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Ich bin eine ihrer vielen politischen Töchter

Von Anfang an war es der Name Christina Thürmer-Rohr, der mich elektrisierte -was ich für mich und meine politische Arbeit aus der These von der «Mittäterschaft» von Frauen von Christina Thürmer-Rohr abgeleitet habe? Im Nachhinein bestehen vor allem zwei Grund-Erkenntnisse, die meine gesamte politische Arbeit durchzogen haben und durchziehen.

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Christina Thürmer-Rohr auf dem Mittäterschaftskongress an der TU Berlin, 1987

Als ich 1984 nach Berlin berufen wurde als erste Frauenbeauftragte des Berliner Senats (damals West), ahnte ich nicht, auf was ich mich da einließ. Niemand in der hochpolitischen, hochmotivierten Ber­liner Frauenszene hatte auf diese (noch dazu) liberale Tussi aus der Bonner Provinz gewartet. Ich ackerte mich durch viel Literatur, aber vor allem durch viele Gespräche. Von Anfang an war es der Name Christina Thürmer-Rohr, der mich elektrisierte, vor allem die – auch in der politischen Frauenszene heiß diskutierte – These von der « Mittäterschaft ».  Was ich für mich und meine politische Arbeit aus der These von der « Mittäterschaft » von Frauen von Christina Thürmer-Rohr abgeleitet habe? Im Nachhinein besehen vor allem zwei Grund-Erkenntnisse, die meine gesamte politische Arbeit, nicht nur in der Frauenpolitik, durchzogen haben und durchziehen.

Erstens die Erkenntnis, wie die bis ins Feinste durchziselierten Abwehrmechanismen gegen potentielle Rivalinnen ablaufen. Es handelt sich nicht um ausgeklügelte, bewusst in Gang gesetzte Abwehrmechanismen von mehreren Männern, die sich bedroht sehen. Sie bauen vielmehr auf unbewussten Vorurteilen auf, die abgerufen werden können bei Bedarf und so leichter Mehrheiten mobilisiert können. Übrigens nicht nur bei Männern. Einige Beispiele, die ich persönlich oder bei anderen Kandidatinnen erlebt habe, meistens hinter vorgehaltener Hand getuschelt:

• Wenn eine Kandidatin keine Kinder hat: «Die hat doch keine Ahnung vom Leben!»

• Wenn sie Kinder hat: « Wie will die das denn alles schaffen!! » Männer werden so etwas nie gefragt.

• Wenn die Kandidatin besonders durchsetzungsstark erscheint: « Möchtest Du mit der verheiratet sein? »

• Wenn sie besonders teamfähig ist und mobilisieren kann, gilt das eher als intrigant; Männern hingegen werden dann als durchsetzungsstark empfunden.

Machtspiele gegen Rivalinnen laufen anders ab, als die Machtspiele zwischen Männern; vorurteilsbeladener, zum Teil auch mehr unter die Gürtellinie. Diese Mechanik zu kennen, sie nicht persönlich zu nehmen, sondern als Bestandteil von Machtspielen, macht schwierige Situationen in der politischen Arbeit von Frauen einfacher, leichter zu ertragen. Wirklich begriffen habe ich das erst, als ich Christina Thürmer-Rohr gelesen hatte. Die Erkenntnis hat mir persönlich oft geholfen, schwierige Situationen nicht persönlich zu nehmen, sondern einzuordnen als Bestandteil von Macht-Spielen.

Zweitens die Erkenntnis, dass zu viele Frauen – auch politisch aktive – sich in diesen Verhältnissen eingerichtet haben, also – siehe Christina Thürmer-Rohr –auch unterstützende Mittäterinnen in diesen Verhältnissen sein können. Zu viele verweigern sich der Auseinandersetzung innerhalb einer Partei, einer politischen Organisation, schrecken vor dem Machtkampf zurück und vor einer mögli­chen Niederlage. Klar, auch etliche Männer schrecken davor zurück. Und auch klar: Manche Frauen haben neben ihren beruflichen Tätigkeiten noch viele familiäre Verpflichtungen.

Christina Thürmer-Rohr

Die Freundschaft zur Welt nicht verlernen. Am 17. November 2016 feierte die feministische Autorin, Theoretikerin, Vordenkerin und Musikerin Christina Thürmer-Rohr ihren 80. Geburtstag. Zu diesem Anlass erschien am 26.11.2016 der Sammelband "Die Freundschaft zur Welt nicht verlernen - Texte für Christina Thürmer-Rohr zum 80. Geburtstag der Sozialwissenschaftlerin, Feministin und Musikerin".

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Aber: Viel mehr Frauen könnten sehr wohl politisch dazu beitragen, dass sich die Verhältnisse ändern, innerhalb von politischen Organisationen wie Parteien, Gewerkschaften, Verbänden. Wie oft habe ich von Frauen, die zu einer Kandidatur ermuntert wurden, die klassische Antwort gehört: « Das tue ich mir nicht an. In so einem Apparat verschwende ich nicht meine Lebenszeit. » Selbst in der aktiven politischen Berliner Frauenszene war das zu hören. Als ich in meiner Zeit als Frauenbeauftragte eine bekannte amerikanische Frauenrechtlerin nach Berlin einlud zu einem Vortrag vor einem großen weiblichen engagierten Publikum, wurde sie gefragt: « Warum sollen Frauen in solchen politischen Apparaten arbeiten mit solchen diskriminierenden Bedingungen? » Die unvergessene und umwerfende Antwort der Amerikanerin war: « First learn the rules – then change them!!! ». Regeln können geändert werden, Frau muss es nur wollen. Die eine Hälfte des Saals klatschte tosend, die andere schwieg.

Ich bin der festen Überzeugung: Wir werden nichts ändern, ohne dass wir uns auch aktiv politisch einbringen. Internetforen sind wichtig für die Meinungsbildung, im Guten wie im Schlechten. Aber politisch entschieden wird in den Parteien, Parlamenten. Viele Frauen meiner politischen Generation haben wie ich Christina Thürmer-Rohr viel zu verdanken: Wir verdanken ihr ein politisches Fundament und ein Bewusstsein, das uns hilft, unsere Vorstellun­gen einer gendergerechteren Welt zu entwickeln und dafür im rauen politischen Alltag besser zu bestehen. Deshalb betrachte ich mich, gemeinsam mit vielen zahlreichen politisch aktiven Frauen als eine ihrer vielen politischen Töchter Ich bin eine ihrer vielen politischen Töchter