 2. Juni und der derzeitigen Situation in Dortmund an das Recht auf ein diskriminierungsfreies Leben und Arbeiten
Erklärung zum Internationalen Hurentag
Der Internationale Hurentag erinnert an 100 Prostituierte in Lyon,
die im Jahre 1975 eine Kirche besetzten. Sie protestierten gegen die
rigide Reglementierung der Prostitution in ihrer Stadt und in ganz
Frankreich.
Die Stundenhotels waren für Sexarbeiterinnen geschlossen und
Prostitution auf der Straße verboten worden. Polizei- und
Ordnungsbehörden setzten diese Verbote ohne Rücksicht auf Verluste
durch. Begründet wurde dies mit dem angeblichen „Kampf gegen
Zuhälter." Der Protest der Prostituierten pflanzte sich in
viele Städte Frankreichs und auch in andere europäische Länder
fort. Der Aufstand wird als Beginn der europäischen Hurenbewegung
gefeiert.
Zum Feiern gibt es 2011 in Deutschland wenig Anlass
Trotz des Prostitutionsgesetzes und obwohl die Bundesregierung
2007 Prostitution als Erwerbsarbeit anerkannt hat, wird Prostitution
offen bekämpft. Prostituierte erfahren zunehmend Repressionen. Ihre
rechtliche und soziale Situation verschärft sich.
Repression statt Integration
Prostitution wird nicht auf den Weg eines normalen Gewerbes
gebracht. Stattdessen ist in Vorschlägen von Innenministern,
Bundesländern und Runden Tischen davon die Rede, Sexarbeit mit noch
mehr Kontrollen zu überziehen. Die Zielrichtung wird umgekehrt:
Keine Gleichstellung mit anderen Erwerbstätigkeiten, keine
Verbesserung der Arbeitsbedingungen, stattdessen Kondompflicht,
Pflichtuntersuchungen, rigide Anmeldungspflichten, erweiterte
Kontrollrechte für die Polize usw.
Die gesellschaftliche Stimmung wird mit falschen Zahlen,
moralisierenden Wertungen und entmündigenden Behauptungen gegen
Prostitution aufgeheizt. Sexarbeit wird mit Gewalt, Menschenhandel
und anderer Kriminalität gleichgesetzt, um den Kampf gegen
Prostitution zu legitimieren. Diese Politik trifft zuallererst die
Sexarbeiterinnen und Sexarbeiter.
Prostitution wird bekämpft und verdrängt
Eines der erschreckendsten Beispiele ist Dortmund: Dort hatte die
Stadt den Frauen über Jahre ein reguliertes und sicheres Terrain für
ihre Arbeit angeboten. Die Ausstattung mit sog.
Verrichtungsboxen und einem Beratungscontainer vor Ort hatte
bisher höchstes Lob erhalten.
Das ist nun vorbei!
Infolge struktureller Probleme und verfehlter Kommunalpolitik
geriet der Dortmunder Norden schon seit längerem in eine städte-
und sozialplanerische Schieflage. Mit Öffnung der Grenzen für die
EU-Beitrittsländer Bulgarien und Rumänien wurde Dortmund zudem zu
einem der Hauptanlaufpunkte für Menschen aus diesen Staaten. Viele
kommen aus Minderheiten, die in ihren Heimatländern Verfolgung und
Diskriminierung durch die Mehrheitsbevölkerung erfahren. Sie suchen
Arbeit und Auskommen in Deutschland. Ihr erwerbstätiges Aktionsfeld
ist eingegrenzt, weil sie nur selbständig tätig werden können.
Unter ihnen sind viele Frauen, die auf dem Straßenstrich in
Dortmund einen sicheren und für sie günstigen Arbeitsplatz fanden.
Bis zum 15 Mai 2011 arbeiteten dort täglich 50 bis 70 Prostituierte.
Auch das ist nun vorbei.
Das Landeskriminalamt meldete eine landesweite Zunahme der
Kriminalität bulgarischer Männer, die fast alle in Dortmund
gemeldet seien. Als angebliche Ursache wurden schnell die Frauen vom
Straßenstrich ausgemacht. Angelockt von den Verdienstmöglichkeiten
zögen sie mit ihren Familien nach Dortmund. Wenn ihnen die
Verdienstmöglichkeiten genommen würden, - so die Argumentation der
Stadt- könne man den Zuzug verhindern und die Menschen vertreiben.
Um es als Schutz für die Frauen erscheinen zu lassen, war von
Menschenhandel und Zuhälterei die Rede.
Die Stadt beschloss, das gesamte Stadtgebiet zum Sperrgebiet zu
erklären. Diesem Vorhaben stimmte der Regierungspräsident in
Arnsberg zu, angeblich, weil der Jugendschutz gefährdet sei.
Eindeutig aber geht es um die Vertreibung unliebsamer EU-
Mitbürgerinnen und Mitbürger. Man hat am schwächsten Glied der
Kette angesetzt: Bulgarinnen, Frauen, Prostituierte - da konnten sich
alle Beteiligten sicher sein, die Gruppe mit der geringsten Lobby
gefunden zu haben.
Die Prostituierten haben sich gewehrt. 60 von ihnen sind vor das
Dortmunder Rathaus gezogen, um ihre Sicht der Dinge darzulegen. Die
politisch Verantwortlichen haben nicht einmal mit ihnen geredet.
Stattdessen werden sie seit dem 16. Mai von einem massiven
Aufgebot an Ordnungskräften verfolgt. Die Bevölkerung wird
öffentlich aufgefordert, sich an der Suche nach Prostituierten im
Stadtgebiet zu beteiligen. Woran sie zu erkennen sein sollen, bleibt
unklar.
Es ist wie 1975 in Lyon. Die Frauen sind gezwungen, allein und
ohne Schutz dunkle Ecken aufzusuchen, um ihren Lebensunterhalt zu
erwerben. Sie haben Angst, Gewalt und Willkür ausgesetzt zu werden.
Dortmund ist nur ein Beispiel. In vielen anderen Städten spielen
sich ähnliche Szenarien ab. In ganz Europa ist ein Backlash spürbar.
Wir protestieren gegen die Vernichtung legaler und sicherer
Arbeitsplätze in der Prostitution! Prostitution ist eine legale
Erwerbstätigkeit. Die darin arbeitenden Personen verdienen Respekt
und haben ein Recht auf sichere und geschützte Arbeitsplätze!
Berlin, 02.06.2011
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Quelle: bufas e.V. (Die Erklärung als PDF)
- Deutsche AIDS-Hilfe: Pressemitteilung: So lange es Herren gibt, wird es auch Huren geben
- Deutsche AIDS-Hilfe Blog: Task Force gegen Prostituierte (Interview mit Claudia Fischer-Czech von bufas)