Wie Populist*innen in Ungarn gegen Geschlechtergleichstellung mobilmachen
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In seinem ersten Interview im staatlichen Rundfunk nach seinem dritten Wahlsieg in Folge im April 2018 erklärte der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán, er wolle für die nächsten 30 Jahre eine „umfassende Vereinbarung" mit den Frauen treffen. Dass er die Frauen in den Mittelpunkt seines Regierungsprogramms stellte, war eine Überraschung. Schließlich hatte Orbán zuvor erklärt, dass er sich nicht mit „Frauenfragen" befasse. Weniger überraschend ist sein Angebot an die Frauen, welches die Aberkennung ihrer Gleichberechtigung und Autonomie letztlich erneut bekräftigt: Orbán möchte, dass ungarische Frauen mehr Kinder bekommen; im Gegenzug erhalten sie dafür zusätzliche staatliche Mittel, einen Vorzugskredit sowie eine lebenslange Steuerbefreiung ab vier Kindern. Das Angebot gilt jedoch nur für Frauen unter 40, und Paare müssen verheiratet sein, um Familienkredite von über 30.000 Dollar zu bekommen, die abgeschrieben werden, wenn sie drei Kinder haben bzw. den Liquiditätsanreiz für den Kauf eines siebensitzigen Familienautos nutzen [1]. Für Orbán ist das Kinderkriegen, obgleich es eine persönliche Entscheidung sein sollte, gleichzeitig die wichtigste nationale Gemeinschaftsaufgabe und der einzige Weg, um die ungarische Hegemonie im Karpatenbecken zu sichern, den wirtschaftlichen Niedergang abzuwenden und die Islamisierung Europas zu verhindern.
Die Repolitisierung der Geschlechterpolitik steht seit Orbáns Amtsantritt im Jahr 2010 auf der politischen Tagesordnung. Ungarn steht nicht nur an vorderster Front antidemokratischer und antieuropäischer Entwicklungen in Europa; das Land ist auch Spitzenreiter, was Angriffe auf Feminismus und Geschlechtergleichstellung angeht aufgrund des radikalen, populistischen und nationalistischen Wandels [2] in Orbáns politischem Diskurs der „illiberalen Demokratie" [3].
Anhand einer systematischen Diskursanalyse von Orbáns Reden zwischen 2010 und 2018 untersucht der vorliegende Beitrag die Entstehung dieses neuen Diskurses, der nicht nur rechtspopulistisch ist, weil er sich gegen das Establishment, die Elite und Europa richtet [4], sondern auch zunehmend ethnozentrisch, weil er gegen Migrant*innen Stimmung macht. Er nutzt die christliche Religion, um sich als antiislamisch zu definieren [5] und unterstützt traditionelle Familienmodelle, konservative Werte und natalistische Präferenzen, die den Widerstand gegen Geschlechtergleichstellung und sexuelle Gleichberechtigung noch verstärken.
Diese stark familienzentrierte Rhetorik der Fidesz-Regierung führt zu einem absonderlichen Konstrukt von Geschlechterbeziehungen, bei dem die Rolle der Frau auf die biologische Reproduktion der Nation beschränkt ist. Das Ergebnis ist ein sozialer und religiöser Konservatismusdiskurs aus dem 19. Jahrhundert, der die Gleichstellung der Geschlechter in Frage stellt und sogar Geschlechterstudiengänge im Lande verbietet. Konkret werden die Bedeutung der heteronormativen Familie und die Aufrechterhaltung traditioneller Werte hervorgehoben [6], was zum (Wieder-)Aufbau eines starken Patriarchats im Namen des Schutzes der Nation führt und die Gesellschaft entlang von Klassen- und ethnischen Grenzen segregiert [7]. Auf diese Weise begünstigt Orbáns Diskurs Antifeminismus und eine staatlich geförderte, geschlechterfeindliche Mobilisierung, da der erklärte Vorrang der Nation und des nationalen Interesses vor dem Individuum nicht nur die Verabschiedung von Mehrheitsgesetzen auf Kosten von Minderheiten erleichtert, sondern auch geschlechterspezifische Normen und Praktiken beeinflusst, indem er Frauenfragen durch Familienfragen ersetzt und so Frauen sowohl im öffentlichen als auch im privaten Raum zum Schweigen verdammt.
Ich werde im Folgenden untersuchen, wie die Demontage der Geschlechtergleichstellung mit der Demontage demokratischer Institutionen in einem Land einhergeht, das einst als Vorreiter der postkommunistischen Demokratisierung galt [8].
Im ersten Teil wird es darum gehen, warum diskursive Prozesse des Othering entscheidend sind, um zu verstehen, wie Identitätsängste konstruiert werden, um radikale Veränderungen zu rechtfertigen. Danach folgt ein kurzer Abriss über die ungarische Politik, um den Diskurs des amtierenden Ministerpräsidenten zu kontextualisieren, der dann in den folgenden Abschnitten näher beleuchtet wird. Aus Orbáns Reden während seiner zweiten Amtszeit (das erste Mal im Amt war er von 1998 bis 2002) geht hervor, dass die Zeit von 2010 bis 2014 vom Diskurs über die Wirtschaftskrise geprägt war. Dieser beschwörte christliche Moralvorstellungen herauf, um Ungarns rechtschaffenden Kampf gegen ausländisches Kapital zu rechtfertigen. Die christliche Moral wiederum stellt die Gleichstellung der Geschlechter in Frage und weist den Frauen eine untergeordnete Rolle in der Gesellschaft zu. Orbáns dritte Amtszeit (2014 bis 2018) ist nicht durch eine Normalisierung seines Diskurses geprägt; vielmehr verlagert sich dieser plötzlich auf die Migrationsbekämpfung, die als kulturelle, religiöse und existenzielle zivilisatorische Bedrohung dargestellt wird. Letztlich mündet dies in eine radikalere, rechtspopulistische und fremdenfeindlich-nationalistisch-diskursive Strategie, die das antifeministische Element des Diskurses verstärkt: Frauen tragen nun allein die Verantwortung für den demografischen Niedergang Ungarns.
Am Schluss werde ich kurz skizzieren, wie Orbáns Diskurs das nationale Interesse als heilig und absolut darstellt, wobei nativistische Vorstellungen, konservative Präferenzen, traditionelle Werte, religiöser Moralismus und ethnisierter Nationalismus allesamt darauf abzielen, Frauen zum Schweigen zu bringen und geschlechter- oder homosexuellenfeindliche Mobilisierung zu stärken, was einem staatlich geförderten Antifeminismus gleichkommt.
Diskursives Othering: Das Konstrukt „unserer" Angst vor „den Anderen"
Die kollektive Identität beruht auf Definitionen von „wir" und „die Anderen", die häufig das Ergebnis diskursiver Othering-Prozesse sind, die sowohl eine Gruppe als auch ihre Feinde definieren. Die kollektive Identität entsteht durch soziale Auseinandersetzungen zwischen den Gruppen und innerhalb der Gruppen [9]. Gleichzeitig können Kategorien wie „das Volk" oder „die Anderen" so dehnbar konstruiert werden, dass sie von einigen als „leere Hüllen" bezeichnet werden [10]. Dieser Prozess der Definition und Konzeptualisierung von „wir" und „die Anderen" ist von entscheidender Bedeutung, da das Othering dazu dient, die Legitimität politischen Handelns zu rechtfertigen und folglich die Identitätsbildung sowohl für „uns" als auch für „die Anderen" zu bestimmen [11]. Wenn „der Andere“ als eine Bedrohung dargestellt wird (z.B. als sozioökonomische, kulturelle, religiöse oder kriminelle Bedrohung), führt dies zu eindeutigen Schuldzuweisungen [12]. Schuldzuweisungen können eine ausgrenzende Politik, extreme Maßnahmen oder eine Entrechtung rechtfertigen, die im Mittelpunkt illiberaler Politik stehen und den liberalen Gleichheitsgrundsatz zum Schutz der Gemeinschaft in Frage stellen. Dieser Logik zufolge wird die Weigerung der Anerkennung von Minderheiten mit radikalisierten Einschluss- und Ausschlusskriterien verbunden, die einer liberalen und pluralistischen Demokratie im Wege stehen [13].
Da politische Diskurse von einem ständigen Ringen um konkurrierende Vorstellungen über Identität, Werte, Themen und die Gesellschaft insgesamt geprägt sind [14], spiegeln sie eine bestimmte Darstellung sozialer und politischer Strukturen und Praktiken wider [15]. In diesem Sinne prägen Diskurse die gemeinsame Verständigung in einem Prozess, der als intersubjektive Bedeutungskonstruktion bezeichnet werden kann [16]. Der politische Diskurs ist somit die diskursive Konstruktion der Wirklichkeit [17], bei der ideelle Interpretationen wichtiger sind als empirische Fakten [18].
Die radikale Rechte versteht Demokratie als ein Prinzip, dessen zentrales Merkmal „der Mythos einer homogenen Nation, ein romantischer und populistischer Ultranationalismus ist, der sich gegen das Konzept der liberalen und pluralistischen Demokratie und die ihr zugrunde liegenden Prinzipien des Individualismus und Universalismus richtet" [19]. Andere sehen die radikale Rechte als Vertreterin einer nativistischen und autoritären Ideologie [20].
