Eine Gesellschaft, die Frauen immer noch hauptsächlich auf drei Ks dressiert, kann sich nur mit Frauenquoten weiterentwickeln.
Als die Frauen vor hundert Jahren zum ersten Mal an der Demokratie teilnahmen, da brachten sie sogleich die Sozialdemokrat*innen um ihre absolute Mehrheit. Also die Partei, die ihnen - als einzige - das Wahlrecht ermöglicht hatte. Und dies durchaus zögerlich, weil die SPD um die "klerikale Gefahr" der gottesfürchtigen Frauen wusste. 1933 wählten auch sie mit Begeisterung Hitler an die Macht. Also den Mann, der erklärt hatte: "Ein Frauenzimmer, das sich in politische Sachen einmischt, ist mir ein Gräuel" und der ihnen sogleich das passive Wahlrecht entzog. Und nach dem Krieg hielten sie noch Jahrzehnte lang der CDU die Treue. Der Partei, die Frauen die säkularisierten "drei K" zuordnet hatte: Kinder, Küche, Kammermusik.
Dieses widersprüchliche Verhalten lässt sich lesen wie eine Steilvorlage für heutige Männerrechtler, die den Frauen das Wahlrecht am liebsten wieder entzögen. Oder man schaut sich die Entwicklung in einem größeren Zusammenhang an. "Dem Manne der Staat, der Frau die Familie", war eine stehende Wendung im bürgerlichen Zeitalter, festgehalten etwa in Meyers Konversationslexikon von 1894. Der Abbau der Ständegesellschaft und die Bedeutungszunahme der bürgerlichen Öffentlichkeit führten, wie etwa Historikerin Ute Frevert zeigte, zu neuen Ausschlüssen aufgrund von Rasse, Klasse und Geschlecht. Das Bürgerrecht galt etwa nach Immanuel Kant nur für Menschen, die ökonomisch und sozial unabhängig waren – und natürlich männlich. Es sei die natürliche Bestimmung der Frau, in der Familie zu wirken, hieß es. Ihr geistiges Vermögen reiche nicht aus für abstraktere Gedanken. Es waren nur die ganz radikalen Emanzen, die heute so gefeierte Hedwig Dohm oder die erste Juristin Anita Augspurg, die im 19. Jahrhundert immer wieder fragten, warum denn der letzte männliche Idiot das Staatswesen mitbestimmen dürfe, die gebildete, kluge Frau aber nicht?
Die bescheidene Frauenbewegung
Alle anderen Frauenverbände waren sich ganz und gar nicht einig, ob die Frauen einfach so wählen sollten. Sie müssten sich doch erst einmal bilden, wurde erklärt. Schließlich waren auch die Universitäten gerade erst für Frauen geöffnet worden. Hedwig Dohm hatte dafür nur ihren berühmten beißenden Spott übrig: „Nie sah die Welt eine ehrbarere, bescheidenere Bewegung als diese deutsche Frauenbewegung. Eine Menschenklasse, die sich bemüht, in demütigen Wendungen zu beweisen, dass eigentlich kein ausreichender Grund vorhanden sei, sie Hungers sterben zu lassen! Eine Klasse, die um ihre Existenz wie um ein Almosen bettelt!", schrieb sie 1872.
Diese Aussage zeigt, was von heute aus leicht übersehen wird: Hedwig Dohm und Anita Augspurg, letztere versuchte quasi im Alleingang, das BGB-Familienrecht zu verhindern, das Ehefrauen das Recht auf Arbeit, Besitz und eigenständige Entscheidungen verwehrte, waren absolute Ausnahmen, verhöhnt und verspottet, Außenseiterinnen. Die meisten Frauen waren durchaus eine "klerikale Gefahr", wie die SPD geargwöhnt hatte. Die Radikalfeministinnen waren weniger fein: Eine "Sklavinnenmentalität" bescheinigten sie ihren Geschlechtsgenossinnen. In der Tat schienen die Frauen lange Zeit auch bei Wahlen tendenziell den Parteien zuzuneigen, die sie in ein festes System unter männlicher Herrschaft einbinden, ihre Aufgabe strikt definieren und wenig Selbstständigkeit verlangen, seien es Nazis oder konservative Christen.
