Zurück in die Zukunft bedeutet heute zum Beispiel an den Fernseher zurückzukehren, um der ersten Mondexpedition zuzuschauen. Aber welche Zukunft soll das sein, angesichts von Trump und einem rechtspopulistischen Europa. KWEEK der queere Zwischenruf.
Zurück in die Zukunft bedeutet heute zum Beispiel an den Fernseher zurückzukehren, um der ersten Mondexpedition zuzuschauen. Wir sind ergriffen von dem damaligen Glücksgefühl, extraterrestrische Gebiete entjungfern zu können, nur um sie der patriarchal-protektionistischen Gegenwart anzupassen. Zurück in die Zukunft heißt in eine Vergangenheit zu reisen, in der es Zukunft nur als Abziehbild der gesellschaftlich engen Verhältnisse gab: der Mond als raketenmännliche Eroberungsfantasie, das Weltall als zusätzliche Militarisierungszone im Kalten Krieg, Roboter als maschinelle Doppelgänger menschlicher Spitzenleistung. Als es noch Zukunft gab, befanden wir uns oft schon im Backlash. Wenn wir uns heute in der Rhetorik nationalistischer Beschwörungen von Erstrangigkeit (America first) an die 1950er erinnert fühlen, stellt sich die Frage, ob wir heute den Flashback des Backlash erleben. Oder ist da noch Platz für eine anders geartete Zeitlichkeit? Eine Zeitlichkeit, die nicht nur Angst vor der Zukunft hat und die nicht in der Verweigerung, ihr zuzustreben, im Stillstand verharrt.
Klar – Trump macht Angst und vor lauter Panik vor dem, was kommen mag, zieht es einen unter die digitale Bettdecke, womit ich die sozialen Medien meine. Als Austragungsort privater Intimitäten und der Replikation der eigenen Meinung sind die ja auch nicht mehr das, was politische Öffentlichkeit mal war. Bei allem Respekt gegenüber Internet-Aktivismus erscheinen mir die viralen Lustigkeiten nur die hoffnungslosen Reste des Versuchs zu sein, Trump mit den Waffen des moralisch überlegenen Lachens zu schlagen. Dabei funktionieren sie eher wie die Einsicht, im Zynismus auf die Zukunft zu verzichten. Gleichzeitig sind die im bürgerlich intellektuellen Spektrum angesiedelten Kultur-Projekte wohl die humorlosen Angebote, Zukunftslosigkeit zu inszenieren.
Beim Lesen des Titels des vierjährigen Projekts des Berliner Haus der Kulturen der Welt „100 Jahre Gegenwart“ schnürt es mir erst einmal die Kehle zu. 100 Jahre in der Gegenwart aktueller Reminiszenzen auf Antifeminismen und retardierender Aktualitäten von Rassismen leben zu müssen, ist die Ankunft in der Dystopie schlechthin. Auch die Retrospektive der diesjährigen Berlinale mit dem Titel „Future Imperfect“ vergegenwärtigte Zukunft als imperfekte, apokalyptische Vision, auf die zu hoffen kaum wer Lust haben dürfte. Und wenn die Dinge, die da kommen, in der aktuellen Ausstellung „Things to come“ der Deutschen Kinemathek – Museum für Film und Fernsehen in Berlin auch nur als die heißen Schlüpferfantasien der Schwerelosigkeit gezeigt werden – beispielhaft sind die Ausschnitte des Striptease von Sandra Bullock in „Gravity“ oder dem Lederhandschuh-Strip von Jane Fonda in „Barbarella“ – ist Ratlosigkeit angebracht. Da hilft der Ablasshandel des weißen Hollywoods mit „Hidden Figures“ leider auch nur bedingt. Wenn die dringend notwendig zu erzählende Geschichte der drei afroamerikanischen Mathematikerinnen, die maßgeblich daran beteiligt waren, den ersten Menschen, der in einem Orbit um die Erde sauste, wieder lebend zurückzuholen, im filmischen Pathos amerikanischer Großartigkeit unterzugehen droht, ist mehr Armageddon angesagt, als Aufbruchsstimmung.
