Bevölkerungspolitik: Zwischen selbstbestimmter Familienplanung und selektiver Geburtenkontrolle
Im Jahr 2021 leben etwa 7,8 Milliarden Menschen auf der Erde. Während vielerorts die Geburtenraten sinken, verzeichnen andere Regionen ein stetiges Bevölkerungswachstum. Bevölkerungspolitik beschreibt Maßnahmen, die die Veränderung der Größe und Zusammensetzung der Bevölkerung eines Staates zum Ziel haben. Dafür greifen staatliche Institutionen durch Gesetze, Programme oder Kampagnen direkt oder indirekt in das reproduktive Verhalten der Einwohner*innen ein. Man kann hierbei zwischen pronatalistischen, also geburtenfördernden, und antinatalistischen, also geburtenverringernden Maßnahmen unterscheiden.
Während im Globalen Norden die Geburtenraten angekurbelt werden sollen, zielen Programme der sogenannten Entwicklungshilfe im Globalen Süden auf Geburtenreduktion. Dabei wird häufig ein Zusammenhang zwischen Bevölkerungswachstum und Armut bzw. Ressourcenknappheit hergestellt, anstatt die ungerechte Verteilung von Reichtum und Ressourcen in den Blick zu nehmen. Bis in die 1990er Jahre folgten internationale Bevölkerungskonferenzen vorrangig dem Primat der Bevölkerungsreduktion im Globalen Süden. Das Jahr 1994 der UN-Konferenz über Bevölkerung und Entwicklung in Kairo markiert den Beginn eines sich bis heute vollziehenden Paradigmenwechsels. Sexuelle und reproduktive Rechte wurden erstmals als Menschenrechte anerkannt.
Der sogenannte „Konsens von Kairo“ – das Bündnis zwischen Frauengesundheits NGOs und dem sogenannten population establishment gilt als Bruch mit der rein quantitativen und neomalthusianischen Bevölkerungspolitik durch den Globalen Norden. Viele Feminist*innen und Aktivist*innen aus den betroffenen Regionen sehen in diesem Konsens jedoch eine Verschleierung der bevölkerungspolitischen Kontinuitäten mit feministischem Anstrich. Fest steht Bevölkerungspolitik und sexuelle und reproduktive Rechte und Gesundheit bleiben global umkämpft.
Dieser Artikel erschien zuerst hier: boell.org