Der Rechtspopulismus wiederum „stellt ein tugendhaftes und homogenes Volk einer Reihe von Eliten und gefährlichen ‚Anderen‘ gegenüber, die gemeinsam so dargestellt werden, als würden sie das souveräne Volk seiner Rechte, Werte, Prosperität, Identität und Stimme berauben (oder zu berauben versuchen)" [21]. Der Rechtspopulismus verbindet „den revolutionären Impuls des Populismus" mit dem Nationalismus [22], einer Ideologie, die die Zugehörigkeit zur Nation (einer imaginären Gemeinschaft) über alle anderen Gruppen stellt [23] und behauptet, dass nationale Grenzen mit politischen Grenzen übereinstimmen sollten [24]. Insofern geht es beim Nationalismus letztlich um das Othering, da Fragen der Inklusion und Exklusion für die Bildung der Nation von zentraler Bedeutung sind.
Auch für den Rechtspopulismus ist das Othering die Art und Weise, wie das „Wir" definiert wird: durch das Ausschließen „der Anderen" [25]. Rechtspopulist*innen verbinden bei der Definition des „Selbst“ und „der Anderen“ häufig ethnische Zugehörigkeit mit Religion [26]. Religiöse Symbole, Ideale oder Zugehörigkeitsgefühle werden gezielt ausgewählt, um politische Autoritätsansprüche zu legitimieren. Die meisten Expert*innen sind sich jedoch einig, dass sich Rechtspopulist*innen für Identitätsfragen interessieren, während die Kirchen vom Glauben sprechen: Ihr Verständnis der christlichen Identität propagiert ein romantisiertes Ideal der nationalen Gemeinschaft in einem goldenen Zeitalter, das nicht von Eliten oder „den Anderen“ korrumpiert wird. Gleichzeitig werden Gender Mainstreaming und sexuelle Gleichberechtigung für sie zu einer Gefahr für die traditionelle christliche Gemeinschaft [27].
Auf diese Weise haben sich die Populist*innen das Konzept der Geschlechtergleichstellung zu eigen gemacht und in den populistischen Anti-Establishment-Diskurs integriert. Sie behaupten, dass es eine „Geschlechtergleichstellungsagenda" gäbe, die „dem Volk" aufgezwungen werden solle [28]. Als Gegenkonzept zur Geschlechtergleichstellung wird oftmals die „Familie" ins Spiel gebracht, die ihren säkularisierenden Weg verfolgt [29], da die Familie als „Garant für die Fortführung der Vergangenheit" angesehen wird, auf die der Nationalismus besteht [30]. Wie dieses Kapitel zeigt, sind die Sexualität der Frau und ihre Rolle bei der biologischen Reproduktion der Nation [31] für Orbáns populistische Wende zu illiberalem Autoritarismus genauso bedeutsam wie die Schaffung und Erhaltung von Grenzen für die nationale Gemeinschaft – ob real oder eingebildet.
Methoden und Daten
Die absolute Macht, die Orbán über seine Fidesz-Partei genießt, macht ihn zum Haupturheber des öffentlichen Diskurses in Ungarn: In allen politischen Angelegenheiten hat er das letzte Wort. Der vorliegende Beitrag untersucht Orbáns Reden während seiner zweiten und dritten Amtszeit [32] und vergleicht die beiden Zeitphasen, um herauszufinden, ob sein Verbleib im Amt wesentliche Veränderungen bewirkt hat (gemäß der Behauptung, dass Populist*innen ihren Diskurs konsolidieren, sobald sie die neue Elite sind). Sämtliche Reden finden sich auf der Regierungswebsite und wurden ins Englische übersetzt [33]. Obgleich die Texte unterschiedlichste Aussagen, Erklärungen und Interviews enthalten, behandle ich für Analysezwecke alle Texte gleich. Wichtig zu wissen, ist, dass es für die Amtszeit von 2010 bis 2014 insgesamt 142 Reden und Interviews gibt; für die Amtszeit von 2014 bis 2018 hingegen 423. Die Reden sind chronologisch nummeriert und beginnen mit der Siegesrede von 2010.
Demokratische Rückschläge in Ungarn
Der Wahlsieg von Orbáns Fidesz-Partei 2010 führte zu einer illiberalen und antidemokratischen Wende in der ungarischen Politik, was den Zusammenbruch der Institutionen des postkommunistischen Status Quo zur Folge hatte. Ungarn war immer ein Musterbeispiel für die Garantie kultureller Vielfalt durch Minderheitenschutz und gruppenspezifische Rechte gewesen [34]. Meinungsumfragen haben jedoch gezeigt, dass Chauvinismus und Fremdenfeindlichkeit unter den Durchschnittsungar*innen weit verbreitet sind [35] und dass auch rechtsradikale Parteien Anklang finden [36]. Orbán lehnt Multikulturalismus ab und bevorzugt eine ethnische Nation. Auch wenn das Land nach dem Regimewechsel weitgehend säkular ist, wird die Zusicherung der Religionsfreiheit und der staatlichen Neutralität [37] nun von der Fidesz-Partei in Frage gestellt. Diese nutzt religiöse Symbole auf eklektische Weise, um den romantischen Mythos einer homogenen Nation in einem goldenen Zeitalter heraufzubeschwören, wodurch die Religion zum Mittel der Parteistrategie wird.
Als Zeichen des Bruchs mit der Vergangenheit verabschiedete die Fidesz-Partei nach ihrem Wahlsieg eine neue Verfassung (das so genannte Grundgesetz), in der das Christentum als eine Kraft definiert wird, welche die „nationale Einheit" bewahrt [38], und die eine Passage über den Schutz des Lebens ab dem Tag der Zeugung enthält. Zudem wird die Familie als Ehe zwischen Mann und Frau (heterosexuell) bzw. als Beziehung zwischen Eltern und Kindern (reproduktiv) definiert, wobei die Familie die Urzelle der Nation darstellt. Die Verfassung teilt die politische Gemeinschaft außerdem ein in „wir" und „die Anderen": Wer nicht dem Christentum oder der ethnischen Nation angehöre oder sich weigere, dem Willen der Mehrheit die Treue zu schwören, werde in seinen Rechten beschnitten [39].
Geschlechtergleichstellung und häusliche Gewalt gegen Frauen sind Probleme, die das von substanziellen Geschlechter- und Sexualnormen geprägte Ungarn seit dem Regimewechsel plagen. Die patriarchalische Gesellschaft Ungarns wurde selbst zu Zeiten des Sozialismus nicht angetastet, da die Vormachtstellung der Männer in den Bereichen Politik, Arbeit und Familie fortdauerte [40]. Während Feminismus und Geschlechtergleichstellung nie zu den obersten Prioritäten in Ungarn zählten, gab es im Zuge des EU-Beitritts dennoch positive Entwicklungen im Bereich Geschlechtergleichstellung zu verzeichnen; Gender Mainstreaming war jedoch nur schwach institutionalisiert. Ungeachtet dessen, existierte eine feindselige Haltung gegenüber Gleichstellungsfragen, die sich auf drei Diskurse bezog: Erstens betrachtete der Mediendiskurs in den 1990er Jahren den Feminismus als „fremden Eindringling", der als Folge der Amerikanisierung angesehen wurde. Der zweite Diskurs verband den Antikommunismus mit dem Feminismus als Hinterlassenschaft der „alten Ideologie". Und der dritte Antifeminismusdiskurs ist mit Vorstellungen von einer „weiblichen Form des Verständnisses" verbunden, das Feminist*innen als männerhassend und lesbisch ansieht [41]. Obgleich der geschlechterfeindliche Diskurs erst später, nämlich nach den Debatten im Zusammenhang mit dem Lunacek- und Estrela-Bericht im Jahr 2014, Fahrt aufnahm [42], sind seit 2010 in allen Bereichen der Geschlechtergleichstellung Rückschläge zu beobachten und das einzige beratende Gremium, das sich mit Geschlechterfragen befasste (der im Jahr 2000 eingesetzte Rat für Soziale Gleichstellung von Frauen und Männern), wurde aufgelöst [43].
All das deutet darauf hin, dass das Fundament, auf dem Orbáns illiberale Politik fußt, schon lange vor 2010 existierte [44]. Die folgenden Abschnitte sollen zeigen, wie Orbán seinen Diskurs auf diesen Grundfesten aufgebaut hat: Indem er gesellschaftliche Identitätsängste, rechtspopulistische Strategien, Nationalismus und Religion sowie eine männliche Weltanschauung miteinander verknüpft hat, hat er versucht, Unterstützung für seine illiberale Politik zu gewinnen.
2010 bis 2014: Traditionalistische Familien im Kampf gegen die Wirtschaftskrise
Ein kurzer Blick auf den Diskurs von Orbáns zweiter Amtszeit (2010 bis 2014) zeigt, dass die Wirtschaftskrise, die Ungarn besonders hart getroffen hat, das alles beherrschende Thema ist. Die am häufigsten verwendeten Begriffe sind Krise, die ungarische Wirtschaft, Märkte und die Notwendigkeit, Ungarn und die Ungar*innen zu schützen (siehe Schlüsselwörter im Anhang).
