Als öffentlich präsente linke Frau wird Veronika Bohrn Mena immer wieder von Rechtsaußen attackiert. Im Interview mit Veronika Kracher spricht Bohrn Mena über ihre politische Bildungsarbeit und die aktuelle Situation in ihrem Heimatland Österreich.
![Veronika Bohrn Mena Weiblich gelesene normschöne Person blickt freundlich in die Kamera. Sie hat lange braune Haare, graugrüne Augen, ist weiß und etwa mitte Dreißig. Ich Kopf ist leicht geneigt und sie wirkt einladend bis auffordernd fröhlich.](/sites/default/files/styles/var_desktop/public/2025-02/veronika-born-mena-_mg_9770-bearbeitet-cmichaelmazohl-1024x1536_0.jpg.jpg?itok=yN_uXKPS)
Der politische Ton in den letzten Jahren wird zunehmend rauer: in den Parlamenten, in der Presse, auf der Straße und auch im digitalen Raum. Gerade öffentlich präsente marginalisierte Menschen sehen sich zunehmend mit Hassrede und Gewalt konfrontiert. Die politische autoritäre Wende dient den Täter*innen als vermeintliche Legitimation ihrer Angriffe. In Österreich ist die FPÖ selbst regelmäßig Brandstifter, wenn es um Hetze bis hin zu langfristigen Kampagnen gegen politische Gegner*innen geht. Eine von ihnen ist Veronika Bohrn Mena, die mit ihrer Stiftung COMÚN politische Bildungsarbeit leistet und progressive Aktivist*innen unterstützt. Deswegen wird sie seit Jahren konsequent von Rechtsaußen attackiert. Veronika Kracher hat mit ihr gesprochen über die Arbeit als öffentlich präsente linke Frau in einem Land zu leben, das voraussichtlich bald von einem rechtsradikalen Kanzler regiert wird.
Veronika Kracher: Liebe Veronika, du betreibst in Österreich die gemeinnützige antifaschistische Stiftung COMÚN, leistest Demokratiearbeit und hast drei Bücher publiziert. Danke, dass du dich zu dem Gespräch bereit erklärst! Wann hast du begonnen, politisch tätig zu werden?
Veronika Bohrn Mena: Mit Anfang 20 ungefähr. Als ich 23 war, wurde das Alter für den Empfang von Studierendenbeihilfe in Österreich gekürzt: von 27 auf 24 Jahre. Als Person, die auf dem zweiten Bildungsweg studiert hat, war ich darauf angewiesen, dass diese Beihilfe nicht gekürzt wird. Dann habe ich an den Studienprotesten teilgenommen.
VK: Mit deiner Stiftung COMÚN setzt du dich gegen Faschismus und für Demokratie ein. Wie sieht eure Arbeit konkret aus?
VBM: Unsere Arbeit erfolgt auf mehreren Ebenen: Auf der einen Seite haben wir Bewusstseinsbildung wie das Verfassen von Artikeln und Büchern und die Organisation von Vorträgen, Lesungen und Workshops. Dann haben wir auch konkrete Projekte wie den „Gegenrechtsschutz“, welches ich zusammen mit Natascha Strobl organisiere. Damit schützen wir Journalist*innen, Forscher*innen und Aktivist*innen, die von rechten Akteur*innen angegriffen oder verklagt werden. Außerdem unterstützen wir so antifaschistische Rechercheprojekte, zum Beispiel eine Analyse, wie die radikale Rechte die Proteste gegen Corona genutzt hat, um ihre Inhalte weiter zu verbreiten. Wir unterstützen auch die Organisation der Gedenkveranstaltung zum 12. Februar finanziell, einer Gedenkveranstaltung für den Widerstand gegen den Austrofaschismus und in Gedenken an diejenigen, die im Kampf dagegen ermordet worden sind.
Ich kriege regelmäßig Post an die Stiftungsadresse, zum Beispiel eine aus Zeitungsschnipseln gebastelte Collage, auf der dargestellt wird wie unser Haus angezündet wird und explodiert.
VK: Es gibt kaum Demokratiearbeit und gemeinnützige Stiftungsarbeit in Österreich. Wieso gibt es das so wenig?
VBM: Wir haben im Gegensatz zu Deutschland keinen Demokratiefördertopf. Deswegen gibt es leider auch wenige NGOs, die in dem Bereich tätig sind, weil sie auf öffentliche Fördermittel angewiesen sind. Es gibt Organisationen wie die „Offensive gegen Rechts“, welche die große Demonstration gegen den Wiener Akademikerball organisiert, wo sich rechtsradikale Burschenschaften aus ganz Europa treffen, aber da geht es um diese eine große Demonstration, die einmal im Jahr stattfindet. Was es aber weniger gibt ist die langfristige und dauerhafte Unterstützung und der Schutz einzelner Akteur*innen. COMÚN kümmert sich beispielsweise um Personenschutz bei Veranstaltungen, Rechtshilfe für Menschen, die mit Hass im Netz konfrontiert sind oder freie Journalist*innen, die antifaschistische Recherchearbeit leisten und mit Klagen bedroht oder von rechts unter Druck gesetzt werden, und die als Freie nicht den strukturellen Support von zum Beispiel einer Zeitungsredaktion haben. Wir unterstützen Einzelpersonen und kleine Organisationen darin, ihre unglaublich wichtige Arbeit machen zu können.
