Antifeministische Männerrechtler suchen Akzeptanz in bürgerlichen Kreisen. Wo es an Aufklärungsarbeit mangelt, hat diese Strategie manchmal Erfolg. Jüngstes Beispiel ist ein wenig genderdialogischer Trennungsväter-Verein, der sechsstellige Fördergelder aus dem Etat des Frauen- und Familienministeriums erhalten soll. Ein Versehen? Was steckt hinter diesem Skandal?
Mimikry bedeutet laut Fremdwörterduden “Nachahmung”. Der zoologische Begriff steht für eine “Schutztracht wehrloser Tiere, die in Körpergestalt und Färbung wehrhafte oder anders geschützte Tiere” imitieren. Diese Taktik vermeintlich Wehrloser funktioniert auch in der Politik, genutzt hat sie gerade eine Gruppe von Väterrechtlern. Sprachlich gut getarnt als “Forum Soziale Inklusion”, präsentiert diese sich auf den ersten Blick gemäßigt. Bei genauem Hinsehen aber wird klar, dass sie die Gleichstellungspolitik der Bundesregierung radikal ablehnt.
Die nach langem Konferieren unaufmerksamen Mitglieder im Haushaltsausschuss des Bundestages wurden Ende November übertölpelt. Im Posten 68426, der den bürokratischen Titel “Zuschüsse und Leistungen für laufende Zwecke an Träger und für Aufgaben der Gleichstellungspolitik” trägt, sagte man dem antifeministischen Verein für 2021 einen Betrag von 400.000 Euro zu. Auf die Liste der zu unterstützenden Institutionen gesetzt hat ihn der CSU-Abgeordnete Florian Oßner aus dem Wahlkreis Landshut. Dass auch die Profiteure seines Handelns aus Bayern kommen, ist wohl kein Zufall.
Die Mimikry-Strategie suggeriert eine Verankerung in der Mitte der Gesellschaft. Maskulinistische Zusammenschlüsse nennen sich zum Beispiel, scheinbar unverfänglich, “Geschlechterpolitische Initiative” oder “Arbeitsgemeinschaft zur Verwirklichung der Geschlechterdemokratie”. Die nur aus wenigen Minigruppen bestehende “Interessengemeinschaft Jungen, Männer und Väter” (IG JMV), an deren Gründung das “Forum Soziale Inklusion” wesentlich beteiligt war, ist für Laien - und offenbar auch für politische Profis, die staatliche Mittel verteilen - schwer zu unterscheiden von dem auf viel breiterer Basis stehenden, mit dem Deutschen Frauenrat kooperierenden Bundesforum Männer und seinen 31 Mitgliedsverbänden. Die gesamte Jahresförderung dieser tatsächlich dialogisch orientierten männerpolitischen Akteure ist ungefähr so hoch wie die jetzt dem “Forum” zugesagte Summe.
Systematische Täuschung und das Provozieren von Verwechselungen gehören zum maskulinistischen Kalkül. Die Tarnnamen sollen harmlos wirken, noch besser progressiv und aufklärerisch - obwohl in den Gruppen zahlreiche Antifeministen mitarbeiten. Sie reden von “Freiheit”, “Zivilgesellschaft” oder gar einer “neuen Bürgerbewegung”, doch vor allem die Statements im Netz machen den ideologischen Kontext deutlich, in dem sich die Anhänger*innen dieser Vereinigungen verorten. Wie im Rechtspopulismus deuten sie emanzipatorische Begriffe nur um, vertreten aber rückwärts gewandte politische Positionen.
Das jetzt großzügig mit Steuergeldern bedachte “Forum Soziale Inklusion” zum Beispiel verfolgt keineswegs das Ziel, die Teilhabe von Kindern mit Handikap im regulären Schulbetrieb zu fördern - wie das dafür gebräuchliche Wort ”Inklusion” nahelegt. Kernanliegen des Vereins ist vielmehr, und das ist auf der Webseite schnell zu erkennen, die Forderung nach mehr Rechten für Scheidungsväter, denen der Zugang zu ihren Kindern erschwert wurde. Im Einzelfall mag sich hinter der so beklagten “Exklusion” tatsächlich ein persönliches Drama verbergen, zu dem auch die früheren Partnerinnen der betroffenen Männer beigetragen haben. Doch viele der in diesem Bereich agierenden Interessenverbände sind dezidiert frauenfeindlich und gegen eine angeblich weiblich dominierte Familiengerichtsbarkeit ausgerichtet.