In sämtlichen Reden geht es ausschließlich um Ungarn und die Ungar*innen; Themen wie Ausländer*innen, Fremde, Migration oder Einwanderung finden kaum Erwähnung. Im Gegensatz dazu werden die Europäische Union und andere europäische Länder genauso häufig erwähnt wie Ungarn, da Ungarn laut Orbán die EU und die westlichen Staaten bekämpfen muss, um seine eigene Krise zu überwinden. Indem er behauptet, die EU stehe auf der Seite des ausländischen Kapitals, wird die EU mit „den Anderen“ gleichgesetzt und als Verräter dargestellt, der mit zweierlei Maß gegen Ungarn vorgeht, obwohl das Land zu Europa gehört: „Wir akzeptieren die gemeinsamen moralischen Standards der europäischen Kulturnationen; jedwede Doppelmoral hingegen lehnen wir ab" [45].
Auf wirtschaftlichem Unmut basierender Populismus
Das Vorbesagte deutet darauf hin, dass sich Orbáns Diskurs ausschließlich um die ungarische Identität aus wirtschaftlicher Perspektive dreht und die Wirtschaftskrise als Bedrohung für dieses wirtschaftliche „Selbst“ betrachtet. Obwohl sich Orbán als Retter der Ungar*innen ausgibt, finden sich kaum ethnisch-kulturelle Bezüge in seinem Diskurs; nur am Rande werden die ungarische Ethnie, Kultur und Tradition erwähnt. Auch über Religion oder Kirchen wird nicht gesprochen (außer in den Reden, die an bestimmte kirchliche Autoritäten gerichtet sind), obgleich Verweise auf das Christentum im Überfluss vorhanden sind. Während Frauen bei Orbán kaum Erwähnung finden, stehen die Familie und die Notwendigkeit des Schutzes der Familie häufig im Mittelpunkt seiner Reden.
In dieser auf wirtschaftlicher Identität beruhenden Politik werden „die Anderen" auch aus finanzieller Sicht dargestellt: Banken und Banker*innen (106 Nennungen) und multinationale Unternehmen (30 Nennungen) repräsentieren das „multinationale Kapital", das sich gegen die ungarische Wirtschaft richtet. Das ausländische Kapital und die Europäische Union werden zusammen mit den ehemaligen sozialistischen Regierungen für die finanziellen Nöte verantwortlich gemacht. Daher muss Ungarn diese Herausforderung allein bewältigen, indem es sich auf seine Bevölkerung und seine Ressourcen stützt. Die neue ungarische Verfassung wird als ein probates Mittel für diesen einsamen Kampf (143 Nennungen), eine Quelle des Vertrauens (96 Nennungen) und der Einheit (36 Nennungen) dargestellt. Durch die Betonung der Bedeutung von Nationalismus, Religion und traditionellen Familienwerten wird die Verfassung zu einem der bedeutsamsten Mittel der ungarischen Reaktion auf die Krise.
Was andere diskursive Strategien anbelangt, so stützt sich Orbáns Narrativ stark auf gängige populistische Themen, wie die Wahrnehmung einer Krise (398 Nennungen), einer Bedrohung (29 Nennungen) oder mangelnder Sicherheit (48 Nennungen). Das diskursive Othering zeigt sich am besten in der Häufigkeit seiner Verweise auf „wir" und „unser", den mit Abstand am häufigsten in seinen Reden verwendeten Schlüsselwörtern. Der Diskurs konzentriert sich auf gesellschaftliche Identitätsängste, um ein entschlossenes und sofortiges Handeln zum Schutz vor diesen Ängsten zu rechtfertigen, ein Handeln, das „die totale Erneuerung unserer Heimat Ungarn erfordert; eine totale Erneuerung und infolgedessen eine radikale Umgestaltung in jeder Hinsicht: intellektuell, moralisch, geistig, wirtschaftlich und gesellschaftlich" [46].
Andere populistische diskursive Strategien, wie ständige Appelle an das ungarische Volk oder die Identifikation mit dem „echten Volk", sind in Orbáns Diskurs ebenfalls präsent: „Da ich unsere Art kenne, weiß ich auch, dass die Ungarn kein ‚vorgekautes Gerede' mögen" [47]. Auf diese Weise spricht er im Namen der oder für die Nation, drückt den Willen des Volkes aus und beansprucht die ultimative Legitimität als „die nationale Stimme", die weiß: „Was ist gut für die Ungar*innen? Was ist gut für die ungarische Nation? Was ist gut für das ungarische Volk? [48]" Wie andere Populist*innen stellt Orbán oft Behauptungen auf, die sich gegen die Elite und das Establishment richten und ihm die Möglichkeit geben, sich von seinen Vorgänger*innen und dem Establishment zu distanzieren und zu behaupten, er gehöre nicht zur politischen Elite, sondern spreche im Namen des Volkes und adressiere dessen Missstände: „Wir hatten das Gefühl, betrogen worden zu sein; dass das ungarische Volk laufend betrogen wurde, und damit auch die ungarische Regierung. Und dann haben wir beschlossen, einen anderen Ton anzuschlagen" [49].
Christliche Moral und traditionelle Familien im Kampf gegen die Krise
Die einzige Ausnahme des Nichtvorhandenseins kultureller Marker in diesem wirtschaftsbasierten Konzept der ungarischen Selbstidentität ist die Religion. Orbán verweist häufiger auf das Christentum und die christlichen Wurzeln (175 Nennungen) als auf irgendeinen anderen Identitätsaspekt – einschließlich der Sprache, die Orbán für das eindeutigste Unterscheidungsmerkmal des „Ungarentums" hält. Dennoch werden die Religion oder der religiöse Glaube nicht als Glaubenssystem dargestellt, sondern eher als Quelle der Legitimität oder Moral, wenn Orbán über geplante oder bereits verfügte politische und institutionelle Veränderungen spricht. Demnach ist das Christentum eine Quelle moralischer Wertvorstellungen, traditioneller Normen und Richtlinien, die für die Erneuerung des Landes und die Bewältigung der Krise dringend benötigt werden.
Orbán behauptet, die Wirtschaftskrise sei auf eine moralische Krise zurückzuführen, die wiederum durch die schwindende Bedeutung des Christentums in Europa verursacht werde und Brüssel anzulasten sei: „Beim Aufbau Europas haben wir angefangen, uns unserer christlichen Wurzeln zu schämen und sie zusammen mit unseren moralischen und kulturellen Traditionen zu vernachlässigen [50]." Als Folge dessen sei nicht nur das gesamte kapitalistische System ungerecht, sondern auch das Kreditsystem (das zu der Krise geführt hat) werde als unmoralisch angesehen: „Die Kredite, unter denen unsere Länder leiden, haben keinerlei Bezug mehr zu irgendeinem moralischen Prinzip [51]." Somit habe Ungarn mit seinen „christlich-moralischen Prinzipien" nicht nur eine „starke moralische Identität" [52], sondern auch die Pflicht, sich dem unmoralischen multinationalen Kapital und seinen Unterstützer*innen zur Wehr zu setzen.
Der Diskurs hebe das religiöse Fundament der moralgetriebenen Politik hervor, da „sich wichtige Elemente - Arbeit, Kredite, Familie, Nation - von den moralischen Grundlagen, die uns das Christentum bereitstellt, gelöst haben" [53]. Mit dieser Logik habe die Fidesz-Regierung nicht nur „die Familie" als Ehe zwischen Mann und Frau in der Verfassung verankert, sondern auch die Rolle der Frau in der Vision für Ungarn und die ideale ungarische Familie klar definiert: Die Frau soll zu Hause bleiben, um genügend Kinder großzuziehen, damit eine starke ungarische Nation entstehen kann [54]. Denn für Orbán ist der Bevölkerungsrückgang in Ungarn ein ebenso wichtiges Thema wie die Bekämpfung der Wirtschaftskrise, da er die Zukunft der Gemeinschaft bedrohe und das ungarische Volk zu einer „bedrohten Art" mache [55]. Die Familie spiele bei der Bewältigung dieser Herausforderung eine zentrale Rolle, da nur sie für den demografischen Wandel verantwortlich sei. „Was die Familien betrifft, sollten wir eine Sache klarstellen: Eine Gemeinschaft, die nicht in der Lage ist, sich biologisch zu erhalten, wird nicht überleben und hat es auch nicht verdient [56]." Außerdem seien die Eltern für den Erfolg ihrer Kinder verantwortlich - vor allem die Mütter, die als Familienverantwortliche angesehen werden [57].
