Kann eine Feministin auch Prinzessin sein?

Feministischer Zwischenruf

Meghan Markle ist die neueste unter den königlichen Gattinnen. Die Hochzeit wurde medial als Zeichen gewertet, dass mit ihr Feminismus und Diversität bei den Royals Einzug halten sollen. Wie glaubhaft ist das königliche Makeover?

Drei Plastikkronen
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Prinzessind und Feministin, passt das zusammen?

Die New York Times labelt Meghan Markle als die „Anti-Prinzessin Prinzessin“. Bei den Royals mussten die Anwärterinnen bislang jung und möglichst jungfräulich sein. Diana war noch Teenagerin als ihre Beziehung zu Charles begann. Er war damals bereits 30. Sie schien wie die ideale Kandidatin, lieblich, angepasst, pflegeleicht. Die Schauspielerin Markle ist 36 und bereits geschieden. Sie sprach bereits vor der UN Women’s Conference, und sie ist Tochter irisch-stämmiger und afroamerikanischer Eltern. Die Hochzeitszeremonie führte Bischof Michael Curry durch, der aus der epispokalen Kirche stammt, und vor allem: Er zitierte Dr. Martin Luther King. Außerdem sprachen der Erzbischof Angaelos von der koptischen Kirche und Rose Hudson-Wilkin von der Black Church of England. Der Kingdom Choir sang „Stand by Me“, ein Gospel Chor, der den erst 19-jährigen Solisten Sheku Kanneh-Mason als Solosänger präsentierte. Er ist der erste Schwarzer Musiker, der den Jugendpreis der BBC gewann. Für den größten Teil der internationalen Presse stand nach dem 55 Millionen Pfund teuren Event fest: Die britische Königsfamilie hat den Sprung in die moderne Gesellschaft geschafft.[1]

Stimmt das oder haben wir es mit einem Marketing-Stunt wie einst bei Papst Franziskus zu tun? Das neue freundliche Gesicht der katholischen Kirche bleibt nämlich bei der Abtreibung als Todsünde und dem Nein zur gleichgeschlechtlichen Ehe. Die katholische Kirche nutzt ihre kolonialistischen Hilfsprojekte ungezügelt weiterhin für Missionierung und erzkonservative Ideologisierung. Während in manchen Ländern Aids die häufigste Todesursache schon bei 15-19-jährigen ist, propagiert die Kirche gerade dort, dass die Verwendung von Kondomen eine Sünde sei. Davon ist auch der lächelnde Franziskus nicht abgewichen. Es schadet seinem Image aber kaum, da es in Europa so gut wie nicht thematisiert wird.

Die Märchen von der Prinzessin

Wie also passt Feminismus in das Konzept eines Königshauses? Bei der Definition, was eine „Prinzessin“ eigentlich ausmacht, hilft Disney gerne weiter: Seit Jahrzehnten produziert die Hollywood-Firma Rollenvorgaben und Erwartungen an Mädchen und Frauen (und Männer), deren Vorbild die weiße langhaarige verträumte bis verschlafene Prinzessin ist. Schneewittchen und Cinderella bilden das Klassik-Ensemble und sie warteten bekanntlich auf den Adligen, der sie rettet. Auch Prinzessin Jasmin muss letzten Endes von ihrem Typen gerettet werden. Die Schöne hatte eine Art Stockholm Syndrom und verliebte sich in einen egomanischen, rüpelhaften Mann, der sich hinter dem Biest verbarg. Pocahontas heiratet am Ende einen weißen Kolonialisten, dessen Entourage ihr Volk ausbeutet. Die Meerjungfrau Ariel verzichtet bereitwillig auf ihre Stimme, um den Prinzen heiraten zu können. Die erste schwarze Prinzessin präsentierte sie überhaupt erst 2009: Lady Tiana.

Patrick Catuz ist Autor, Kulturarbeiter und Filmemacher und lebt in Wien. Er hat Medien und Kommunikation, sowie angewandte Kulturwissenschaften studiert und promoviert derzeit an der Universität für Angewandte Kunst Wien. Er arbeitet an verschiedenen Projekten im Bereich Kultur, Theater, feministischer Porno, sowie Arthouse Porno in Barcelona und Wien und gibt derzeit ein Seminar zu Porno an der Kunstuniversität Linz.