VK: Österreich wird demnächst mit Herbert Kickl einen offen rechtsradikalen Bundeskanzler haben. Wie wird sich das auf eure Arbeit auswirken?
VBM: Herbert Kickl hat sich in der Vergangenheit bereits an Natascha Strobl und mir abgearbeitet, zum Beispiel durch parlamentarische Anfragen an mehrere Minister*innen, welche Förderung wir bekommen haben. Dies ist dann auch veröffentlicht worden! Es wurden Pressesendungen angefertigt, in denen detailliert aufgeschlüsselt worden ist, wieviel öffentliche Gelder wir die letzten drei Jahre erhalten haben. COMÚN hat sehr viel organisiert, unter anderem Großveranstaltungen mit über 2000 Besucher*innen. Für all unsere Arbeit haben wir die letzten Jahre 200.000 Euro erhalten, so viel ist das nicht. Daraus hat dann die FPÖ gemacht, mein Mann und ich würden von öffentlichen Geldern leben. Bei jeder Veranstaltung, die wir organisieren, zum Beispiel unserer Podiumsdiskussions-Reihe „Umkämpfte Demokratie“ (unter anderem mit Oliver Nachtwey, Annika Brockschmidt oder Markus Sulzbacher), gibt es empörte Pressemeldungen der FPÖ, in denen sie sich darüber echauffieren dass wir öffentliche Gelder bekommen. Dazu kommen Angriffe auf unsere Familien und das private Umfeld. Gerade die haben das Ziel, uns zu verunsichern und zu zermürben, da arbeitet die FPÖ mit mentalem Druck.
Bisher hat die Partei aus der Opposition agiert, jetzt wird sie voraussichtlich die regierende Partei. Die Gefahr besteht, dass sie Informationen aus dem Innenministerium gegen uns verwenden. 2018 hatte der Bundespräsident Alexander van der Bellen den damaligen Innenminister Herbert Kickel entlassen, da dieser eine illegale Razzia gegen die Staatsschutz-Abteilung gegen Rechtsextremismus gestartet hatte. Dort wurde unter anderem rechtswidrig eine Festplatte der Referatsleiterin für Extremismus kopiert. Es wird spekuliert, dass Kickl diese sensiblen Informationen Rechtsradikalen zugespielt hatte. Wenn er das als Innenminister getan hat, was wird wohl passieren, wenn er erst Kanzler ist? Wegen dieser Razzia haben übrigens ausländische Geheimdienste aufgehört, mit Österreich zusammen zu arbeiten.
Und bei Kritik behauptet Kickl übrigens, die anderen Parteien (er bezeichnet sie als „Einheitsparteien“) und die Medien hätten sich verschworen, der FPÖ zu schaden.
... bitte trivialisiert in Deutschland nicht, wie schlimm die Lage ist. Nehmt die Gewalt, die Menschen wie mir widerfährt ernst, auch wenn sie „nur“ digital ist, und bekämpft sie.
VK: Du wirst für deine Arbeit regelmäßig von Rechts angegriffen. Wann hat das angefangen? Wie äußern sich die Anfeindungen gegen dich? Gibt es Akteur*innen, die sich wiederholt und langfristig an dir abarbeiten? Wie lebt es sich als öffentlich sichtbare Antifaschistin in Österreich?
VBM: Wie bringe ich das auf den Punkt, das ist so viel! Da sind Hass-Kommentare und Mails mit willkürlichen Beschimpfungen. Mord- und Vergewaltigungsdrohungen, Drohungen gegen mein Kind mit obszönen und vulgären Kommentaren wie „Du solltest von 20 Arabern vergewaltigt werden“ und sehr explizite Darstellungen sexualisierter Gewalt wie „man sollte dir die Brüste abschneiden“. Ich kriege regelmäßig Post an die Stiftungsadresse, zum Beispiel eine aus Zeitungsschnipseln gebastelte Collage, auf der dargestellt wird wie unser Haus angezündet wird und explodiert. Ich habe auch einige Zeitlang an die Stiftungsadresse Postkarten geschickt bekommen, bei denen mein Gesicht auf Porno-Darstellungen geklebt worden ist. Einmal wurde uns auch ein totes Tier in einem Paket geschickt. Es war schon so verwest, dass man nicht mehr erkennen konnte, was für ein Tier es war, überall waren Maden! Oder ein Paket mit Kot, der in Frischhaltefolie gewickelt und Luftpolsterfolie verpackt worden ist. Wenn ich in einer Fernsehsendung auftrete, folgen da sofort Kommentare im Stil von mit wem ich denn geschlafen hätte, um dort zu sitzen, oder Mails an die Redaktionen, mich nicht mehr einzuladen.