Während Orbán die Verantwortung für den demografischen Wandel von seiner Regierung wegschiebt, macht er die Vorgängerregierungen und die EU für den Bevölkerungsrückgang verantwortlich. Erst einmal wirft er seinen politischen Gegnern vor, „ein Jahr Mutterschaftsgeld" gestrichen [58] und eine Politik betrieben zu haben, die dazu geführt hat, dass „immer mehr Menschen nicht für ihre Kinder, sondern von ihren Kindern und von den Leistungen leben, die sie für ihre Kinder erhalten" [59]. Dann werden die säkulare und liberale EU und ihre Normen zur Geschlechtergleichstellung an den Pranger gestellt, „da die Familie unter ständigem Beschuss steht und viele das Aufziehen von Kindern als etwas betrachten, das der Selbstverwirklichung im Wege steht" [60].
Obgleich Orbán selbst zugibt, dass Ungarn zu „den europäischen Ländern zählt, in denen die Bereitschaft, Kinder zu kriegen, am geringsten ist", gibt er dem modernen Lebensstil, der die traditionellen Werte in Frage stellt, die Schuld, denn „der Rückgang von Familiengemeinschaften, die auf stabilen Bindungen beruhen", führe wiederum zu einer Gesellschaft, in der „der Anteil der außerehelich geborenen Kinder 42 Prozent und das Alter der Frauen bei der Geburt ihres ersten Kindes 30 Jahre beträgt" [61]. Obwohl die Unantastbarkeit von Ehe und Familie, die als „jeweils ein Mann und eine Frau,“ verstanden wird, die Rechte von LGBT-Personen aufhebt, behauptet Orbán, „dies ist gegen niemanden gerichtet" [62], da die Ungar*innen „ein Volk mit sehr familien- und kinderzentrierten Ansichten" seien [63]. Im Gegensatz zu dem säkularen, geschlechtergerechten und geschlechteroffenen Europa behauptet Orbán, dass „Studien zeigen, dass junge Menschen gerne mehr Kinder hätten" [64], wirtschaftliche Schwierigkeiten dies jedoch verhinderten, so dass „eine demografisch motivierte Familienpolitik notwendig und legitim ist" [65].
Obwohl die Fidesz-Regierung eine Familienbesteuerung einführte, die Elternzeit verlängerte und Unterstützung für berufstätige Mütter versprach, wie z.B. „gemeinschaftliche Kinderbetreuung und Kindererziehung in Krippen und Kindergärten",[66] wäre es ein Trugschluss anzunehmen, dass Orbán die Emanzipation der Frau unterstützt. Sein Sexismus wird deutlich, wenn er daran erinnert, dass „der Schöpfer sich der Tatsache bewusst war, dass es nicht gut ist, dass der Mensch allein ist; so schuf er Mann und Frau und praktisch auch die Familie" [67]. Die Frau solle aber nicht nur das tun, was „gut für den Mann ist", sondern sie solle sich auch um die Familie kümmern, ihren Hauptverantwortungsbereich. Auch das von der Fidesz-Partei entwickelte Frauenpensionierungsprogramm verschärft letztlich die Ungleichheit der Geschlechter, da Frauen nur in den Genuss dieser Vergünstigung kommen, um mehr als „Familienversorgerinnen" zu arbeiten: „Frauen können jetzt nach 40 Jahren Erwerbstätigkeit in Rente gehen. Neben der Tatsache, dass sie es natürlich verdient haben, bekommen sie dadurch auch die Gelegenheit, mehr Zeit mit ihren Familien zu verbringen, insbesondere mit ihren Kindern und Enkelkindern. Das fördert meiner Meinung nach die Möglichkeit, die familiären Bindungen zu stärken [68].
All das legt eine rechtspopulistische Neukonzipierung des (echten) Volkes der Nation nahe. Während der Diskurs vor rechtspopulistischen Themen strotzt, sind Nationalismusbezüge weniger präsent, da sich der Diskurs ausschließlich auf ein wirtschaftliches Verständnis der Welt konzentriert. Dennoch wird in den Reden häufig auf das Christentum als kulturelles Merkmal Bezug genommen. Die gemeinsamen christlichen Wurzeln und die Förderung traditioneller Werte verleihen Ungarn eine starke moralische Identität und Legitimität in seinem wirtschaftlichen Kampf und seinem Versuch, den Bevölkerungsrückgang durch die Stärkung der Familie umzukehren – auf Kosten der Chancen von Frauen, die auf die Betreuung der Kinder und Familie verwiesen werden. Der Diskurs richtet sich gegen die Eliten, das Establishment und Europa und unterstellt, dass Kritiker*innen dieses Ansatzes unmöglich Teil des „echten Volkes" sein können. Anhänger*innen der Europäischen Union oder liberaler Werte, Kritiker*innen christlicher Werte oder traditioneller Lebensformen, Befürworter*innen von Geschlechtergleichstellung oder sexueller Nichtdiskriminierung gehören nicht mehr zu dieser Gruppe.
2014 bis 2018: Der Kampf gegen muslimische Migrant*innen und liberale Kritiker*innen
Wenn wir uns den Zeitraum 2014 bis 2018 und somit die dritte Amtszeit Orbáns anschauen, können wir ab 2015 einen grundlegenden politischen Diskurswandel beobachten: Der Fokus liegt von nun an ausschließlich auf dem Thema Migration. Es handelt sich um eine plötzliche Wende, da Themen wie Migration, Geflüchtete, Asylsuchende oder Einwanderung in der vorangegangenen Legislaturperiode völlig ausgeklammert worden waren. Nun aber liegt der Schwerpunkt auf diesen Themen – in 180 der insgesamt 422 Reden. Außerdem sprach sich Orbán erstmals im Februar 2015 gegen Migration aus, also lange vor der europäischen Flüchtlingskrise im Sommer desselben Jahres, als 350.000 Geflüchtete auf ihrem Weg nach Westeuropa das Land durchquerten. Die Migration wird zu Orbáns neuem Feindbild, denn sie zieht Menschen an, „von denen viele nicht bereit sind, die europäische Kultur anzuerkennen oder die mit der Absicht hierherkommen, die europäische Kultur zu zerstören" [69]. Das Primat der Migrationsfeindlichkeit wird auch 2018 aufrechterhalten, obwohl Ungarn bereits drei Jahre zuvor einen Zaun gebaut hatte, um Geflüchtete aus dem Land fernzuhalten. Zudem hat sich Orbáns Diskurs im Laufe der Jahre immer weiter radikalisiert – bis hin zu Tabubrüchen (eine weitere populistische diskursive Strategie [70]) – wenn er behauptet, dass „Einwanderung Kriminalität und Terrorismus in unsere Länder trägt" [71], obwohl es verboten sei, offen darüber zu sprechen.
Migration als Feind der Nation und Familie
Wichtig ist, dass in diesem neuen Diskurs „die Anderen“ neu konzipiert werden: An die Stelle des neoliberalen internationalen Kapitals treten nun „die Migrant*innen" oder die Europäische Union und das gemeinsame europäische Flüchtlingssystem. Innerstaatliche Organisationen, die Migrant*innen helfen, werden ebenfalls als Feinde eingestuft. Teil dieses neu gestalteten Prozesses des Othering ist die Tatsache, dass die Zahl der Nennungen der EU und der europäischen Länder, die einer wachsenden Migration angeblich positiv gegenüberstehen, zunimmt und die EU dafür verantwortlich gemacht wird, dass Migrant*innen nach Ungarn kommen: „Brüssel darf es nicht gestattet werden, Menschen, mit denen wir nicht zusammenleben wollen, zwangsweise hier anzusiedeln [72]."
Das Bild der Krise, Bedrohung und Gefahr bleibt der Kern des Diskurses trotz der Tatsache, dass der Zaun alle potenziellen Migrant*innen an den ungarischen Grenzen stoppt. Das zeigt auch, dass „politische Krisen per definitionem konstruiert werden und Populist*innen eine bedeutsame Rolle beim Framing spielen können" [73]. Orbáns diskursive Strategie sorgt dafür, dass das Bild der Krise weiterhin im Zentrum des ungarischen Selbstverständnisses steht. Die einzige Veränderung besteht darin, dass die wirtschaftliche Gefahr nun durch die Gefahr der Migration und der fremden „Anderen“ ersetzt wird, die das kulturelle, religiöse und zivilisatorische Überleben bedrohen [74].
Diese neu konzipierte Selbstidentität wird dadurch stärker mit Sprache, Kultur und Tradition verflochten - eine einzigartige Zivilisation, die auf ethnischem Partikularismus beruht. „Ungar*in zu sein, beinhaltet eine Mission, eine Aufgabe, einen Auftrag: Eine große, abgesonderte, tausendjährige Zivilisation zu erhalten, zu stärken und weiterzutragen, die auf der ungarischen Sprache und den Grundlagen der ungarischen Mentalität fußt und von wesensfremden Nationen umgeben ist [75].“ Es reicht jedoch nicht aus, dass die Nation nach partikularen ethnischen und kulturellen Gesichtspunkten konzipiert ist; nur Orbán und seine Regierung haben das Recht zu entscheiden, wer dazugehören darf: „Nur wer die Erlaubnis unseres gewählten Parlaments, der Regierung oder eines anderen offiziellen Staatsorgans hat, darf das Territorium Ungarns betreten, sich hier niederlassen und bei uns leben. Wir können bestimmen, dass wir niemand anderem gehorchen und keinerlei Befehle von anderen akzeptieren werden, die sagen, dass wir diese oder jene Person aufzunehmen haben [76]."