Aber wen wundert es, wenn Menschen, die zum Gehorsam erzogen wurden, Angst vor der Freiheit und wenig Selbstbewusstsein haben? "Sklavenmentalität" und Selbsthass sind allen unterdrückten Gruppen bekannt. Und dass diese Mentalität sich transgenerational fortsetzt, ist mittlerweile auch gut erforscht. Das beliebte Argument, das neunzehnte Jahrhundert läge doch beruhigend weit zurück, sticht nicht. Die heutigen 50-Jjährigen Frauen, die auf der ein oder anderen Machtposition sitzen, sind eben vielfach von West-Hausfrauen erzogen worden. Und so progressiv die auch sein mögen, ihr Beispiel ist es, das die Tochter später am besten kennt und am heimeligsten findet, wenn sie merkt, wie rauh die Berufswelt ist, wie wenig Handwerkszeug sie dafür mitbringt und wie unvorbereitet die Gesellschaft auf ihre Berufstätigkeit ist. Kitamangel, haushälterische Unfähigkeit des Mannes, Mütter, die vor Überlastung warnen und ganz leise seufzen: "Die eine armen Kinder!"
Die Frauen im Osten haben es in dieser Hinsicht erheblich leichter. Die DDR hat ihnen immerhin ein modifiziertes Frauenbild beschert - allerdings auch ziemlichen Stress. Vollzeitarbeit für die Mutter war normal. Aber dass sie danach den Haushalt meistert und die Kinder managt, war leider auch normal.
Vor diesem Hintergrund erscheint vor allem im Westen das Tempo, in dem Frauen verlangen, für sich selbst einzustehen, zwar immer noch verdammt langsam. Aber die Trendwende bei den Wahlen zum Beispiel ist hier dank der zweiten Frauenbewegung geschafft: Schon 1972 verhalfen vermehrt Frauen der SPD in den Sattel - der Gender Gap war hier auf 1,2 Prozent geschrumpft. Und seit 1980 wird die SPD regelmäßig von mehr Frauen als Männern gewählt. Die Grünen haben ebenfalls seit den Achtzigern einen Überschuss an Wählerinnen.
Frauen informieren sich weniger über Politik
Dennoch ist die weibliche Gefallsucht keineswegs besiegt. Wer mit Barbie und Heidi Klum aufwächst, sich am liebsten umbringen würde, weil der BMI den eines Besenstiels übersteigt, wer vor allem cool und sexy gucken lernt, also die Darstellung von Souveränität, hat einige Hindernisse auf dem Weg zu echter Souveränität zu meistern. Weiblicher Selbsthass grassiert nach wie vor. Interesse an Politik wird von Mädchen und Frauen immer noch weniger erwartet als von Jungen und Männern. Zwar gibt es mittlerweile immer mehr, die sich freigemacht haben von den verqueren Rollenerwartungen, die überall lauern. Aber die Tendenz ist immer noch signifikant: Frauen informieren sich weniger über Politik, sie wissen weniger, und dementsprechend bleibt Politik ihnen fremd. Dem Manne der Staat, der Frau die Familie: Kinder, Küche, Konsum.
Einen Schub für die Frauenrechte gab es immer dann, wenn die Zahl der Frauen im Bundestag angestiegen war. Mit den hälftig quotierten Grünen und der SPD-Quote ab 1988 waren sie endlich aus dem 8-Prozent-Ghetto im Bundestag ausgebrochen. Und nun kamen Themen auf den Tisch, die Männer gern unter diesem belassen hätten: häusliche Gewalt, Vergewaltigung in der Ehe. Mit den Ostfrauen wurde nach der Wiedervereinigung zumindest die völlige Abschaffung der DDR-Fristenregelung verhindert, die die Union herbei klagen wollte - und der Ausbau der Kinderbetreuung gestartet. Eine Quote für Aufsichtsräte? Undenkbar ohne eine parteiübergreifende Koalition der Frauen.
Ohne die Parteiquoten hätte nicht einmal das geklappt. Und deshalb ist die Forderung nach Parität richtig. Quoten in der männerzentrierten Politik führen zwangsläufig zu dem Lamento, man finde keine Frauen. Aber dieser Mangel wiederum führt dazu, dass man die Hürden für Frauen wahrnimmt und beseitigt. Und das führt dazu, dass mehr Töchter Mütter haben, die Politikerinnen sind. Und ganz, ganz langsam würde ein weiteres Stückchen "Sklavinnenmentalität" abgebaut. Und das wäre nicht schlecht für die Demokratie, die ohne so viel Souveränität wie möglich für so viele Menschen wie möglich einfach keine ist.