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L'homme n'existe pas. Die Uni Leipzig greift die symbolische Ordnung an

Feministischer Zwischenruf

Die Feminazis haben zugeschlagen. In einer altehrwürdigen Institution des deutschen Geistes. Sogar die Süddeutsche Zeitung spricht von einem „autoritären Umerziehungsprogramm“, das hinter der Entscheidung stecke.

Vorlesung in der Universität
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Universitätshörsaal: In der Grundordnung der Uni Leipzig wird demnächst das generische Femininum stehen: Professorinnen statt Professoren.

Die Feminazis haben zugeschlagen. In einer altehrwürdigen Institution des deutschen Geistes. Sogar die Süddeutsche Zeitung spricht von einem „autoritären Umerziehungsprogramm“, das hinter der Entscheidung stecke. Die Rektorin soll zurücktreten, das fordern anderthalbtausend Menschen auf Facebook. Der Dekan der juristischen Fakultät weigert sich, die Beschlusslage anzuerkennen – eine Revolution in Juristenkreisen. Was ist passiert?

In der Grundordnung der Uni Leipzig wird demnächst das generische Femininum stehen: Professorinnen statt Professoren. Wohlgemerkt: in keinem anderen Schriftstück, in keiner mündlichen Anrede, nur in der Verfassung der Universität. Vorgeschlagen hat das nicht die Rektorin Beate Schücking. Beantragt hat es ein Physikprofessor. Und der Akademische Senat hat zugestimmt.

Heide Oestreich ist Redakteurin der taz, die tageszeitung und betreut dort vor allem die Geschlechter- und Gesellschaftspolitik. 2004 erschien von ihr das Buch "Der Kopftuchstreit. Das Abendland und ein Quadratmeter Islam". 2009 wurde sie vom Journalistenverband Berlin Brandenburg für ihre langjährige Berichterstattung über unbewußte Geschlechterklischees mit dem Preis "Der lange Atem" ausgezeichnet.

Natürlich kommt es unserem Gerechtigkeitsempfinden näher, die männlichen und weiblichen Formen zu berücksichtigen: Professoren/Professorinnen. Das aber war den Juristen der Uni Leipzig zu anstrengend. Noch besser wäre es, andere oder gar keine Geschlechter mit einzubeziehen, wie es manche Menschen mit dem Gender_Gap beabsichtigen oder mit einem Sternchen*. Undenkbar für die akademische Elite. Die weibliche statt der männlichen Form zu nutzen, ist dagegen eine simple Umkehrung eines Machtverhältnisses, das kann nicht das Ziel einer Sprachreform sein.

So weit so klar. Zwei Sachverhalte aber machen die Idee trotzdem auf eine gewisse Art attraktiv. Die eine ist, dass Männer mal erfahren, wie es ist, wenn man nur „mitgemeint“ wird. In eine Fußnote verbannt wird. Nicht genau zu wissen, wenn da „Professorinnen“ steht, ob dabei auch das eigene Geschlecht einbezogen ist oder doch einfach vergessen wurde. Sind die Professorinnen so viel wichtiger als die Professoren, dass nur sie die übergeordnete Kategorie bilden? Wie überaus unangenehm.

Und damit sind wir beim zweiten Sachverhalt. Der Shitstorm, der über die Uni Leipzig hereinbrach hat alle Anzeichen einer „moral panic“, wie die Soziologie es nennt. Da geschieht eine winzige Änderung – und eine riesige Menschenmenge gerät aus dem Häuschen. Das liegt daran, dass die symbolische Ordnung verletzt wurde. Und die symbolische Ordnung ist traditionell männlich.

Es kommt nicht von ungefähr, dass wir uns in einer patriarchalen Sprache ausdrücken müssen. Es kommt auch nicht von ungefähr, dass gerade viele Berufsbezeichnungen und Nationen gern männliche Formen als übergeordnete Kategorien verwenden: Ärzte, Professoren, Juristen, die Akademiker hierzulande waren Jahrhunderte lang nur Männer. Erst 1908 durften Frauen erstmals studieren. Engländer, Franzosen, Spanier: Das volle Bürgerrecht hatten zunächst nur Männer. Maler, Handwerker, Goldschmiede: Aus den meisten Zünften waren Frauen ausgeschlossen. Der Psychoanalytiker Jacques Lacan ging so weit zu sagen, dass die Frauen in unserer symbolischen Ordnung quasi nicht vorkommen: „La femme n'existe pas“.

Die männliche Dominanz aber wird nun schon einige Jahrzehnte heftig herausgefordert. Verunsicherte Männer bilden Abwehrbollwerke gegen das Aufholen der Frauen, die sich nun immer öfter und immer lautstärker zu Wort melden. Wenn nun „der Professor“, und sei es nur in einem Schriftstück, ganz getilgt wird, ist das für sie ein symbolischer Mordversuch: „moral panic“ kommt auf. Dass Frauen dagegen allzu oft in unserer symbolischen Ordnung nicht existieren, das macht ihnen natürlich gar nichts aus.

Die Linguistin Luise F. Pusch hat vor vielen Jahren einmal geschrieben: „Weibliche Bezeichnungen sind für Männer genauso untragbar wie weibliche Kleidungsstücke.“ Denn mit dem Abhandenkommen ihrer „Männlichkeit“ sehen sie vor allem ihre Dominanz schwinden. Frauen in Hosen: na gut. Männer im Rock: undenkbar, denn eine Verweiblichung gilt nun mal als kuriose Verkleinerung – eben lächerlich.

Und das ist das Interessante an dieser Umwertung der Uni Leipzig: Wir können uns mal eine Weile Männer im Rock vorstellen – und darüber sinnieren, was die Sprache über unser Denken verrät. Das war es allemal wert.

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