Bei meinem Mann, der ebenfalls politisch aktiv ist und aus Chile stammt, sind die Kommentare immer rassistischer Natur, bei mir sind sie immer frauenfeindlich. Wir haben auch eine Melderegistersperre, das ist leider nötig.
VK: Wie verhält sich die Polizei diesbezüglich?
VBM: Die Polizei nimmt die Bedrohungslage ernst und gibt sich alle Mühe zu ermitteln. Es sind leider selten Fingerabdrücke auf den Briefen und Postkarten. Daran merkt man, dass es Menschen gibt, die sich wirklich in ihrem Hass festbeißen.
Die Unterstützung kann auch ganz niedrigschwellig sein: Konfrontiert Leute auf Social Media, wenn sie Hasskommentare schreiben und ignoriert das nicht – vor allem wenn ihr kleinere und anonyme Accounts betreibt.
VK: Wie wirken sich diese Angriffe auf deine Psyche und dein Leben allgemein aus? Was tust du, um Resilienz aufzubauen und dich zu schützen?
VBM: Der Hass, mit dem ich seit gut sieben Jahren konfrontiert bin, ist Teil meines Alltags geworden. Ich habe eine Zeitlang so viele Morddrohungen, erhalten, dass ich nur unter Polizeischutz das Haus verlassen konnte, ich saß also mit Polizeischutz mit meinem Kind am Spielplatz. Ich würde abends keine öffentlichen Verkehrsmittel verwenden oder alleine nach Hause oder an einen anderen Ort gehen. Ich setze mich auch abends nicht mehr, wie früher, alleine in ein Lokal. Nicht mehr im Dunkeln alleine raus gehen zu können, ist eine große Einschränkung. Für mich ist es auch normal, ein Pfefferspray im Auto und ein Alarmton-Gerät am Schlüsselbund zu haben. Ich weiß, wo Identitäre oder Burschenschaften ihre Verbindungshäuser, Büros und Kneipen haben, diese Gebiete meide ich auch tagsüber. Gut, ich bin inzwischen auch Ende 30 und habe Kinder, das bedeutet ich gehe nicht mehr so oft aus wie früher (lacht), und ich wohne mit meinem Mann zusammen, bin also auch nicht alleine zu Hause. Aber ich muss oft an Marie-Louise Kellermayr (eine österreichische Ärztin, die von Corona-Leugner*innen in den Suizid gemobbt worden ist) denken, die alleine gelebt hat, weniger Schutz hatte und deshalb vulnerabler war.
VK: Wie können Menschen in Deutschland eure Arbeit unterstützen?
VBM: Unterstützt unsere Gegenrechtsschutz-Initiative! Und bitte trivialisiert in Deutschland nicht, wie schlimm die Lage ist. Nehmt die Gewalt, die Menschen wie mir widerfährt ernst, auch wenn sie „nur“ digital ist, und bekämpft sie. Denn wenn die Täter keine Gegenwehr bekommen, gehen sie davon aus, dass das, was sie machen, legal oder legitim ist. Sie radikalisieren sich dann immer weiter, bis alle Dämme brechen und sie glauben, sie könnten sich alles an Gewalt erlauben. Als die FPÖ und ÖVP begonnen haben, politisch zu kooperieren, hat das zu einem Anstieg rechter Gewalt geführt. Ihnen wurde das Gefühl gegeben, sie könnten ihrem Hass gegen die „Woken“ oder Antifaschist*innen jetzt freien Lauf lassen. Das darf nicht hingenommen werden.
Die Unterstützung kann auch ganz niedrigschwellig sein:
Konfrontiert Leute auf Social Media, wenn sie Hasskommentare schreiben und ignoriert das nicht – vor allem wenn ihr kleinere und anonyme Accounts betreibt. Mir ist aufgefallen, dass Gegenwehr im Netz über die Jahre immer weniger geworden ist, rechte Hetze scheint nur Normalität geworden zu sein. Rechter Hass ist so omnipräsent, weil Menschen im Internet und darüber hinaus nicht mehr reagieren – und das gibt den Rechten dann das Gefühl, dass ihr Hass geduldet wird. Also: unterstützt Menschen, die von rechter Hetze betroffen sind, lasst Menschenfeindlichkeit im Netz nicht stehen, spendet an progressive Projekte, nehmt die faschistische Bedrohungslage ernst.