Was sich in Orbáns Diskurs nach 2015 nicht geändert hat, ist seine ununterbrochene Anwendung der oben beschriebenen, rechtspopulistischen politischen Strategien. Oft spricht er im Namen der Nation, verwendet den Begriff „wir" oder gibt sich als einer des Volkes aus. In gleicher Weise hat sich Orbáns antieuropäischer Diskurs seit 2015 weiter verstärkt. Europa und insbesondere die Europäische Union bleiben ein bedrohlicher „Anderer“, da Orbáns Verständnis von der ungarischen Identität, die auf ausgrenzenden kulturellen/zivilisatorischen Normen und paternalistischen, in der Religion verwurzelten traditionalistischen Werten beruht, durch den rationalen Liberalismus, Säkularismus und die Geschlechtergleichstellung in der Europäischen Union in Frage gestellt wird.
Als Rechtspopulist bleibt Orbáns Diskurs zudem elitenfeindlich, und er wendet sich nicht nur gegen die europäische Elite, die er als weltfremd darstellt, weil „sie in einer geschlossenen, ideologischen Blase sitzt, die kaum einen Bezug zur Realität hat" [77], sondern auch gegen die frühere herrschende Elite in Ungarn, die er immer wieder wegen Verrats am Willen des Volkes angreift: „Ein Land lässt sich nicht regieren, wenn die Elite bei einem grundlegend wichtigen Thema Augen und Ohren verschließt und ohne Rücksicht auf die Meinung des Volkes durchregiert [78]." Für Orbán ist politische Führung nur dann rechtmäßig, wenn sie im Namen „des Volkes" spricht, im Dienste des nationalen Interesses. Nur Orbán selbst wiederum kann für sich in Anspruch nehmen, diesen Willen zu repräsentieren.
Identitäres Christentum gegen Geschlechtergleichstellung
Die Neukonfiguration des ungarischen Identitätsverständnisses im Orbánschen Sinne zeigt sich auch in einem anderen Religionsbezug. Während er in seiner ersten Amtszeit das identitäre Christentum [79] als kulturellen Marker, als Quelle für moralisches Ansehen und Legitimität nutzte, nimmt er in seinen Reden nach 2015 ebenfalls Bezug auf den Glauben. Der Glaube wird nun aber zu einem Marker, der die christliche Religion dem Islam und den Muslim*innen gegenüberstellt, die als Bedrohung für das ungarische Volk und Europa insgesamt dargestellt werden. „Diese Massenbewegung der Bevölkerung fällt mit der Offensive einer großen Weltreligion zusammen – der jüngsten globalen Offensive des Islam" [80].
Der neukonfigurierte Diskurs bedient sich somit einer unangenehmen Mischung aus Christentum im Sinne von Glauben und Christentum im Sinne von Identität. Diese Vermischung von Christentum als Religion und als kulturelle Identität zeigt sich am deutlichsten in Orbáns Angst um das Schicksal der Religionsfreiheit, den Kampf gegen Antisemitismus oder die Gleichstellung der Geschlechter angesichts der Ausbreitung anderer Religionen in Europa [81].
Paradoxerweise ist die Einwanderung eine Bedrohung sowohl für „unsere konventionellen europäischen Werte – für Familien, nationale Gemeinschaften, Kirchengemeinschaften, die konventionellen Formen der Kindererziehung und für das traditionelle Familienmodell" [82], die alle im Christentum verwurzelt sind – als auch für das Gender Mainstreaming, das Orbán ablehnt. Dadurch vermittelt Orbán einen konzeptuellen Widerspruch: Das Christentum begründet nicht nur unterschiedlichste kulturelle und traditionelle Werte, sondern ist auch eine offene, wenn nicht sogar liberale Religion, die die Gleichstellung der Geschlechter und die Religionsfreiheit sicherstellt und im Gegensatz zum „barbarischen" Islam den Antisemitismus bekämpft. Obgleich Orbán in der Vergangenheit keinen Grund sah, LGBT-Gruppen anzuerkennen, behauptet er nun, die Migration würde „die in der europäischen Kultur gewachsenen Bräuche in Bezug auf sexuelle Beziehungen" gefährden [83]. Es spielt so gut wie keine Rolle, dass wahre Gläubige die Geschlechtergleichstellung oder die Rechte von Homosexuellen zugunsten der traditionellen Familie ablehnen und die Zulässigkeit von Statusunterschieden zwischen Männern und Frauen sowie die Unantastbarkeit der Ehe verteidigen und sich gegen Abtreibungen aussprechen [84].
Orbán spielt auch mit dem Bild der gefährdeten Frau, um die Krise in Ungarn zu untermauern. Nur seine Regierung könne dafür sorgen, dass es „keine Banden gibt, die ungarische Frauen, unsere Frauen und Töchter jagen" [85]. Im gleichen Atemzug wirft er den westlichen Medien vor, die Frau als verletzlich und im Gegensatz zu den Männern als schutzbedürftig darzustellen. Die Migrant*innen würden als „Frauen und Kinder dargestellt, obgleich 70 Prozent von ihnen junge Männer sind und wie eine Armee aussehen" [86]. Mit diesen Bildern der schutzbedürftigen Frau auf beiden Seiten des Konflikts befeuert Orbán die Ungleichheit der Geschlechter, die seinem männlichen Weltbild entspricht.
Dies steht in krassem Gegensatz zu seinen Äußerungen über Frauen während der vorangegangenen Legislaturperiode: Da wurden die Frauen lediglich als Mütter bzw. Großmütter erwähnt, die sich auf die Familie und die Kindererziehung zu konzentrieren hätten, um die ungarische Demografie zu optimieren. Nun deutet der Diskurs darauf hin, dass Orbán seine Meinung über die Gleichstellung der Geschlechter geändert hat: Während er zwischen 2010 und 2014 nie über die Gleichstellung der Geschlechter sprach, stellt er nun Europa (zu dem Ungarn gehört) wiederholt mit der „Gleichberechtigung von Männern und Frauen" [87] auf eine Stufe und sagt Dinge wie: „In der heutigen modernen Welt arbeiten Frauen genauso viel wie Männer" [88] oder „In Ungarn sind die Frauen gewohntermaßen das tüchtigere Geschlecht" [89].
Es wäre jedoch falsch anzunehmen, dass Orbán zu einem Verfechter der Geschlechtergleichstellung geworden ist. Er hält die Gleichberechtigung der Geschlechter nur dann für selbstverständlich, wenn er sie durch die muslimische Migration in Gefahr sieht, da in deren Kultur die „Beziehung zwischen Mann und Frau durch Hierarchie gekennzeichnet ist" [90]. Diese Befürchtungen sind jedoch unaufrichtig, da die Unantastbarkeit der Familie für Orbán nicht in Frage gestellt werden kann und er bereit ist, die gleiche hierarchische Geschlechterordnung in der Öffentlichkeit zu verteidigen: „Als wir anfingen, über die Familie zu sprechen und sagten, dass uns in der Schule beigebracht wurde, dass die natürliche Ordnung der Dinge darin bestehe, dass es einen Mann und eine Frau gibt, die zusammen ein Paar bilden und Kinder haben, wurden wir als sexistisch und homophob beschimpft [91]." Gleichermaßen erklärte er als Antwort auf die Frage, warum es 2015 keine Frauen in seinem Kabinett gebe: „Nur wenige Frauen können dem Stress der Politik standhalten [92]."
Seine anhaltende Beschäftigung mit dem Bevölkerungsrückgang, der sich seit der Migrationskrise noch zu verstärken scheint, spiegelt sich auch in Orbáns absurder Politik der „Fortpflanzung vor Einwanderung" wider [93]. Obgleich Orbán behauptet, die Ungar*innen seien familienzentriert, warnt er nun vor Migranten - und insbesondere vor Migrantinnen - als Bedrohung, „weil sie höhere Geburtenraten haben, familienzentrierter sind und in gewisser Hinsicht ein spirituelleres Leben führen als wir" [94]. Daher könne Europa/Ungarn nicht in einen demografischen Wettlauf eintreten [95]. Während er in der Vergangenheit behauptet hatte, dass die wirtschaftliche Not Familien davon abhielte, mehr Kinder zu bekommen, wird jetzt, wo die Wirtschaftskrise vorbei ist, die Schuld für den Niedergang der Nation den Frauen angelastet: „Keine Politik der Welt kann darüber entscheiden, ob es in einer Gemeinschaft Kinder geben wird oder nicht, ob Kinder in Familien geboren werden - und wenn ja, wie viele. Der Grund dafür ist, dass nur Frauen diese Entscheidungen treffen können [96]." Indem er die Verantwortung für das Überleben der Nation allein auf die Schultern der Frauen legt, degradiert er sie zu reinen Gebärmaschinen.