MAN WIRD DOCH ABER NOCH MAL HOFFEN DÜRFEN!, möchte ich schreien und lese ganz hektisch in Thomas Morus’ Bestseller „Utopia“ nach, der unpassend zur Endzeitstimmung seinen 500. Geburtstag feiert und der Vorstellung einer besseren Welt nachhalten will. Zapfen wir doch seine Fantasie des Guten an. Aber doch bitte nicht nur die der Renaissance, sondern die, die in den Entwürfen afrogalaktischer und schwarzer Kosmologien schlummern. Üben wir uns doch ein bisschen in der Dialektik von Dystopie und Utopie und gehen Schritt für Schritt im Text zurück, um nach vorne schauen zu können.
Da ist Janelle Monáe, die nicht nur im Film „Hidden Figures“ die schlagkräftige Ingenieurin Mary Jackson spielt, sondern als androides Alter Ego Cindi Mayweather im Album „Metropolis“ von der Flucht aus dem dystopischen Zustand der vom Eisernen Vorhang beherrschten Welt singt und sich mit ihrem Spaceship von dannen macht, um einen von Rassismus befreiten Raum zu suchen. Sie haucht dem Film das Quäntchen afrofuturistische Vision ein, die er im Sepiaton klassischen Hollywooderzählens vermissen lässt. Sie ist die Hoffnung einer alter-futuristischen Zeit, an die die anschließen können, deren Begehren noch nicht gekommen ist: „future is queerness´s domain“ (Munoz 2009: 1).
Das kleine Rote von Leutnant Uhura
Und trotzdem: Die Zukunft als endloses Feld von Möglichkeiten wurde auch schon in der Vergangenheit verwirklicht. Selbst wenn die Ausstellung „Things to come“ viel daran tut, den Möglichkeitsspielraum zu beschränken, gibt es Artefakte, die erlauben der Vergangenheit eine Zukunft vorherzusagen, die nur wenig erwartbar ist. Ausgerechnet das kleine Rote reaktiviert die Hoffnung auf eine Gesellschaft ohne Rassismus. Es handelt sich bei dem ausgestellten Kostüm um das Kleid der ersten schwarzen Frau in einer Weltraumserie: Nyota Uhura wird ab 1966 in Star Trek von Nichelle Nichols gespielt, einer afro-amerikanischen Schauspielerin, die, noch bevor Octavia Butler die legendäre Black Science Fiction Novel „Kindred“ 1979 publizierte, das Versprechen eines Zukunftsparadigmas verkörpert, das Technologie nicht als racelessness versteht (Nelson 2002: 1), sondern Weltraumfahrt als Afrogalactica.
Im Programm der Retrospektive der Berlinale kann nur „Strange Days“ hervorgehoben werden. Nicht nur weil er der einzige Film einer Frau ist, nämlich Kathryn Bigelow, sondern die alleinige queer-feministische Cyberpunk-Annäherung an die Frage des Verhältnisses technischer Schaulust und sexistischer bzw. rassistischer Gewalt. Das Visionäre ihres Filmes entsteht dabei durch eine virtuelle Realität, die den phallischen Blick korrumpiert.
Naja, und in den 100 Jahren Gegenwart ergeben sich diverseste Hoffnungsschimmer, die „das politische Vorstellungsvermögen“ einer Zukunft aktivieren, die nicht nur „Zerrbild einer fortgeschriebenen Gegenwart“ ist. Dipesh Chakrabarty plädierte auf einer der Veranstaltungen für eine planetarische Perspektive, die, bei aller Notwendigkeit, die Ungerechtigkeiten im Konkreten aufzudecken, vom extraterrestrischen Standpunkt eine Zukunft entwirft, die nicht nur apokalyptisch ist. Vom Mars aus betrachtet, ticken die Uhren anders. Mit dem nötigen Abstand zur Erde können wir vielleicht sehen, dass, wenn sich der Rechtspopulismus schneller entwickelt, als die politische Evolution, der Wandel des politischen Klimas auf den Rechtspopulismus zurückfällt. Die Kraft der Selbstsabotage liegt also im Akzelerationismus des Rechtspopulismus. Um das zu sehen, brauchen wir vielleicht die Space Glasses von Sun Ra.