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„Mit Hassparolen erschweren sie sachliche Debatten über Geschlechterfragen“

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Hinrich Rosenbrock bei der Vorstellung der Expertise in Köln am 03.02.2012 - Foto: Didem Ozan - Bestimmte Rechte vorbehalten

Diskussion zu Antifeminist_innen in Köln

Didem Ozan



von Didem Ozan

Was ist Antifeminismus?

Zunächst umriss Hinrich Rosenbrock, von Haus aus Sozialpsychologe und Sozialanthropologe mit dem Schwerpunkt Gender Studies, das Weltbild der Männerrechtler_innen: Für Antifeministen ist der Feminismus eine „männerhassende Ideologie“ (wgvdl.com). Seine vielen Strömungen und die Zusammenarbeit mit Männern ebenso wie die emanzipatorische Männerpolitik des Feminismus blenden sie dabei aus. Die Denkrichtung wird so als umgreifende Verschwörung dargestellt. Dabei werden sympathisierende Männer als „lila Pudel“ (wikimannia.org) degradiert. Als politisches Konzept wird Gender Mainstreaming angegriffen und basierend auf einer biologistischen Argumentation angeblich natürlicher Geschlechterrollen als „staatlich verordnetes Umerziehungsprogramm“ diffamiert.

Aktionsraum Internet

Antifeminist_innen sind vor allem im Netz aktiv. Hier schalten sie sich in geschlechterpolitische Diskussionen von Online-Foren überregionaler Zeitungen ein. Hinrich Rosenbrock stellte dazu fest: „Die Interventionen verhindern eine echte Debatte.“ Dabei geht es den Intervenierenden nur oberflächlich ums Debattieren. Sehr direkt werden beispielsweise bei Spiegel Online Postings massiv angegangen, ernsthafte Diskutant_innen beleidigt und abgewertet. „ Ihr Hate Speech äußert sich in verbalen Haßausbrüchen bis zu Androhungen von Kastration oder Vergewaltigung.“ Dieses extreme Cyber-Bullying reicht von der Beleidigung bis zu Bedrängung und Nötigung.

Reaktionen bestätigen Studie

Kurz beschrieb der Gender-Forscher die bisherigen Reaktionen auf sein Buch: „Es gab alles, von Gesprächsangeboten bis zur Morddrohung. Dass mir meine Männlichkeit abgesprochen wurde, war dabei die mildeste Beleidigung.“ Zudem wurde Rosenbrock, der die Überschneidung antifeministischer und rechter Ideologien feststellte, selbst als Gehilfe der Rechten ausgewiesen, mit dem Argument, dass er Antifeminist_innen in die Nähe von Rechten rücke und damit Rechtsradikalismus verharmlose. Als unwissenschaftlich wurde die Expertise auf sciencefiles.org verleumdet, ihr fehle das Methodenkapitel und Hinrich Rosenbrock „schreibe einfach drauflos“. Dem sciencefiles-Autor empfahl der Sozialforscher knapp, ins Inhaltsverzeichnis zu schauen.

Beleidigungen und Berufung auf die eigene wissenschaftliche Kompetenz – insofern bestätigen die Reaktionen von Seiten der Antifeminist_innen die in der Expertise beschriebenen Kommunikationsstrategien. „Neu hinzu kam, dass Beleidigungen und Diffamierungen als normal hingestellt wurden. Selbst die Morddrohung wurde als verdient legitimiert.“


Auf eine Frage aus dem Publikum, wie gegen Interventionen im Internet vorgegangen werden könne, antwortete der Experte: „So wie sich Männerrechtler_innen im Netz zusammentun, um Forendebatten zu stören, können Einzelne sich mit anderen zusammenschließen und Solidarität zeigen. Man sollte sich jedoch klar sein, ob man sich auf den Streit einlassen will. Gegen Bedrohungen sollte letztlich auch juristisch angehen.“

Politik sensibilisieren

Gibt es tatsächlich Überschneidungen zwischen rechten Kreisen und Antifeminist_innen? Eine grundsätzliche Anschlussfähigkeit von rechten Diskursen an die Männerrechtsbewegung bestätigte auch der Publizist Thomas Gesterkamp: „Der Antifeminismus steht bei Rechtsextremen nicht im Vordergrund, es sind jedoch Kooperationen erkennbar und es gibt keine Berührungsängste. Rechtspopulist_innen treten auf den Internationalen Antifeminist_innen-Treffen auf.“


