Die Kernbotschaft des Women20-Gipfels in Berlin ist klar: Frauen, vor allem Unternehmerinnen, sollen Wachstumsmotor und Stabilisator der Wirtschaft sein. Es geht hier aber nicht um die wirtschaftlichen Rechte aller Frauen, nicht um Gerechtigkeit, auch nicht primär um die 100 Millionen Jobs, die die G20 für Frauen zu schaffen verspricht. Sondern im Zentrum stehen der Aufbau und die Stärkung einer weiblichen Marktelite und die Propagierung eines Business-Feminismus, der sich herzlich wenig um soziale Ungleichheiten zwischen Frauen kümmert. Der W20 macht wirtschaftliche, finanzielle und digitale Integration zur Zauberformel, ohne die strukturelle Ungleichheit, Gewalt und Diskriminierung der neoliberalen Wirtschaft, für die die G20 sich stark macht, zu hinterfragen.
Der diesjährige W20-Gipfel ist ein verkappter Business20-Gipfel, der Geschlechtergleichheit als Folie nutzt, um sich den Anstrich von Offenheit, Moderne und Vielfalt zu geben. Er ist ein Betrug an den weltweiten Interessen von Frauen, vor allem von Armen, an existenzsicherndem Einkommen, Anerkennung all ihrer Arbeiten und sozialer Sicherheit.
Das ist ein politischer Skandal, der mit der Einladung von Ivanka Trump für ein Podium mit sieben Gallionsfiguren aus den Führungsetagen von Wirtschaft und Politik am 25. April gekrönt wird. Die First Daughter personifiziert derzeit die Verquickung wirtschaftlichen Erfolgs und politischer Macht im bigotten Format eines Familienimperiums wie niemand anderes. Sie präsentiert sich selbst als Verfechterin des Empowerments von Frauen, vor allem „arbeitender Mütter“, und gleichzeitig als Komplizin des Präsidenten, den sie ohne Skrupel einen Feministen nannte, während er wiederum Frauen auf den Erwerbsmärkten als „gefährlich“ bezeichnete. Bei youtube tritt Ivanka gern mit jungen Frauen auf, die stolz darauf sind, frei zu wählen, was sie tun und arbeiten wollen, und erklären, dass das Einkommen eigentlich irrelevant sei. Das klingt wie Hohn für alle Frauen, die keine andere Wahl haben als – sehr häufig prekär – zu arbeiten, um sich selbst und ihre Familie zu ernähren. Schön und gut, dass Ivanka bezahlten Mutterschutz – bisher in den USA als einzigem Industriestaat noch nicht eingeführt – und Steuererleichterungen für Kinderbetreuung vorschlägt. Doch ihre frauenpolitischen Forderungen sind sozial ignorant und zementieren Ungleichheiten: Bezahlte Babybetreuungszeit nur für Mütter setzt sich bekanntlich auf den Erwerbsmärkten direkt in Frauendiskriminierung um, von Steuererleichterungen profitieren die Besserverdienenden stets am meisten.
Als Unternehmerin in den Geschäftsfeldern von Schmuck, Mode und Wellness und als semi-offizielle Beraterin ihres Vaters bestätigt sie das konservative Bild weißer Weiblichkeit in den USA, ihre dienende Funktion, aber auch ihre informelle Macht hinter den Kulissen. Ivanka ist im Trump-Regime höchst funktional als charmanter, eher leiser Gegenpol zum polternden, grabschenden, rassistischen Präsidenten, dessen Politik gegen Migrant*innen, sexuelle und reproduktive Rechte und die Gesundheitsversorgung sie beschweigt. Diese Loyalität ist gut fürs Geschäft: just am Tag, als der chinesische Präsident Xi in Trumps Anwesen in Palm Beach zu Gast war und Ivankas 5jährige Tochter ihm als Charmeoffensive ein Ständchen auf chinesisch bringen musste, bekamen mehrere Ivanka-Produkte Markenrechte in China. In China gibt es übrigens bereits einen Ivanka-Fan-Club, der sie als „göttlich“ feiert.
Es hat also den Nimbus frauenpolitischen Internationalismus, wenn für die First Daughter beim W20 und dem von der Deutschen Bank finanzierten Gala-Dinner ein roter Teppich ausgerollt wird. Die Einladung Ivankas, die von Angela Merkel selbst bei ihrem USA-Besuch ausgesprochen wurde, hofiert das skandalöse Geschäfts-cum-Politikmodell der Milliardäre. Sie normalisiert den Karriere-Feminismus der Alpha-Weibchen, der Geschlechtergleichheit zum eigenen Empowerment kooptiert. Dass das Podium der Gallionsfiguren des Erfolgs „Frauen inspirieren“ soll und die Illusion des „yes, you can“ vermittelt, ist ein großer Bluff. Wer soll sich denn bitteschön vom Aufstieg und der Sichtbarkeit dieser Gallionsfiguren inspirieren lassen? Hartz IV–Bezieherinnen, die griechischen Frauen ohne Gesundheitsversorgung und die migrantischen Altenpflegerinnen? Die Kleinbäuerinnen, Straßenhändlerinnen und Textilarbeiterinnen in den globalen Wertschöpfungsketten?
Da stellt sich die Frage, wieso sich der Deutsche Frauenrat vor diesen Karren hat spannen lassen und das Podium lange Zeit als klandestine Veranstaltung gehandelt wurde. Warum verpflichtet er sich hier dem Empowerment der Starken und setzt weibliches „Business first“? Als „größte frauenpolitische Interessenvertretung in Deutschland“ ist der Frauenrat der Zivilgesellschaft Rechenschaft schuldig, wessen Interessen er vertritt und welche politischen Strategien er fährt.
Die Ausrichtung des W20 als Elite-Club und Closed Shop hat gleichzeitig jedoch indirekt zur Transnationalisierung des Widerstands gegen den 1%-Feminismus beigetragen: am Dienstagabend ist zu einer „Gala für alle“ vor dem Brandenburger Tor aufgerufen. Diese andere Gala will Sichtbarkeit für die Nicht-Club-Mitglieder schaffen und das Sich-Gewöhnen an den glamourösen Elite-Feminismus stören. Das knüpft an den Global Women’s March an, aber auch an das Tänzchen von Feministinnen und Queer-Menschen in New York vor der sündhaft teuren Wohnung von Ivanka Trump. Motto: Putz dich raus. Heb deine Faust. So muss es sein.