Mulan ist womöglich die einzige Figur, die feministisches Potential hat. Sie verhindert, dass ihr gealterter Vater in den Krieg ziehen muss, mogelt sich verkleidet ins Militär und wird eine der besten Kämpferinnen. Am Schluss rettet sie auch noch ganz China. Heirat wird nicht als Endstation und Happy End der weiblichen Heldin präsentiert. Und doch hat selbst diese Erzählung ihre Tücken. Am Ende verweigert sie den Job als Beraterin des Königs und entscheidet sich dafür, sich dem Wohl der Familie zu widmen. Obendrein gibt sie auch noch dem späten Liebeswerben des Hauptmannes nach, der sie bis dahin erniedrigt und drangsaliert hatte. Die „Boys will be Boys“ Message will, dass sich der mehr oder weniger gewalttätige Mann als liebender Prinz entpuppt. Dafür müssen Frauen nur lange genug ausharren und an den lieblichen Kern tief unter der rauen Schale glauben. Toxische Männlichkeit zu normalisieren und weibliche Leidensfähigkeit zu propagieren, steckt tief in unserer Kultur drin.

Plötzlich Feminist

In dieses Genre passt die Royal Wedding vielleicht sogar ganz gut rein. Ursprünglich hatte Prinz Harry eher als Symbol für – sagen wir beschönigend – spitzbübische Männlichkeit gegolten. Neben 10 Jahren militärischer Ausbildung und einer starken Zuneigung zu Rugby, schaffte er vor allem durch seine „Ausrutscher“ in die internationale Presse. Er hat sich einmal mit Nazi-Uniform auf einer Party blicken lassen und eine dünne „…wenn ich jemanden verletzt haben sollte“-Entschuldigung nachgereicht. Auf einem Homevideo verwendete er einen rassistischen Begriff für einen Kollegen auf der Militärakademie. In einer offiziellen Stellungnahme des Palastes wurde verkündet, er sei sich der negativen Bedeutung des Begriffes nicht bewusst gewesen. Seine humanistische Seite kam eigentlich nie besonders zur Geltung. Oder fand keine öffentliche Beachtung. [2]

Kennt Ihr den Film „Plötzlich Prinzessin“? Für Prinz Harry könnte man sagen „Plötzlich Anti-Rassist und Feminist“. Auf einer Liste der größten feministischen Aussagen des Prinzen findet sich eine Verteidigung seiner Verlobten gegen öffentliche Kritik, ein Lob weiblicher Role-Models und ein Plädoyer für alle, gleiche Rechte und Möglichkeiten zu unterstützen und der Satz, dass echte Männer Frauen mit dem Respekt und der Würde behandeln sollten, die sie verdienen.[3]

Den feministischen Ritterschlag erhielt er dann von Meghan Markle selbst. Auf ihrer ersten offiziellen Reise nach Wales Anfang 2018 äußerte ein Fan, wie schön es wäre, nun endlich eine Feministin in der Royal Family zu haben. Sie antwortete, auch Harry wäre ein Feminist. In einem folgenden Radiointerview meinte dieser dann zu Gleichberechtigung: „Männer müssten auch ihren Teil erledigen, oder es wird nicht klappen“. Ein direktes Bekenntnis zum Feminismus steht aber nach wie vor aus. Dennoch schreibt der Telegraph, der Prinz habe 2018 mit der Hilfe seiner Verlobten offiziell ein neues Label bereitwillig übernommen: Jenes des Feministen.[4]

Ihn anhand ein paar dünner Zitate zum Feministen zu stilisieren, ist doch etwas hergeholt.  Angesichts seiner finanziellen Mittel und dem politischen Einfluss der Königsfamilie müssten wir ihm die Latte schon ein schönes Stück höher legen. Den Selbstbezug möchte ich ihm aber nicht absprechen. Er hat ja noch Zeit, um in die Gänge zu kommen und uns zu zeigen, wozu ein feministischer Prinz fähig wäre.

Und Meghan Markle? Wieviel Spielraum hat sie? Möglich, dass sie die Königsfamilie in das 21. Jahrhundert bringt. Ihr Blog und ihre Kanäle in den Sozialen Medien, auf denen sie sich bislang auch politisch äußerte, existieren jedenfalls nicht mehr.  Im Moment haben wir also noch keinen Grund anzunehmen, dass das Königshaus nun auf Feminismus oder Diversität setzen wird, geschweige denn auf antirassistischen Feminismus. Wie Noah Trevor so hübsch anmerkte: “It was not a black wedding, it was a wedding including black people. A beautiful wedding.“[5] Wenn eine Feministin in ein Königshaus einheiratet, wird sie eine Prinzessin. Die Heirat an sich ist aber kein feministischer Akt. Und dadurch wird auch sicher nicht das Königshaus feministisch. Was feministische Politik betrifft, sollten wir dabei ähnlich kritisch bleiben, wie es Heide Oestreich im letzten feministischen Zwischenruf bei Politikerinnen vorgeschlagen hat.[6]