Vor diesem Hintergrund sollte es das oberste Gebot für eine Frau sein, Kinder zu bekommen, und „die Pflicht der ungarischen Regierung [besteht darin], Bedingungen zu schaffen, unter denen ein familienfreundliches Ungarn die Geburt von Kindern begrüßt und den Frauen, die sich für Kinder entscheiden, den größten Respekt entgegenbringt [97]". Dies unterstreicht, dass Orbán kein Interesse an der Gleichstellung der Geschlechter hat und ausschließlich Mütter respektiert. Und wieder wird Europa vorgeworfen, nicht familienfreundlich genug zu sein, während es gleichzeitig aus „familienneutralen Ländern oder Ländern, die diese Frage völlig ignorieren [98]," besteht. In ähnlicher Weise behauptet Orbán, NGOs, feministische Aktivist*innen, liberale Denker*innen – die „Soros-Truppen" – seien Verräter an der nationalen Sache, weil sie eine Welt schaffen wollen, „in der es keine eindeutigen Bezugspunkte mehr gibt, in der unklar ist, wer ein Mann und wer eine Frau ist, was Familie ist und was es bedeutet, Ungar*in und Christ*in zu sein. Sie schaffen ein drittes Geschlecht, verhöhnen den Glauben, halten die Familie für überflüssig und die Nation für überholt [99]."
Die Mobilisierung gegen Geschlechtergleichstellung oder sexuelle Gleichberechtigung ist somit gleichbedeutend mit der Mobilisierung gegen Intellektuelle, Liberale und (islamische terroristische) Migrant*innen, die allesamt beschuldigt werden, Ungarn sowohl von außen als auch von innen zu bedrohen [100]. In diesem Sinne ist Gender der „symbolische Klebstoff" für alle Aspekte progressiver Politik, der Orbán vorwirft, „das Volk verraten zu haben". Andere behaupten in ähnlicher Weise, dass Gender im populistischen Diskurs gegen Gleichstellung in den „Krieg der Symbole" eingetreten sei [101]. Einige behaupten sogar, dass die Geschlechterdimension nicht nur ein Element des autokratischen, illiberalen Wandels sei, sondern absolut essentiell, um das Regime zu verstehen [102]. Anstelle von Feminismus, LGBT-Personen oder reproduktiven Rechten ist es nun insbesondere das Gender-Konzept, das ins Visier genommen und für sämtliche Missstände in der Gesellschaft verantwortlich gemacht wird, wie das Verbot von Geschlechterstudiengängen durch die Fidesz-Partei im Jahr 2018 beispielhaft aufzeigt. Während Orbán dies selbst nie erwähnt, nimmt sein Kabinett Geschlechterstudiengänge unter Beschuss und behauptet, dass „niemand Genderolog*innen einstellen will" und dass „Geschlechterstudien - ähnlich wie der Marxismus-Leninismus - eher als Ideologie denn als Wissenschaft bezeichnet werden sollten" [103].
Schlussfolgerung: Ein neues Patriarchat mit staatlich gefördertem Antifeminismus
Die Analyse zeigt, dass Orbán in seinem öffentlichen Diskurs seit seinem Amtsantritt im Jahr 2010 rechtspopulistische Elemente verwendet. Am bedeutsamsten ist, dass hierbei alles in den Dienst der Schaffung und Aufrechterhaltung des Bildes von existenziellen Krisen gestellt wird, denen Ungarn ausgesetzt ist. Die Welt ist manichäisch, aufgeteilt in „die guten Menschen" und ihre Feinde. Die einzige Veränderung, die wir beobachten können, ist, dass sich der Diskurs zwischen 2010 und 2014 ausschließlich auf die Finanzkrise konzentrierte, während der Diskurs nach 2015 ausschließlich auf die Migrationskrise gerichtet ist. Darüber hinaus ist die demografische Krise Ungarns in beiden Diskursen präsent, wobei den Frauen stets die Rolle zugewiesen wird, mehr Kinder für die Nation zu bekommen – erstens, damit Ungarn über genug Arbeitskräfte verfügt, um die Wirtschaftskrise zu bewältigen, und zweitens, um die ungarische Hegemonie im Karpatenbecken angesichts der Migration zu sichern.
Es sind die Prozesse des diskursiven Othering, die im Mittelpunkt von Orbáns Diskurs stehen, wobei ‚das Selbst‘ und ‚das Andere‘ ununterbrochen neu definiert werden. Damit werden Veränderungen gerechtfertigt, die die rationale liberale Demokratie, die für Minderheitenrechte, Säkularismus, Religionsfreiheit, Gleichstellung der Geschlechter und die Akzeptanz von LGBTQ-Gruppen steht, grundlegend unter Beschuss nehmen. Folglich begünstigt Orbáns Diskurs rechtspopulistische Werte: Die Verteidigung der nationalen Identität steht über der Gleichheit der Bürger*innen, dem Schutz von Minderheiten und der Achtung geschlechtlicher Identität oder sexueller Rechte und Selbstbestimmung. Er nimmt Stellung gegen den Liberalismus, da dieser „ausländische Modelle des Multikulturalismus, die Rechte der Roma und LGBT-Personen und den Flüchtlingsschutz"[104] über den Schutz nationaler Interessen stelle.
Somit dreht sich sein Diskurs um zwei Begriffe: Die Wiederherstellung des traditionellen Lebens, das sich auf die Familie, die Religion, die konservativen Werte und die Kultur stützt, begleitet von der Vorstellung eines unverzichtbaren gerechten Kampfes, der gegen ‚alle Anderen‘ geführt werden muss, die kulturell oder religiös anders sind (Migrant*innen) oder seinen Traditionalismus ablehnen (Feminist*innen, liberale Intellektuelle, Brüsseler Bürokrat*innen) [105].
Auch wenn sich Orbán nie direkt zum Thema Geschlecht äußert, haben wir gesehen, dass er Frauen nur als Gebärmaschinen betrachtet, die für das Überleben der nationalen Gemeinschaft verantwortlich sind; ihre Rolle in der Familie wird auf die der Mutter und Versorgerin reduziert. Im Einklang mit Orbáns Diskurs betreibt seine Regierung eine neokonservative Familienpolitik. Begründet wird dies mit der Darstellung der Familie als Garant für Kontinuität durch die moralisierende Politik der Reproduktion, die wiederum Kontinuität und Unsterblichkeit für das Individuum als Teil der Nation schafft [106]. Anders ausgedrückt: Orbán propagiert eine Form des Gender-Essenzialismus und ersetzt Gender Mainstreaming durch Family Mainstreamin [107]. Da die Kirche schwach ist und Gender Mainstreaming in Ungarn schon immer schlecht institutionalisiert war, mobilisiert nicht die Kirche oder die Basis gegen Gender [108], sondern die Regierung und zeichnet daher für die Rückschläge in sämtlichen Bereichen der Geschlechtergleichstellung verantwortlich.
Es ist wenig überraschend, dass die Regierung Orbán Geschlechterthemen vermehrt mit der populistischen Anti-Establishment-Rhetorik verknüpft, die behauptet, dass „dem Volk" eine spezifische „Gleichstellungsagenda" aufgezwungen werde [109]. Wie wir gesehen haben, fungiert Gender als „symbolischer Klebstoff" [110], um unterschiedlichste Unzufriedenheiten und Ressentiments gegenüber der Globalisierung, Migration, Europäisierung, dem bisherigen politischen Establishment und dessen Eliten und Intelligenzija zum Ausdruck zu bringen [111]. Demzufolge werden Verfechter*innen von Frauenrechten oder Gleichberechtigung als Verräter*innen der Nation und als Bedrohung für das nationale Überleben gebrandmarkt [112], was wiederum zur (Re-)Konstruktion eines „neuen Patriarchats" führt [113], in dem die Reproduktion als nationale Angelegenheit konstruiert wird, an der sich die Frauen beteiligen müssen. Das ist nichts Geringeres als staatlich geförderte, geschlechterfeindliche Mobilisierung und Antifeminismuspolitik im Namen der Familie.
Dieser Text ist zuerst erschienen in der Publikation „Current Populism in Europe. Gender-Backlash and Counter-strategies".
Übersetzt von: Bettina von Arps-Aubert
Der Artikel ist Teil unseres Dossiers Angriff auf die Demokratie? Anti-Gender-Bewegungen in Europa.