Prahlerei und Selbstüberschätzung
Die Mimikry beschränkt sich nicht auf die Sprache. Jenseits des Internets, im realen öffentlichen Raum, bemühen sich antifeministische Männerrechtler immer wieder um Kooperationen mit etablierten, aber schlecht informierten Institutionen. 2018 zum Beispiel gelang eine Zusammenarbeit mit der Konrad-Adenauer-Stiftung bei einer Tagung in Rheinland-Pfalz. 2015, 2017 und 2019 veranstalteten maskulinistische Gruppen in Nürnberg einen so genannten “Gender-Kongress”, dessen Vorankündigung im Netz von Prahlerei und Selbstüberschätzung nur so strotzte. Die großspurigen, an Fakenews grenzenden Infos, welche Dutzende von unterstützenden Organisationen, Tausende von Teilnehmenden und großstädtische Messegelände als Treffpunkte versprachen, lösten sich am Ende weitgehend in Luft auf. Auffällig war stets die Einladung an die lokale Politprominenz, wohlwollende Grußworte zu sprechen. Als sich in den angefragten Parteien nach entsprechenden Warnungen herumsprach, dass der Tagungstitel ein Euphemismus ist, es also eher um einen “Anti-Gender-Kongress” ging, hagelte es Absagen.
Das nächste Treffen dieser Art ist für Oktober 2021 in Erfurt anvisiert. Gerd Riedmeier, der Vorsitzende des “Forum Soziale Inklusion”, hielt beim ersten “Gender-Kongress” laut Programm einen Vortrag. Die jetzt im Haushaltsplan zugesagten Gelder könnte der Verein für das Durchführen der geplanten Veranstaltung beantragen. Ob das Projekt bewilligt wird, hängt jedoch von der Prüfung durch die zuständige Abteilung im Frauen- und Familienministerium ab. Mögliche Zahlungen an die Maskulinisten können also noch verhindert werden, wenn sie den Förderrichtlinien widersprechen. “Das BMFSFJ sieht die inhaltliche und politische Ausrichtung des Vereins kritisch, insbesondere ist eine antifeministische Haltung nicht mit einer partnerschaftlichen Gleichstellungspolitik zu vereinbaren”, heißt es in der knappen, aber eindeutigen Antwort einer Sprecherin auf schriftlich gestellte Fragen. Zudem wird betont, dass das Ministerium “in die Entscheidung des Haushaltausschusses nicht einbezogen” war und die bewilligte Summe wird in Relation zur Förderung des Bundesforum Männer als “nicht verhältnismäßig” bezeichnet.
In der von Übermüdung geprägten Nachtsitzung des Haushaltsausschusses versagte offenbar die parlamentarische Kontrolle. Grüne und Linkspartei haben nicht aufgepasst, sich von der maskulinistischen Verschleierungstaktik täuschen lassen. Der Linke Michael Leutert entschuldigt sich im Nachhinein, dass nun “Initiativen gefördert werden, die zwei Namen haben: einen, mit dem sie Geld akquirieren und einen, mit dem sie in die Öffentlichkeit treten und unsere Institutionen und Werte angreifen”. Ulle Schauws von der Grünen-Fraktion spricht von einem “frauenpolitischen Tiefschlag”, der “nicht zu erklären sei”.
Besonders peinlich ist das Verhandlungsergebnis für die SPD. Die Abgeordnete Josephine Ortleb, Mitglied im für Gleichstellung zuständigen familienpolitischen Ausschuss, will sich dazu auf Anfrage nicht äußern. Während man bei einigen Beteiligten aus der CDU/CSU vermuten kann, dass Vorsatz im Spiel war, hat sich der Koalitionspartner peinlicherweise hinters Licht führen lassen. Deutlich wird einmal mehr, wie wichtig die Aufklärung von entscheidungstragenden Personen über das maskulinistische Verwirrspiel ist. Wer in der Politik, in Stiftungen, Forschungsinstituten, Nichtregierungsorganisationen oder Hochschulen mit antifeministischen Akteuren zu tun hat, muss das Mimikry-Spiel durchschauen.