Heimattreu und aggressiv

Wie die AfD und ihre Anhänger*innen versuchen, den von linken Frauenrechtler*innen geprägten Feminismus zu vereinnahmen und umzudeuten.

Eine junge Frau reckt ihre Faust in die Höhe auf einem rechtspopulistischen Marsch durch Berlin unter dem Motto: "Wir sind kein Freiwild, Nirgendwo!!!"
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Rechtspopulistischer Marsch durch Berlin unter dem Motto: "Wir sind kein Freiwild, Nirgendwo!!!"

Eine Handvoll schwäbischer Aktivistinnen in Augsburg fordert «Grenzen sichern – Frauen schützen». Die jungen Frauen gehören zur Identitären Bewegung (IB), einer Organisation, die sich als modern und patriotisch darstellt, deren Inhalte jedoch denen der traditionellen extrem Rechten entsprechen.

Wenn sie «Frauen wehrt euch!» bei Youtube, Facebook, WhatsApp oder auf der Straße fordern, dann meinen sie explizit gegen «importierte Gewalt», begangen von Migranten oder Geflüchteten. Häufig ist auf rechten Kundgebungen die rassistische Parole: «Rapefugees» zu sehen. Sexualisierte Übergriffe und Gewalt werden instrumentalisiert, um größtmögliche Aufmerksamkeit zu erzielen, diese Strategie hat eine lange Tradition.

Seit aber Pegida, Alternative für Deutschland (AfD) und neurechte Kreise die Sozialen Medien wie Facebook oder WhatsApp politisch dominieren, erweckt es den Anschein, eine selbstbewusste, patriotische Frauenbewegung sei im Aufbau. AfD-nahe «Frauenmärsche» locken bundesweit Tausende Anhänger*innen an – dass die meisten Teilnehmenden männlich sind, scheint zweitrangig. Die Hauptsache: In der ersten Reihe tragen Empörte Frauen ihren rassistischen Protest laut und auf Transparenten voran und werden wahrgenommen.

Feminismus wird als «Teil der verteufelten Moderne» strikt abgelehnt, erklärt die österreichische Wissenschaftlerin und Buchautorin Judith Goetz auf dem Watchblog der Amadeu-Antonio-Stiftung «Belltower News». Doch es gebe Bestrebungen, «eine Art völkischen Feminismus aufzubereiten», so Goetz, es gehe darum, zu betonen, dass Frauen bestimmte «naturgegebene Fähigkeiten» hätten, die in den Vordergrund gestellt werden. «Antifeminismus wird als der eigentliche Feminismus verkauft, identitäre Aktivistinnen als die eigentlichen Frauenrechtlerinnen inszeniert.» Erzkonservative Publizistinnen wie Birgit Kelle verfolgen die Strategie einer Umdeutung in einen «femininen Feminismus». Das Ziel: Den von linken Frauenrechtlerinnen geprägten Begriff zu verwässern und neu zu besetzen.

Es gibt Bestrebungen, eine Art völkischen Feminismus aufzubereiten.

So gründeten zwei Frauen aus dem Umfeld der «Identitären Bewegung» (IB) ein Blog mit dem Titel «Radikal feminin». Eine von ihnen, Studentin aus Tübingen, erzählt im Interview, für Sissi-Filme zu schwärmen und sich die erzkonservativen 1950er-Jahre zurückzuwünschen. Sie fordert auch: «Männer, hört auf, euch wie Waschlappen zu benehmen!» Eine andere IB-Aktivistin, Freya H. aus Köln, beklagt in einem Beitrag auf dem Videokanal Youtube, einen «Krieg der Geschlechter» und überhaupt zu viel Kritik an den Männern. Das «natürliche» Zusammenspiel zwischen Mann und Frau sei «aus dem Gleichgewicht gebracht worden», so die junge Identitäre, die in einer Dresdener Frauenburschenschaft aktiv ist.

Im AfD-Programm finde sich «kein Stichwort, dass Frau oder Geschlecht heißt», erklärt die Münchener Soziologin Prof. Dr. Paula-Irene Villa in einem Gespräch mit dem Hörfunk SWR2. Das Wort «Frau» tauche erst im Zusammenhang mit Familie und Kindern auf. «Weiblichkeit sitzt gewissermaßen in der Gebärmutter», so Villa. Starke Frauenorganisationen gibt es weder im Umfeld von AfD und Identitärer Bewegung – noch bei den Neonazis. Die seit 2006 existente NPD-Unterorganisation «Ring Nationaler Frauen» stellt keine eigenen frauenpolitischen Forderungen. Ihre politische Arbeit lebt von den Feindbildern. Emanzipation gilt als «Irrlehre». Als eine NPD-Aktivistin kürzlich von ihrem Freund, einem sächsischen Parteifunktionär, verprügelt worden war und sogar Fotos als Beweise weiterreichte, schwiegen die Kamerad*innen. Es gab keinen Aufschrei, wenig Solidarität für das Opfer. Das hatte ohnehin nicht die Stimme erhoben, der Fall war ohne ihr Zutun in den Medien gelandet.

Eine Studentin fordert: Männer, hört auf, euch wie Waschlappen zu benehmen.

Der Versuch, einen «nationalen Feminismus» zu etablieren, währte nur kurz. 2007 forderten drei junge Frauen des neonazistischen «Mädelring Thüringen»: «Deutsche Frauen wehrt euch – gegen das Patriarchat und politische Unmündigkeit», «Nationaler Feminismus voran!». Ihre Kritik richtete sich dabei auch gegen die eigenen Kameraden. Sie wollten Emanzipation, doch auf keinen Fall «Emanzen» sein.

Die vorherrschende, «übertriebene Stilisierung der Mutterrolle» wurde in Frage gestellt. Eine für die braune Szene ungeheuerliche Provokation. 2008 schon war die Homepage des «Mädelring» nicht mehr abrufbar. Die Aktivistinnen, zum Teil gerade Mütter geworden, passten sich ideologisch der extrem rechten Mehrheit an.

Bereits wenige Jahre zuvor waren junge Berliner Neonazistinnen mit ihrer Auflehnung gegen männlichen Chauvinismus gescheitert. Die «Mädelgruppe» der rechtsmilitanten «Kameradschaft Tor Berlin» hatte mehr Rechte für Frauen im Straßenkampf gefordert.

Ob NPD oder Identitäre Bewegung – am Frauenbild der extrem Rechten hat sich nichts geändert: Die deutsche Frau hat weiblich, heimattreu und untergeben zu sein. Politisch darf sie den Männern den Rücken stärken. Ihre Hausfrauen- und Mutterrolle wiegt schwer, denn «sie trägt die Zukunft der Kultur, der Nation und ihres Volkes im Leib». Der Feminismus dagegen untergrabe «europäische Kultur und Tradition» und bedeute den «Volkstod».

Sich gegen Beruf und Karriere zu entscheiden, ist selbstverständlich nicht per se antifeministisch. Eine Ideologie aber, die die Handlungsfreiheit von Frauen genau auf diese Rollenzuteilung beschränkt, ist zutiefst antifeministisch. Und als solche sollte sie auch erkannt werden.