Anhang – Häufigkeit der Verwendung von Schlagwörtern und Begriffen in Orbáns Reden
Auswahl von Schlagwörtern/ Begriffen |
2010-2014 |
2014-2018 |
gegen Ungarn |
10 |
38 |
fremdländisch |
1 |
18 |
Asyl |
0 |
105 |
Banker*innen |
10 |
8 |
Banken |
96 |
60 |
Geburt |
18 |
26 |
Grenze |
90 |
1281 |
Grenzlinie |
0 |
42 |
Zusammenbruch |
0 |
2 |
Kinder |
137 |
428 |
Christentum |
175 |
529 |
Staatsbürgerschaft |
5 |
24 |
zivil |
3 |
70 |
Verfassung |
118 |
467 |
Paare |
1 |
7 |
Krise |
398 |
416 |
Schuldenkrise/ Staatsverschuldung |
5 |
24 |
Demografie |
8 |
152 |
Diaspora |
4 |
47 |
Zerfall |
15 |
26 |
Wirtschaftskrise |
73 |
39 |
Elite |
13 |
127 |
ethnisch |
3 |
54 |
Europäische Union |
71 |
567 |
Europäische Länder |
40 |
188 |
Europäische Krise |
17 |
0 |
Europäische Union |
319 |
1320 |
Krise in der Eurozone |
1 |
1 |
Glaube |
60 |
126 |
Familie |
148 |
462 |
Zaun |
0 |
219 |
Finanzkrise |
10 |
47 |
Ausländer*innen |
9 |
65 |
Grundgesetz |
25 |
65 |
Tor |
14 |
53 |
Geschlecht |
2 |
2 |
George Soros |
0 |
163 |
Gott |
61 |
163 |
ungarische Staatsbürger*innen |
7 |
50 |
ungarische Kultur/Trad. |
3 |
69 |
Ungarischer Diaspora-Rat |
0 |
6 |
ungarische Wirtschaft |
160 |
121 |
ungarische Familie |
39 |
60 |
ungarische Identität |
0 |
3 |
ungarische Nation |
50 |
122 |
Ungarische Ständige Konferenz |
1 |
12 |
Ungar*innen |
427 |
1390 |
Ungar*innen im Ausland |
4 |
55 |
Einwanderung |
2 |
767 |
Islam |
4 |
55 |
Islamischer Staat |
0 |
13 |
Sprache |
73 |
79 |
Markt |
137 |
268 |
Migration |
13 |
1616 |
Migration/ Flüchtlingskrise |
0 |
87 |
Mutter |
31 |
44 |
multinationale Unternehmen |
30 |
23 |
muslimisch |
0 |
86 |
nationale Identität |
5 |
42 |
nationale Einheit |
3 |
16 |
NGO |
3 |
71 |
unser |
1870 |
6359 |
unser Leben |
38 |
94 |
Menschen aus Ungarn |
74 |
27 |
beten |
9 |
13 |
schützen |
134 |
909 |
Schutz nationaler Interessen |
2 |
21 |
Geflüchtete |
3 |
266 |
Religion |
34 |
100 |
Sicherheit |
48 |
462 |
sozialistisch |
37 |
111 |
Quellenverweise:
[1] Viktória Serdült, „Challenging Orbán’s Echo Chamber. Against the Odds a New Mayor from an Opposition Party Has Come to Power in Budapest. We Report on His Promises to Push Back against Orbán," Index on Censorship 48, Nr. 4 (2019).
[2] Siehe z. B. „Hungary's 'Illiberalism' should not go unchallenged", Washington Post, 16. August 2014; Honor Mahony, „Orbán wants to build 'illiberal state'", EUObserver, 28. Juli 2014; "Orbán the Unstoppable", The Economist, 27. September 2014.
[3] Ssaba Tóth, „Full Text of Viktor Orbán's Speech at Băile Tuşnad (Tusnádfürdő) of 26 July 2014", The Budapest Beacon 29 (2014).
[4] Rogers Brubaker, „Between Nationalism and Civilizationism. The European Populist Moment in Comparative Perspective", Ethnic and Racial Studies 40, Nr. 8 (2017): 1191-1226.
[5] Nur etwa 16 % der Menschen gehen wöchentlich in die Kirche, und keine der großen Parteien ist religiös. Zwar gibt es die Christlich-Demokratische Volkspartei (KDNP; Kereszténydemokrata Néppárt); sie ist jedoch unbedeutend. Dennoch wird die Fidesz-Partei, die zusammen mit der KDNP regiert, seit den 2000er Jahren von den christlichen Kirchen bevorzugt, und Ministerpräsident Orbán hat sich bei zahlreichen Gelegenheiten als gläubiger Christ (Calvinist) bezeichnet (András Bozóki und Zoltán Ádám, „State and Faith. Right-Wing Populism and Nationalized Religion in Hungary," Intersections 2, Nr. 1 [2016]).
[6] Eileen Boris, „Gender Troubles, Redux", Women's History Review 28, Nr. 4 (2019): 686-691.
[7] Eszter Zimanyi, „Family b/Orders: Hungary's Campaign for the 'Family Protection Action Plan'," Feminist Media Studies 20, Nr. 2 (2020): 305-309.
[8] Zsolt Enyedi, „Populist Polarization and Party System Institutionalization: The Role of Party Politics in de-Democratization", Problems of Post-Communism 63, Nr. 4 (2016): 210-220.
[9] Rawi Abdelal et al., „Treating Identity as a Variable. Measuring the Content, Intensity, and Contestation of Identity", vorgestellt auf der APSA, San Francisco, 2001.
[10] Cas Mudde und Cristóbal Rovira Kaltwasser, „Exclusionary vs. Inclusionary Populism: Comparing Contemporary Europe and Latin America," Government and Opposition 48, Nr. 2 (2013): 147-174.
[11] Sune Qvotrup Jensen, „Othering, Identity Formation and Agency", Qualitative Studies 2, Nr. 2 (2011): 63-78.
[12] Cecil Meeusen und Laura Jacobs, „Television News Content of Minority Groups as an Intergroup Context Indicator of Differences between Target-Specific Prejudices", Mass Communication and Society 20, Nr. 2 (2017): 213-240.
[13] Péter Krekó und Gregor Mayer, „Transforming Hungary-Together? An Analysis of the Fidesz-Jobbik Relationship," in Transforming the Transformation? The East European Radical Right in the Political Process, Hrsg. Michael Minkenberg (London: Routledge, 2016), 183-205.
[14] John S. Dryzek, The Politics of the Earth. Environmental Discourses (Oxford: Oxford University Press, 2013).
[15] Ruth Wodak, Gender and Discourse (London: Sage, 1997); Ruth Wodak und Gilbert Weiss, „Analyzing European Union Discourses: Theories and Applications," in A New Agenda in (Critical) Discourse Analysis: Theory, Methodology and Interdisciplinarity, Hrsg. Ruth Wodak und Paul Anthony Chilton (Amsterdam: John Benjamins, 2005), 121-135.
[16] Thomas Christiansen, Knud Erik Jorgensen und Antje Wiener, „The Social Construction of Europe", Journal of European Public Policy 6, Nr. 4 (1999): 528-544.
[17] Michelle M. Lazar, Hrsg., Feminist Critical Discourse Analysis: Gender, Power and Ideology in Discourse (London: Palgrave Macmillan UK, 2005).
[18] Michelle M. Lazar, „Gender, Discourse and Semiotics: The Politics of Parenthood Representations," Discourse & Society 11, Nr. 3 (2000): 373-400.
[19] Michael Minkenberg, „From Pariah to Policy-Maker? The Radical Right in Europe, West and East: Between Margin and Mainstream", Journal of Contemporary European Studies 21, Nr. 1 (2013): 337.
[20] Cas Mudde, Populist Radical Right Parties in Europe (New York: Cambridge University Press, 2007).
[21] Daniele Albertazzi und Duncan McDonnell, “Introduction: The Sceptre and the Spectre," in Twenty-First Century Populism, Hrsg. Daniele Albertazzi und Duncan McDonnell, 11; Mudde und Rovira Kaltwasser, "Exclusionary vs. Inclusionary Populism".
[22] Erin K. Jenne, “Is Nationalism or Ethnopopulism on the Rise Today?" Ethnopolitics 17, Nr. 5 (2018): 546.
[23] Benedict Anderson, Imagined Communities: Reflections on the Origin and Spread of Nationalism (London: Verso Books, 2006).
[24] Ernest Gellner, Nations and Nationalism (Ithaca: Cornell University Press, 1983).
[25] Ruth Wodak, "'Doing Europe'" in Discursive Constructions of Identity in European Politics, Hrsg. Richard C. M. Mole, Language and Globalization (London: Palgrave Macmillan UK, 2007), 70-94; Wodak, "Discourses in European Union Organizations"; Nira Yuval-Davis, "Gender and Nation," in Women, Ethnicity and Nationalism: The Politics of Transition, Hrsg. Rick Wilford und Robert L. Miller (London and New York: Routledge, 1998), 23-35; Andreas Wimmer, "Dominant Ethnicity and Dominant Nationhood", Rethinking Ethnicity: Majority Groups and Dominant Minorities, Hrsg. Eric P. Kaufmann (London: Routeldge, 2004), 40-58.
[26] Daniel Nilson DeHanas und Marat Shterin, "Religion and the Rise of Populism", Religion, State and Society 46, no. 3 (3. Juli 2018): 182.
[27] Mieke Verloo und David Paternotte, "The Feminist Project under Threat in Europe", Politics and Governance 6, Nr. 3 (2018): 1-5; Isabelle Engeli, "Gender and Sexuality Research in the Age of Populism: Lessons for Political Science", European Political Science 19, Nr. 2 (2020): 1-10.
[28] Agnieszka Graff, Ratna Kapur und Suzanna Danuta Walters, "Introduction: Gender and the Rise of the Global Right", Signs: Journal of Women in Culture and Society 44, Nr. 3 (2019): 541-560.
