Die feministische Bewegung boomt wieder und sie wird jünger. Und die Älteren? Atmen auf.
Da sind sie alle. Eine neue feministische Generation macht den Internationalen Frauentag wieder zu einem Kampftag. Und die Älteren? Atmen auf. Na endlich. Schnappen sich die Regenschirme und gehen wieder mit. Mehrere Demos für Frauen, das hat es lange nicht mehr gegeben. Man muss nun wieder an die Historikerin Ute Gerhard denken, die von den Wellen der Frauenbewegung sprach. Die erste Welle wird gerade gefeiert, das Frauenwahlrecht wird 100 Jahre alt. Und die Themen der zweiten Welle aus den Siebzigern haben wieder Konjunktur: Schwangerschaftsabbruch, Gewalt, Sexismus, Gleicher Lohn. Jüngere Frauen* entdecken die Protagonist*innen der zweiten Welle neu: Sie sind nun als Expert*innen gefragt, sie werden gefeiert, für ihren Mut bewundert und bekommen wieder Preise. Kristina Hänel, die berühmte Ärztin aus Gießen ist so eine. Endlich wird wieder begreifbar, dass die ältere Generation nicht nur aus der medienwirksamen Alice Schwarzer bestand.
Zwischen diesen beiden Generationen klaffte ein Abgrund. Da ist meine Generation. Aufgewachsen in den Eighties, jetzt um die 50. Die war irgendwie taub bei diesen Themen. Es war völlig uncool, Feministin zu sein. Die Schwesternschaft galt als jammernde Opfergemeinschaft, die ein verkrampftes Verhältnis zu Männern hat. Und sich deshalb weigert, ihre Sexiness zu nutzen, die Waffen der Frauen: Beine enthaaren, Lippenstift, Pushup, Highheels, alles verboten. Dabei waren das doch natürlich Mittel zur Macht, wie meine Generation als erste Generation Praktikum herausfand. Denn, „was nützt mir ein Frauennetzwerk, wenn das keine Seilschaft bilden kann, weil es oben gar keine Frauen gibt?“, fragten wir uns. Wir wollten etwas werden, und dafür brauchten wir männliche Förderer – und wie frau die beeindrucken kann, das hatte meine Generation schnell raus. Modell „Groupie mit Ambitionen“, könnte man es nennen, obwohl die Spannbreite natürlich riesig war und durchaus zu einigen beachtlichen Karrieren geführt hat. De facto hat der Sexismus des Systems meine Generation gespalten: In die Karrierefrauen, die null bis ein Kind haben. Und in die große Menge der anderen auf den „mommy tracks“. Sie leben auf zwei verschiedenen Planeten mit unzureichender Kommunikationsmöglichkeiten sich und letztere fanden, der blöde Feminismus habe gänzlich bei ihrer Befreiung versagt. Das Patriarchat hatte uns, hoffnungsvoll Gestartete, voll im Griff. Und während die kleine Schar der eingeweihten Feminist*innen und Postfeminist*innen Judith Butler las und Madonnalogie studierte, denke ich in dunklen Momenten, dass bei der Mehrheit nur angekommen ist, dass man Verona Feldbusch jetzt auch irgendwie gut finden kann, weil sie ja ihr eigenes Geld verdient.
Aber auch Wellentäler gehören zu Wellen. Sie sammeln Kraft für die nächste. Meine Generation konnte sich bierselige Abende lang über unverschämte Chefs aufregen, über Freundinnen, die die demütigende Behandlung ihrer Partner ertrugen, andere Freundinnen, die „Glucke“ von Beruf wurden. Sie hat männliche und weibliche Kommunikationsstile seziert und spät in der Nacht Männerwitze unter Niveau ausgetauscht. Sie hat eifrig das „Cinderella-Syndrom“ gelesen oder „Mythos Schönheit“ von Naomi Wolf. Hat mit dem Partner diskutiert, wierum es beim Sex zu laufen habe. Und selbstverständlich keine Pille genommen, die war nun gründlich genug kritisiert worden. Sie hat in WGs geschlechtsneutrale Putzpläne und Toilettensitzpflichten eingeführt. Wie soll man diese Frauen nennen: Privatfeministinnen? Kryptofeministinnen? Jedenfalls gab es die berühmte Adorno‘sche Flaschenpost. Wir hatten sie dabei in unserem Wellental.
Und jetzt? Es ist auch meine Generation, die da bei #MeToo explodiert. Die „endlich“ ruft, die „Pro Quoten“ für alles Mögliche gründet. Denn wir wissen ja eigentlich alles. Wir haben nur auf die dringend nötige Verstärkung gewartet. Die ist jetzt da. Die ist zum Glück nicht mehr so weiß, wie wir waren - und sie ist voller Sterne. Aber, Kryptosisters, neulich zeigte sich: Wir haben ihnen auch was zu erzählen, aus unserem Privatfeminismus. Da saßen wir in der taz in einer Runde und fanden aus verschiedensten Gründen alle, dass die taz Sonderausgabe zum Frauentag „Back to Sex“ heißen soll. Klar, weil LGBTIQXYZ* in ist. Polyamorie aber sei schon zu oll, fanden alle altklug. Und direkt über Sex, sollen wir da auch was machen, fragte meine Generation und fühlte sich dabei etwas altmodisch. Und die Jüngeren: Wie? Was? Und dann kam so über drei Ecken, dass ja wohl viele in ihrer Generation das Problem hätten, also sie selbst natürlich nicht, aber die anderen eben, dass die Männer immer einfach aufhören, wenn sie fertig sind. Und wir so: Wie, aufhören, wenn sie fertig sind? Die Frau ist jawohl zuerst dran. Oder sie bekommt Nachtisch! Seid Ihr schon Generation Porno, oder was? Wir sahen uns alle einen Augenblick verblüfft an. Und dann lachten wir uns kaputt.