Am Ende hat man es doch über: Die konservativ-christliche Publizistin Birgit Kelle zieht erneut gegen "Gender Gaga" zu Felde - und die Pointen in ihrem neuen Buch gleichen sich dann doch sehr.
Am Ende hat man es doch über: Die konservativ-christliche Publizistin Birgit Kelle zieht erneut gegen "Gender Gaga" zu Felde - und die Pointen in ihrem neuen Buch gleichen sich dann doch sehr. Da kommen "Grüninnen" zu Wort, die einerseits die Geschlechter abschaffen wollen und andererseits Extraräume für Mädchen fordern. Ergo nicht wissen was sie wollen. Professx Lann Hornscheidt bietet natürlich ein gefundenes Fressen, der "Zwang zur Zweigeschlechtlichkeit" wird mit Hohn übergossen, weil Frau Kelle ihn in ihrer konservativen Lebensweise noch nie gespürt hat. Statt "aber bitte mit Sahne" lautet der Dauerscherz: "Und dann bitte noch vegan". Ja, nun. Verschiedene Widersprüche wie etwa dass manche Transmenschen oder Schwule in traditionelle Rollen drängen, obwohl das biologische Geschlecht doch abgeschafft sei, beweisen den Wahnsinn, den Kelle überall im Genderbereich am Werk sieht - der Hinweis auf "unsere" Steuergelder, mit denen die Zwangsbeglückung finanziert wird, darf natürlich nicht fehlen.
Kelle zielt immer von rechts außen auf den sogenannten gesunden Menschenverstand. Was sehen wir vor uns? Männer und Frauen. Das wollen die Genderleute abschafften. Dem muss Einhalt geboten werden, die "natürlichen" Geschlechterrollen vor dem Genderwahnsinn gerettet. So weit so einleuchtend. Doch Birgit Kelle geht von zwei Grundprämissen aus, ohne die ihre gesamte Argumentation mit all ihrer Kurzweil zusammen brechen würde. Die eine lautet: alles ist gut, so wie es jetzt ist. Die zweite: Die Gendernauten halten das biologische Geschlecht für irrelevant und wollen alle Geschlechterunterschiede abschaffen.
Prämisse eins: Sind Sie der Meinung von Frau Kelle, dass die jetzigen Geschlechterrollen ein Ausbund der Weisheit einer höheren Instanz ist, dann hören Sie hier bitte auf zu lesen und kaufen sich das Buch von Kelle, Sie werden viel zu lachen bekommen.
Nehmen Sie aber an, dass die bisherigen Rollenzuschreibungen Frauen eingeschränkt haben - und zwar mehr als die Männer, dann lesen Sie getrost weiter. Wer keine Veränderung will, kann sich natürlich locker über alle mokieren, die sich um ein Fortkommen bemühen. Zum Beispiel setzen sich Feministinnen damit auseinander, dass unsere Sprache patriarchal geprägt ist. Sie versuchen Alternativen zu finden, die alle zunächst fremd wirken zuweilen auch sehr lustig. Wer aber die Grundannahme nicht teilt, dass sich in unserer Sprache Herrschaft niedergeschlagen hat, der kann getrost über Professx und Grüninnen herziehen. Es bleibt aber schal beziehungsweise macht- und geschichtsvergessen- auch wenn die Kritik im Einzelheiten manch einen Punkt trifft: So hat die Gender-Korrektheit stellenweise tatsächlich ihre spielerische Leichtigkeit verloren und wurde zu einer Art Sprachdiktat. Das kann man getrost kritisieren, aber ohne gleich das gesamte Projekt für idiotisch zu erklären.
Prämisse zwei ist eine Falschbehauptung, die durch permanente Wiederholung nicht richtiger wird. Genderforschung und -praxis will das biologische Geschlecht weder abschaffen noch umwandeln. Es geht darum, dass wir auch die biologischen Geschlechter zwangsläufig durch die Brille unserer sozialen Erfahrungen und Traditionen wahrnehmen und dass wir die sozialen Geschlechterrollen durch unser Handeln selbst herstellen - und deshalb auch verändern können, wo es uns geboten scheint. Die Annahmen über Frauen und Männer sind damit verhandelbar geworden, nicht ihre Biologie.
Das ist auch der Grund, warum das Buch dann Menschen, die schon mal in den Genderbereich hinein geschnuppert haben, nichts bringt. Das Projekt Rollenerweiterung wird permanent zum gefährlichen Eingriff in die Natur des Menschen stilisiert. Nicht von ungefähr schließt Kelle damit bei der Neurechten und den konservativen Christen an: In der "Jungen Freiheit" wird ihr Buch gefeiert, und mit den Christen veranstaltet Kelle gern "Märsche für das Leben" gegen Abtreibung und gegen sexuelle Vielfalt. So lustig sie auch daher kommt, die Agenda ist dann doch eher finster.