Die neue Kampagne von ARD und ZDF „Freie Medien für freie Meinungen“ erfährt massiven Protest. So sind zum Beispiel auf den Werbeplakaten nur Männer verschiedenen Alters abgebildet, keine einzige Frau ist zu sehen. Damit werden Frauen in der Kampagne klar als Teilnehmerinnen an öffentlicher Meinungsbildung und -rezeption ausgeschlossen. Viele zeigten sich darüber entsetzt. So lässt zum Beispiel der Journalistinnenbund in einem Brief an die ARD-Vorsitzende Monika Piel und den ZDF Intendanten Thomas Bellut verlauten, dass mit der ARD-ZDF Initiative „die Hälfte all der Menschen, die sich für freie Medien und freie Meinungen einsetzen könnten, weder repräsentiert noch angesprochen“ werde. Auch der Deutsche Frauenrat empörte sich in einem Brief und forderte die „unverzügliche Änderung oder Einstellung der Kampagne“.
Der Brief in vollem Wortlaut:
Berlin, 20. November 2012
Kampagne „Freie Medien für freie Meinungen“
Nur für Männer?
Sehr geehrte Frau Piel, sehr geehrter Herr Dr. Bellut,
Sie zeichnen verantwortlich für die Kampagne „Freie Medien für freie Meinungen“, mit der der neue Rundfunkbeitrag den Bürgerinnen und Bürgern nahegebracht werden soll. In diesem Fall geht der Versuch jedoch gründlich daneben: Anscheinend sprechen Sie nur die Hälfte der Bevölkerung (besser gesagt 48 Prozent und eine Bundeskanzlerin) an.
Der Vorstand des Deutschen Frauenrates protestiert im Namen seiner 56 Mitgliedsvereine und -verbände mit Nachdruck dagegen, dass Sie unsere Gebühren für eine solch ignorante und patriarchale Kampagne verschwenden.
Wir fordern Sie auf, dass Sie diese zügig ändern oder einstellen.
Möglicherweise sind Ihnen bzw. Ihren Auftragnehmern (Auftragnehmerinnen sind es wohl nicht gewesen?) Ihre eigenen Werbesprüche bei einer Überarbeitung ja sogar hilfreich:
Wenn ARD und ZDF genauer hinhören wollen, dann nehmen Sie bitte Frauen auch zur Kenntnis!
Wenn Sie Informationen auf Augenhöhe produzieren und verbreiten wollen, müssen Sie das ebenfalls für die „andere Hälfte“ tun – und öffentlich zeigen.
Möchten Sie nachhaltig wirken? Dann richten Sie Ihre Kampagne an diejenigen, die für das, was die Kinder zu Hause sehen, verantwortlich sind.
Und finden Sie das unbequem: vier (weiße) Männer!?
Entsetzt hat uns geradezu das Quiz, bei dem dreißig Namen zur Wahl für die Zuordnung von zehn Namen stehen. Es handelt sich um 29 Männer und eine Frau – Bundeskanzlerin Angela Merkel.
Wir sind fassungslos über so viel Ignoranz und Rückwärtsgewandtheit.
Haben Sie als Verantwortliche unserer „Leitmedien“ wirklich übersehen, dass die Geschlechterquote als Topthema öffentlich verhandelt wird? Und zwar längst nicht mehr beschränkt auf die Besetzung von Aufsichtsräten und Vorständen von Unternehmen, sondern als wirksames Instrument für Chancengleichheit und Pluralismus für viele Bereiche der Gesellschaft.
Ihre Kampagne macht Frauen in einem Ausmaß unsichtbar, wie wir das seit langem nicht mehr erlebt haben, von Ihren Medien in jüngerer Zeit nicht gewohnt sind. Im Übrigen erwarten wir gerade von den „Öffentlichen“, dass das nicht mehr stattfindet. Hier setzen Sie sich jedoch über Ihren zentralen Auftrag, nämlich Meinungsvielfalt und Chancengleichheit zu gewähren, hinweg.
Ihre Kampagne blendet die aktuelle Debatte über Chancengleichheit und Pluralismus aus. Bitte ändern Sie dies unverzüglich – im Sinne von Millionen von Frauen als Ihre Zuschauerinnen und Zuhörerinnen. Wir versichern Ihnen:
Es lohnt sich für Sie, die ganze „erste Reihe“ in den Blick zu nehmen, denn dann „sieht man besser“.
Mit freundlichen, wenn auch verärgerten Grüßen
Hannelore Buls
Vorsitzende
- die ARD-ZDF Kampagne im Netz
- der deutsche Frauenrat zum Thema
- Brief des Journalistinnenbundes an ARD und ZDF (inklusive Antwort von Thomas Bellut)