Weiter geht's: Von „Nein heißt nein“ zu #fairpay365!

Feministischer Zwischenruf

Die erstrittene Reform des §177 StGB ist das Resulat von Bündnispolitik über politische Differenzen hinweg. Ähnliche feministische Bündnisse braucht es auch für den Kampf gegen den Gender Pay Gap.

Asphalt-Druck "Pay"
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Der Aufruf "Fairpay Heute" fordert die Entgeltgleichheit, denn Frauen wählen nicht schlechtere Bezahlung, sie bekommen sie

Einstimmig wurde am 7. Juli 2016 der Grundsatz „Nein heißt nein“ im Bundestag beschlossen. Damit wurde das Sexualstrafrecht an die Erfordernisse der Istanbul-Konvention angepasst und ein Paradigmenwechsel vollzogen, für den Feministinnen Jahrzehnte lang gekämpft haben. Noch vor einem Jahr hätte das kaum jemand für möglich gehalten. Doch nicht alle Teile des Gesetzes sind gelungen. Vor allem die Änderungen im Aufenthaltsrecht in letzter Minute warfen einmal mehr die Frage auf, warum feministische Errungenschaften mit einem rassistischem Einschlag erkauft werden und dass die Zustimmung der konservativen Seite zum umfassenden Schutz der sexuellen Selbstbestimmung (auch) von der Einführung erleichterter Ausweisungen abhing. Trotzdem ist der Einsatz für „Nein heißt nein“ ein Beispiel, von dem feministische Politik lernen kann.

Prof. Dr. Maria Wersig ist Juristin und Politikwissenschaftlerin. Sie unterrichtet Sozialrecht an der Fachhochschule Dortmund und forscht und publiziert zu sozial- und geschlechterpolitischen Themen und den Schnittstellen von Sozial- und Familienrecht. Sie ist Mitglied des Bundesvorstands des Deutschen Juristinnenbundes.

 

Ein Hoch auf die Bündnispolitik

Als am 27. Juni 2016 der Prozess gegen das Model Gina Lisa Lohfink im Amtsgericht Tiergarten stattfand, demonstrierten Feminist*innen vor dem Gebäude. Magda Albrecht hat bei Mädchenmannschaft über ihre Eindrücke geschrieben und warum sie trotz inhaltlicher Bauchschmerzen dem Aufruf zum Protest folgte. Bauchschmerzen auch deshalb, weil Teile der Initiatorinnen ihrer Beschreibung nach „Sexarbeiterinnen und transfeindliche Positionen“ einnehmen. Das Bündnis #ausnahmslos hatte zur Solidaritätsaktion aufgerufen und dabei die Hoffnung geäußert, dass diese inklusiv ausgestaltet und nicht zum Austragungsort kontroverser Positionen zu Sexarbeit werde. Das ist gelungen. Der Protest ist daher ein gutes Beispiel dafür, dass es trotz inhaltlicher Differenzen politisch lohnt, für den gemeinsamen Nenner einzutreten.

Auch in der Diskussion über die Strafrechtsreform war Bündnispolitik erfolgreich: Am 2. Juli hatte das Verbände-Aktionsbündnis „Nein heißt nein" Politiker*innen dazu aufgerufen, endlich JA  zu dieser Forderung zu sagen. In der letzten Debatte im Bundestag äußerten auch die Vertreterinnen der Oppositionsfraktionen klare Unterstützung für die Änderung des § 177 StGB, bei gleichzeitig ebenso klarer ablehnender Haltung gegenüber den Verschärfungen im Aufenthaltsrecht und der Strafbarkeit der Beteiligung an Übergriffen aus einer Gruppe heraus. Insbesondere der letztere Punkt zeigt, dass die in feministischen Kreisen durchaus auch zirkulierende Vorstellung, mit den Geflüchteten käme das Patriarchat nach Deutschland zurück, auch im Gesetzgebungsverfahren eine Rolle gespielt hat.

Nächster Schritt: Gleiches Geld für gleichwertige Arbeit

Das nächste Thema, das sich für den gemeinsamen und parteiübergreifenden Einsatz eignet, ist die Entgeltgleichheit. Die Forderung, gleichen Lohn für die gleiche und gleichwertige Arbeit zu zahlen, genießt großen Rückhalt in der Bevölkerung. Gleichzeitig betrifft die Lohnlücke sehr viele Menschen (der Gender Pay Gap beträgt aktuell 21,6 Prozent), daher hat das Thema gesellschaftspolitisch-kritisches Potenzial hat, zumal wenn die nötige Aufwertung sozialer Berufe mitgedacht wird.

Erst letzte Woche hat das Bündnis der Berliner Erklärung den Aufruf „Fairpay heute“ gestartet, der inzwischen bereits über 1000 Unterschriften vorweisen kann. Der Widerstand gegen die Durchsetzung der Entgeltgleichheit mit Hilfe von Gesetzen ist groß, wie etwa eine Studie des IW Köln zeigte. Diese wollte nachweisen, dass Unterschiede bei der Bezahlung auf „freie Entscheidungen“ (wie Teilzeitarbeit und die Berufswahl) und nicht Diskriminierung zurückzuführen seien. Welches inakzeptable Verständnis von Freiheit und Chancengleichheit dieser Aussage zugrunde liegt, wies indessen DIW-Präsident Marcel Fratzscher in einem lesenswerten Beitrag nach. Fratzscher legt die strukturelle Ebene der Entgeltdiskriminierung dar, die sich zum Beispiel an der Bewertung von Frauenbranchen zeigt: „Frauen wählen keine schlechtere Bezahlung, sie bekommen sie“. Damit das Prinzip der Entgeltgleichheit nicht nur auf dem Papier steht, sondern in der Gesellschaft ankommt, braucht es gesetzliche Regelungen für seine Durchsetzung.

Für sexuelle Selbstbestimmung als ein Rechtsgut ähnlich dem Eigentum haben Feministinnen dreißig Jahre lang gekämpft. Und sie haben es geschafft: Die Verletzung sexueller Selbstbestimmung ist nun erstmalig strafbar, unabhängig vom tätlichen Widerstand der Geschädigten. Bei der Lohngleichheit werden wir ab jetzt schneller, ja?