[29] Isabelle Engeli, Christoffer Green-Pedersen und Lars Thorup Larsen, Hrsg., Morality Politics in Western Europe: Parties, Agendas and Policy Choices (London: Palgrave Macmillan UK, 2012).
[30] Gail Kligman und Susan Gal, Reproducing Gender: Politics, Publics, and Everyday Life after Socialism (Princeton: Princeton University Press, 2000), 68.
[31] Kligman und Gal, Reproducing Gender; Floya Anthias und Nira Yuval-Davis, Woman-Nation-State (London: Palgrave Macmillan UK, 1989); Anne McClintock, "Family Feuds. Gender, Nationalism and the Family", Feminist Review 44, Nr. 1 (1993): 61-80.
[32] Orbán war das erste Mal von 1998 bis 2002 an der Macht.
[33] Es scheint, dass die englische Übersetzung abgeschwächt ist, da die ungarische Version gelegentlich radikalere Ausdrücke verwendet. Siehe http://www.kormany.hu/en/the-prime-minister/the-prime-minister-s-speeches.
[34] Die multikulturelle Unterbringung von Minderheiten war eine bewusste liberale Politik, die den Nachbarländern als Vorbild dienen sollte, da Ungarn nach dem Ersten Weltkrieg zwei Drittel seines Territoriums und ein Drittel seiner Bevölkerung an seine Nachbarn verloren hatte. (Nándor Bárdi, "Magyarország És a Kisebbségi Magyar Közösségek 1989 Után," A Múlt Jelene-a Jelen Múltja. Folytonosság És Megszakítottság a Politikai Magatartásformákban Az Ezredforduló Magyarországán, Társadalomtudományi Kutatóközpont Politikatudományi Intézet, 26. Oktober 2012 [2013]: 40-96).
[35] Z.B.. Bori Simonovits, Anikó Bernát, Blanka Szeitl, Endre Sik, Daniella Boda, Anna Kertesz, FM Tóth, und J Barta, The Social Aspects of the 2015 Migration Crisis in Hungary, Vol. 155 (Budapest: Tárki Social Research Institute, 2016), 41.
[36] Die erste dieser Parteien, die Ungarische Partei für Gerechtigkeit und Leben (MIÉP Magyar Igazság és Élet Pártja), nahm die 5%-Hürde im Parlament aufgrund einer gesamtungarischen Agenda, die offen für Rassismus und Antisemitismus ist (siehe Minkenberg, "From Pariah to Policy-Maker?"). Jobbik (der Name bedeutet im Ungarischen sowohl "besser" als auch "rechtsgerichteter") wurde mit einer Agenda zur Bekämpfung der „Zigeunerkriminalität" populär (Gergely Karácsony und Dániel Róna, "The Secret of Jobbik. Reasons behind the Rise of the Hungarian Radical Right", Journal of East European & Asian Studies 2, Nr. 1 (2011)) und mit der Gründung eines paramilitärischen Flügels, der Ungarischen Wächterbewegung (András Bíró Nagy, Tamás Boros und Zoltán Vasali, "More Radical than the Radicals: The Jobbik Party in International Comparison", in: Right-Wing Extremism In Europe: Country Analyses, Counter Strategies and Labor Market Oriented Exit Strategies, Hrsg. Ralf Melzer und Sebastian Serafin (Berlin: Friedrich Ebert Stiftung, 2013), 229-53).
[37] Zsolt Enyedi, "The Contested Politics of Positive Neutrality in Hungary", West European Politics 26, Nr. 1 (2003): 161.
[38] Beachten Sie, dass das Kirchengesetz von 2012 der Regierung die Möglichkeit gibt, die Kirchen auszuwählen, die sie offiziell anerkennt; siehe Enyedi, "Paternalist Populism and Illiberal Elitism in Central Europe", Journal of Political Ideologies 21, Nr. 1 (2016): 16-17.
[39] Balázs Majtényi, Ákos Kopper, und Pál Susánszky, "Constitutional Othering, Ambiguity and Subjective Risks of Mobilization in Hungary: Examples from the Migration Crisis," Democratization 26, no. 2 (2019): 173-189.
[40] Éva Fodor, Working Difference: Women's Working Lives in Hungary and Austria, 1945-1995 (Durham: Duke University Press, 2003).
[41] Erzsébet Barát, "Revoking the MA in Gender Studies in Hungary and Right-Wing Populist Rhetoric", L'Homme 30, Nr. 2 (2019): 135-144.
[42] Eszter Kováts und Andrea Pető, " Anti-Gender Discourse in Hungary: A Discourse without a Movement", in Anti-Gender Campaigns in Europe: Mobilizing against Equality, Hrsg. Roman Kuhar und David Paternotte (London-New York: Rowman and Littlefield International, 2017), 117-31.
[43] Dorottya Szikra, "Democracy and Welfare in Hard Times: The Social Policy of the Orbán Government in Hungary between 2010 and 2014", Journal of European Social Policy 24, Nr. 5 (2014): 486-500.
[44] Krekó und Mayer, "Transforming Hungary-Together?" 201.
[45] Orbán, Rede, 9
[46] Orbán, Rede, 15
[47] Orbán, Rede, 26
[48] Orbán, Rede, 14
[49] Orbán, Rede, 129
[50] Orbán, Rede, 33
[51] Orbán, Rede, 15
[52] Orbán, Rede, 38
[53] Orbán, Rede, 15
[54] Nicole V.T. Lugosi, " Radical Right Framing of Social Policy in Hungary: Between Nationalism and Populism: Between Nationalism and Populism", Journal of International and Comparative Social Policy 34, Nr. 3 (2. September 2018): 226.
[55] Orbán, Rede, 90
[56] Orbán, Rede, 63
[57] Orbán, Rede, 42
[58] Orbán, Rede, 39
[59] Orbán, Rede, 110
[60] Orbán, Rede, 15
[61] Orbán, Rede, 15
[62] Orbán, Rede, 50
[63] Orbán, Rede, 90
[64] Orbán, Rede, 87
[65] Orbán, Rede, 63
[66] Orbán, Rede, 90
[67] Orbán, Rede, 97
[68] Orbán, Rede, 129
[69] Orbáns Rede zur Lage der Nation, 27. Februar 2015, Budapest.
[70] Benjamin Moffitt und Simon Tormey, " Rethinking Populism. Politics, Mediatisation and Political Style", Political Studies 62, Nr. 2 (2014): 381-397.
[71] Orbáns Rede zum Nationalfeiertag am 15. März 2016, Budapest.
[72] Orbán, Rede, 193
[73] Zsolt Enyedi, "Plebeians, Citoyens and Aristocrats or Where Is the Bottom of Bottom-up? The Case of Hungary," in European Populism in the Shadow of the Great Recession, Hrsg. Hanspeter Kriesi und Takis Pappas (Colchester: ECPR Press, 2015), 243, http://cadmus.eui.eu/handle/1814/36489.
[74] „Dieser Wandel, der Europa bevorsteht - oder der meiner Meinung nach Europa bedroht - kann sich auch auf tiefere, zivilisatorische Ebenen auswirken. Die Identität der Zivilisation in Europa könnte sich verändern.“ Orbán, Rede, 251
[75] Orbán, Rede, 398
[76] Orbán, Rede, 356
[77] Orbán, Rede, 299
[78] Orbán, Rede, 356
[79] Roy, Rethinking the Place of Religion.
[80] Orbán, Rede, 481
[81] Orbán, Rede, 480
[82] Orbán, Rede, 441
[83] Orbán, Rede, 264
[84] Roy, Rethinking the Place of Religion, 3.
[85] Orbán, Rede, 324
[86] Orbán, Rede, 275
[87] Orbán, Rede, 325
[88] Orbán, Rede, 336
[89] Orbán, Rede, 250
[90] Orbán, Rede, 473
[91] Orbán, Rede, 391
[92] Serdült, "Challenging Orbán’s Echo Chamber".
[93] Siehe Zimanyi, " Family b/Orders".
[94] Orbán, Rede, 264
[95] Orbán, Rede, 336
[96] Orbán, Rede, 473
[97] Orbán, Rede, 452
[98] Orbán, Rede, 448
[99] Orbán, Rede, 515
[100] Barát, "Revoking the MA in Gender Studies".
[101] Simon Lewis und Magdalena Waligórska, "Introduction: Poland's Wars of Symbols," East European Politics and Societies 33, Nr. 2 (16. April 2019): 423-34, zitiert in Engeli, Green-Pedersen, und Larsen, Moral Politics in Western Europe, 5.
[102] Weronika Grzebalska und Andrea Pető, "The Gendered Modus Operandi of the Illiberal Transformation in Hungary and Poland", in Women's Studies International Forum 68 (2018): 164-172.
[103] Engeli, "Gender and Sexuality Research in the Age of Populism", 3-4.
[104] Brubaker, "Between Nationalism and Civilizationism", 1208.
[105] Nadia Marzouki, Duncan McDonnell und Olivier Roy, Hrsg., Saving the People: How Populists Hijack Religion (London: Hurst and Publishers, 2016).
[106] