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„Praktische Theorie“ - Hoher Nutzen aus Sicht von Beratung und Training

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Jan Kasiske - Foto:  Jan Kasiske

 

Jan Kasiske

Von Jan Kasiske

Hinrich Rosenbrock ist Verfasser der von der Heinrich-Böll-Stiftung und dem Gunda Werner Institut zu Jahresbeginn 2012 herausgegebenen Studie „Die antifeministische Männerrechtsbewegung. Denkweisen, Netzwerke und Online-Mobilisierung“.

Ihm gelingt die Kunst, für Wissenschaft und Praxis eine lesenswerte und ebenso lesbare Expertise zu gestalten. Diese „praktische Theorie“ liefert  profunde Hintergrundinformationen und Analysen über eine Gruppe von Männern, die massiv antifeministische Positionen propagiert und von ihnen als feministisch eingestufte Personen bekämpft[1].

Die vorliegende Studie liefert ein „Who is who“ der antifeministischen Szene, in dem die 4 Hauptgruppen bzw. Onlineforen und 7 Akteure und eine Akteurin analysiert sind. Sie ist damit ein äußerst hilfreiches und handhabbares Arbeitsmittel für die Auseinandersetzung mit antifeministischen Positionen.

Der Aufbau und die Darstellung der Ergebnisse der einjährigen intensiven Onlineforschung und Recherche ist äußerst lesefreundlich und auf 175 Seiten in 6 Kapiteln mit Anhang klar strukturiert, sodass Antworten in diesem Kontext leicht nachschlagbar sind und sehr schnell die Haltung und die Argumentationder antifeministischen Männerrechtsbewegung sowie die Einschätzung durch Rosenbrock deutlich wird.

Der Autor räumt ein, dass es sich bei den antifeministischen Akteurinnen und Akteuren um eine eher kleine Gruppe handelt, gibt aber zu bedenken, dass sie in den letzten Jahren durch verschiedene Publikationen und Interventionen in einschlägigen Internetforen eine erhebliche Wirkung erzielt habe.

Bei der Eingrenzung des Untersuchungsthemas legt Rosenbrock sich auf die Bezeichnung „antifeministische Männerrechtsbewegung“ fest. Dabei knüpft er an die Selbstbeschreibung von Akteuren an und grenzt eine an Gleichstellung orientierte Männerrechtsbewegung von den Antifeministen ab.

Zwar könnte man ein Netzwerk mit einer gemeinsamen Zielstellung als Bewegung bezeichnen. Jedoch scheint es nicht wirklich ein gemeinsames Ziel zu geben bei den von Rosenbrock untersuchten Gruppen. Es handelt sich diesbezüglich um eine sehr heterogene und kleine Gruppe.

Unstrittig ist jedoch die Tatsache, dass diese kleine Gruppe es schafft, große Beachtung zu finden, da sie strategisch geschickt - ähnlich wie rechtsextreme Gruppierungen, zu denen es gemäß Rosenbrock (S.124ff.) auch inhaltliche Affinitäten gibt – vorgeht. Sie schrecken nicht davor zurück, gegen einzelne zum Feind/zur Feindin erklärten Personen aktiv vorzugehen und diese öffentlich zu beschädigen und zu diffamieren. Ferner stören sie durch Fragen Veranstaltungen zum Thema, um ihre Positionen der Männer als Opfer von Frauen, die ihnen ihre Kinder im Scheidungsprozess nehmen, polemisieren. Sie dokumentieren dadurch eine Verletztheit in ihrer Rolle als Familienernährer und stilisieren sich als Opfer der Frauen.

Diese und andere Handlungsstrategien werden detailliert und gut recherchiert aufgezeigt. „Hate speech“ im Internet und „Agenda setting“ auf einzelnen Veranstaltungen erinnern an die „Wortergreifungsstrategie“ Rechtsextremer und deren Auftreten bei Veranstaltungen. Den Mitgliedern solcher Gruppen kommt es bei Teilnahme an Veranstaltungen mit thematischem Bezug lediglich darauf an, den Ablauf nachhaltig zu stören und ihre eigenen Menschen verachtenden Positionen dort zu verankern. Eigene Veranstaltungen seien eher selten und schlecht besucht.

Rosenbrock analysiert die Ideologie dieser Gruppen, wobei er sich auf die Onlineaktivitäten in einschlägigen Foren konzentriert. Er kommt zu dem Ergebnis, dass sich dieser plumpe, da nicht inhaltlich begründete, Antifeminismus zwar nicht von einem früheren antifeministischen Männerbild, als dem des starken überlegenen Mannes, der als Familienernährer seine Fürsorgepflichten ausübt, verabschiedet, jedoch die Überlegenheit von Männern umdeutet:

Die aktuellen Akteure pflegten eine „männliche Opferideologie“ und stellten den Feminismus „im Ganzen als männerhassend, allmächtig und nur auf weibliche Vorteile bedacht“ dar (ebd. S.154).