In der Politik ist die Bewegung noch weitgehend unbekannt, stellte die grüne Landtagsabgeordnete Verena Schäffer fest: „Für Bedrohungen im Internet sollten auch Behörden wie die Polizei stärker sensibilisiert werden. Wenn eine Bundesfrauenministerin Feminismus zum Schimpfwort erklärt und Frauen mit dem Betreuungsgeld in alte Rollen zurückgedrängt werden, wird auch in der Politik der Nährboden für diese Tendenzen gelegt.“ Die Frauenpolitikerin ist im Landtag auch mit Strategien gegen Rechtsextremismus befasst. „Wenn ich gefragt werde, wie das zusammenpasst, ist meine Antwort klar: Es geht darum, gegen Vorstellungen von Ungleichheit anzugehen. Mit biologistischer Sichtweise stellen Antifeminst_innen Männer und Frauen als unterschiedlich dar. Es werden unterschiedliche Wertigkeiten für Menschen geschaffen, Frauenfeindlichkeit und Sexismus hat hier die gleiche Grundlage wie Rassismus. Und leider finden sich diese Einstellungen zunehmend in unserer Gesellschaft.“

Geschlechterdemokratie stärken

Eine gute Gegenstrategie ist die Stärkung der Geschlechterdemokratie – das wurde auch im Laufe der Diskussion klar. Moderatorin Ilse Lenz, Professorin für Geschlechter- und Sozialstrukturforschung, hob den Mechanismus hervor, mit dem die individuellen Problematiken der Männer zu einer Opferideologie zusammengefasst werden, „in der alle Frauen und Männer in Schubladen gesteckt werden. Dabei werden die bösen Feminist_innen als übermächtig dargestellt, um Männer als Opfer vertretbar zu machen.“ Mit der gesellschaftlichen Realität habe das nichts zu tun.

Diese Opfersichtweise bestätigte ein bekennender „Feminismuskritiker“ aus dem Publikum, der betont sachlich das Argument anführte, dass das Sorgerecht in Deutschland vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte als mangelhaft eingestuft worden sei, um die juristische Lage dann an eine Behauptung zu binden: „25 Prozent der Mütter verweigern Vätern ihr Sorgerecht“. Das deutsche Recht bevorteile Frauen. „Das Sorgerecht muss nachgebessert werden, es ist jedoch nicht Ergebnis der Frauenrechtsbewegung, sondern stammt aus dem 19. Jahrhundert“, entgegnete Hinrich Rosenbrock.


Dort, wo antifeministische Sichtweisen dieser Art auf die Mitte der Gesellschaft treffen, sollte man genauer hinschauen - das war ein Anliegen von Isolde Aigner (Arbeitsstelle Neonazismus der Fachhochschule Düsseldorf). Sie bestätigte den störenden Einfluss antifeministischer Argumentationen auf den Geschlechterdialog in unserer Gesellschaft: „Die Interventionen von Männerrechtler_innen finden verschärft in Onlineforen statt. Doch Leitmedien wie die Welt oder der Focus lassen diesen Diskurs auch in unserer Mitte zu und vereinnahmen die geschlechterpolitische Debatte in einer Art Dauerberieselung. Dabei werden auf gefährliche Weise Angriffe auf Gender Mainstreaming mit bevölkerungspolitischen Aspekten wie niedriger Geburtenrate und dem Anteil der muslimischen Bevölkerung in Deutschland vermischt.“

Fazit

Das Gender Mainstreaming als politisches Mittel für mehr Gleichstellung muss weiterhin eine Schlüsselaufgabe bleiben, darin waren sich alle Diskutant_innen einig. Weiteres Fazit der spannenden Diskussion um Männerrechtler_innen: Es sind zwar nur wenige antifeministische Gruppierungen aktiv, diese verstehen jedoch, sich online auf aggressive Art Raum zu verschaffen. Um einen lebendigen Geschlechterdialog zu erhalten, gilt es hier, wachsam zu sein.

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Didem Ozan - ©privat/alle Rechte vorbehalten

Didem Ozan


hat ihr journalistisches Ballgefühl bei der taz münster und dem Sender Freies Berlin entdeckt und arbeitet seit über zehn Jahren als freie Autorin für regionale Medien in Münster und Umgebung. Die promovierte Sprach- und Kulturwissenschaftlerin geht für die Chancengleichheit der Geschlechter gerne in die Offensive und in der Halbzeit auch mal selbst auf den Bolzplatz.