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Medienwissenschaftlerinnen untersuchen arabische Online-Netzwerke

Lesedauer: 3 Minuten

Digitale Medien und politischer Widerstand

Digitale Netzwerke
wurden in den letzten Wochen immer wieder als wichtige Instrumente
zur Organisation der gegenwärtigen Proteste in arabischen Ländern
genannt. Doch der Beitrag dieser Netzwerke zur Politisierung ist noch
viel größer, wie die Klagenfurter Medienwissenschaftlerinnen
herausgefunden haben.

Am Institut für
Medien- und Kommunikationswissenschaft
werden in Kooperation mit
den Universitäten Hamburg-Harburg, Bremen, Münster und unter
Leitung von Christina Schachtner digitale Netzwerke weltweit
untersucht. Das groß angelegte Forschungsprojekt mit dem Titel
‚Subjektkonstruktionen und digitale Kultur’ (Laufzeit 2009 –
2012) wird vom FWF und der VW-Stiftung gefördert. Das vierköpfige
Klagenfurter Forschungsteam beobachtet die Aktivitäten in arabischen
Netzwerken seit 2 Jahren und hat inzwischen auch Interviews mit
arabischen Netzakteurinnen via Skype geführt.

Eines der bekanntesten
Netzwerke ist Mideast Youth, im Jahre 2006 von der damals
zwanzigjährigen Studentin Esra‘a al Shafei aus Bahrain gegründet.
Esra’a will, dass man ihren Namen nennt; das schützt sie. Sie
gründete das Netzwerk, weil sie fand: „There was a lack of freedom
of speech in the Middle East.“
Eingeladen auf ihre
Plattform hat sie junge Menschen aus den arabischen Ländern, aus
Israel; aber auch Stimmen aus dem Westen sind willkommen.

Eine junge
intellektuelle Mittelschicht traf sich online und begann, die
politische Situation in der Region zu hinterfragen. Themen wie die
Rechte von Frauen, Migranten, Homosexuellen, die Rolle von Religionen
und Demokratiemodelle standen im Mittelpunkt. Aber auch Kampagnen
wurden gestartet, z.B. die Kampagne FreeKareem für den in Ägypten
inhaftierten Blogger Kareem, der sich regierungskritisch geäußert
hatte. Die arabische Net Generation gehört derselben Schicht an wie
die, die derzeit auf den Straßen von Tunesien, Ägypten, Jordanien,
Libyen, Jemen gegen die autokratischen Systeme aufstehen. Junge
Frauen sind online und offline in der vordersten Linie mit dabei; das
ist neu in der arabischen Welt.

Das Internet wird als
die große Möglichkeit gesehen, eine kritische Öffentlichkeit
herzustellen, in der Missstände angeprangert, aber auch politische
Träume entwickelt werden. ‚What would you do if Saudi Arabia just
had its first female president?‘ lautete die Frage, mit der eine
Diskussion gestartet wurde. Es geht der jungen arabischen Generation
nicht darum, die Werte des Westens zu kopieren, auch wenn sie
weltoffen ist. Sie wollen ihren eigenen Weg gehen. Die Traditionen
werden nicht einfach über Bord geworfen, aber sie müssen sich
verknüpfen mit dem Anspruch auf Freiheit der Rede und die
gesellschaftliche Anerkennung vielfältiger Lebensformen. Ein
27jähriger Netzakteur, der sich selbst Saudi guy nennt, würde
niemals in Facebook Bilder hochladen, die seine Mutter unverschleiert
zeigen, denn so will sie in der Öffentlichkeit nicht gesehen
werden.Die digitalen Netzwerke spielen nicht nur eine zentrale Rolle
für die Organisation des Protests, sondern auch für die kollektive
Meinungsbildung. Die Mächtigen haben das als Risikopotenzial
erkannt. Mideast Youth ist in diesen Tagen ständig von der Zensur
bedroht und immer wieder passiert es, dass die Seite nicht mehr
aufgerufen werden kann.Univ.

Prof. DDr. Christina
Schachtner, Institut für Medien-und Kommunikationswissenschaft an
der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt, A-9020 Klagenfurt,
Universitätsstr.65–67, T. 00434632700-1803

Research team: Mag.
Nicole Duller
, Katja Ošljak, media and communication
studies (MA),
Univ. Prof. DDr. Christina
Schachtner
, Mag.
Heidrun Stückler

Quelle: Pressemitteilung

Siehe dazu:

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