Feminismus ist systemrelevant
Podcastreihe
Das „Organisationsprinzip unserer Gesellschaft ist auf sozialer Ungleichheit aufgebaut, auf der Ungleichheit von Geschlechtern, von Arbeitsmarktrisiken und ähnlichem, und diese Ungleichheit wird aktuell durch die Krise verstärkt.“ So fasst es zum Beispiel de Soziologin Laura Wiesböck zusammen. (4.5.2020, Kulturmontag, ORF)
Wir haben es also aufgrund der Pandemie nicht mit einer völlig neuen Situation zu tun, wohl aber mit einer ansteigenden Ungerechtigkeit, denn Krisen – das zeigen viele soziologische Studien – verstärken soziale Ungleichheiten. Es ist kein Zufall, sondern systembedingt, dass Menschen mit geringem Einkommen oder ungesicherten Aufenthaltsstatus großflächig vergessen und vielfach unter katastrophalen Bedingungen in Quarantäne gehalten wurden. Frauen, vor allem schlecht bezahlte, wurden zwar als Heldinnen der Krise gefeiert, da sie in Berufen arbeiten, die die Gesundheitsversorgung und den Einzelhandel aufrechterhalten – und darüber hinaus den Großteil der unbezahlten Care-Arbeit leisten. Doch dass ihre Lebens- und Berufssituation verbessert wird, steht nicht auf der politischen Agenda. Und auch das ist kein Zufall. Genauso wenig wie die Leichtigkeit, mit welcher der zu erwartende Anstieg der Gewalt gegen Frauen und Kinder in Kauf genommen wurde, ohne Hilfsstrukturen finanziell zu stärken oder auch nur aufrecht zu erhalten.
Wie kann mit dieser Gemengelage nun politisch progressiv umgegangen werden? Wie kommen wir dem Gleichheitsideal doch noch näher? Das erkunden wir in dieser kleinen Podcast-Reihe des GWI.
Die Pandemie und unser Umgang mit ihr haben so einige feministische Errungenschaften ins Wanken gebracht. Während vielerorts gelockert wird, gelten für Kreißsäle, Geburtsvorbereitungskurse und Nachsorge nach wie vor strenge Regeln. Obwohl Gynäkolog*innen eine priorisierte Impfung von Schwangeren fordern, vergibt die STIKO keine allgemeine Impfempfehlung. Schwangere sind häufig auf sich allein gestellt. Viele fühlen sich allein gelassen, haben Angst vor einer Geburt ohne ausreichende Begleitung, können nur digitale Angebote nutzen – Zuhause in Isolation. Vom zusätzlichen Mental Load ganz zu schweigen. Welche gesellschaftliche Verantwortung haben wir im Umgang mit Schwangeren und Gebärenden – in Krisenzeiten und darüber hinaus? Das seit Beginn der Pandemie so oft benutzte Bild des Brennglases richten wir heute auf Schwangere und ihre Strategien für eine selbstbestimmte Schwangerschaft und Geburt – trotz Pandemie.
Die Diskussion um Racial Profiling hat seit der Ermordung von George Floyd und Breonna Taylor in den USA auch in Deutschland an Fahrt aufgenommen und hat einen vorerst letzten Höhepunkt in der Absage Horst Seehofers gefunden, eine Studie zu rassistischer Polizeigewalt durchzuführen. Nach dem Motto: „Was verboten ist, findet auch nicht statt.“ Wir diskutieren mit zwei ausgewiesenen Expertinnen: zum einen Dr. Vanessa Eileene Thompson, sie ist derzeit wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Soziologie im Fachbereich Gesellschaftswissenschaften der Goethe-Universität Frankfurt. Und Dr. Pinar Tuzcu, sie ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am VW-Projekt Re:Coding Algorithm Culture, angesiedelt an der Universität Kassel.
Empfohlene Literatur:
"ALLTÄGLICHER AUSNAHMEZUSTAND. Institutioneller Rassismus in deutschen Strafverfolgungsbehörden"
"Racial Profiling. Struktureller Rassismus und antirassistischer Widerstand"
"Algorithms of Oppression. How Search Engines Reinforce Racism"
Schwangerschaften verhindern, abbrechen oder herbeiführen ist in Deutschland für die Betroffenen meist – Corona hin oder her – mit viel Zeit und Arbeit verbunden, obwohl hier jeder Tag zählt. Lockdown und das Aussetzen sog. selektiver Eingriffe machen es Menschen mit Uterus in diesen Tagen noch schwerer Zugang zu reproduktiven Gesundheitsleistungen zu erhalten. Gemeinsam mit Jane Wangari (Women in Exile) und Stephanie Schlitt (ProFamilia) möchten wir untersuchen wie sich die Pandemie-Maßnahmen auf reproduktive Rechte auswirken und gemeinsam ausloten ob die aktuelle Ausnahmesituation möglichweise auch Potential für eine progressive Gesundheitspolitik bereit hält. Das Gespräch wird auf Englisch stattfinden.