Es gehe letztlich nicht um „das Eintreten für Männerrechte unter Berücksichtigung von Frauen- und Menschenrechten, sondern gegen (feministische?) Frauen. Diese Ideologie beruht auf einem Geschlechterkampf.“ (ebd.).

„Geschlechterkampf“ an sich ist nicht so neu. Neu ist die Menschen verachtende Diemension und die persönliche öffentliche Beschädigung einzelner in demokratischem Sinne Handelnden dabei. Die antifeministischen Männerrechtler bieten frustrierten Männern, die sich aufgrund biografischer Lebenslagen (z.B. Trennung von Kind und Frau) bewogen fühlen, eine Bühne, ihren Hass auf Frauen bzw. Mütter in dieser Form auszuleben.

Ich kann das bestätigen, da der Berufsverband Gender-Diversity e.V. auf seiner jährlichen Sommerwerkstatt 2011 Besuch eines Sympathisanten von MANNdat hatte. Dieser frustrierte Familienvater, der von seinen Kindern getrennt lebt, antwortete nach seinen Motiven für ein Engagement bei MANNdat befragt mit einem Wort: „Rache“.

Um Umgangsformen mit diesen unangenehmen antifeministischen Männerrechtlern zu finden, sei es hilfreich, den Bedeutungswandel von einer seit dem Kaiserreich männliche Vorherschaft und Überlegenheit behauptende Mittelschichtsbewegung  bis zum heutigen Opfer- und Benachteiligungsdiskurs zu analysieren.

Rosenbrock regt an, sich durch viele verschiedene Aktivitäten nicht nur gegen diese Antifeministen zu positionieren, sondern den Raum zu nutzen und sich untereinander besser zu vernetzen und zu verständigen.

Daher appelliert Rosenbrock an eine öffentliche Auseinandersetzung damit und eine bessere Vernetzung zwischen feministischen Gruppen, männerpolitischen Kreisen und an Geschlechterdemokratie orientierten politisch und wissenschaftlich Aktiven. Ganz naiv betrachtet, stelle ich die Frage, warum der Deutsche Frauenrat und das Bundesforum Männer nicht stärker zusammen rücken.

In einer Vielzahl von Hinweisen und Vorschlägen dazu verlieren sich diese Anregungen Rosenbrocks allerdings im Unkonkreten. Da der Fokus des Autors eher auf der Analyse liegt, ist es nun an den Leserinnen und Lesern, diese Ideen und Vorschläge auszuarbeiten und umzusetzen. Hierbei lassen sich meines Erachtens viele Parallelen zur öffentlichen Auseinandersetzung mit dem Rechtsextremismus ziehen und Optionen ableiten. Diesen Transfer leistet die Studie nicht.

Gut nachvollziehbar sind  Rosenbrocks Ausführungen zu der Affinität von antifeministischen Männerrechtlern zu Diskursen der neuen Rechten oder der extremen Rechten. Er kommt zu dem Schluss, dass diese Antifeministen aufgrund völkischer und ideologischer Grundannahmen höchst anschlussfähig an die Positionen rechtsextremer Akteure seien, was aber auch umgekehrt gelte. Leider bleibt der Autor bei der Beschreibung begrifflich unsauber und spricht häufig von „rechten“, statt „rechtsextremen“ Gruppen.

Tendenzielle Demokratiefeindlichkeit und die permanente Konstruktion und plakative Bekämpfung von Feinden, sei es aus rassistischen, homophoben oder eben frauenfeindlichen Motiven, bilden eine weitere große Schnittmenge von solchen Antifeministen und Rechtsextremen.

Insgesamt prägt diese Studie ihr appellativer Charakter: Implizit gehen sowohl die HerausgeberInnen, als auch der  Autor dieser Studie davon aus, dass eine Auseinandersetzung mit dieser „kleinen Minderheit unabdingbar“ ist. Wünschenswert ist, genau das zu thematisieren. Denn es gibt Argumente, die dafür sprechen wie dagegen. Diese Entscheidung wird dem mündigen Leser und der mündigen Leserin leider ungefragt abgenommen.

Dennoch: Aus der Sicht von Beraterinnen und Beratern und BildungsarbeiterInnen ist dieser Teil der Studie sicher der Anregendste (vgl. Kapitel 5.4, 5.5, 5.6). Eine Vertiefung ist wünschenswert. Glückwunsch!

 

[1] Thomas Gesterkamp war einer der ersten, der sich explizit mit den antifeminstischen Männerrechtlern befasste, vgl. Thomas Gesterkamp (2010): Geschlechterkampf von rechts. Wie Männerrechtler und Familienfundamentalisten sich gegen das Feindbild Feminismus radikalisieren; Expertise der Friedrich-Ebert-Stiftung. Die Studie von Rosenbrock kann als vertiefende Analyse Gesterkamps Thesen gesehen werden.



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Jan Kasiske
Jan Kasiske ist Diplom Pädagoge & Personalentwickler (MA) sowie Politik- und Organisationsberater und Trainer für HR Management

 

 
 

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 2012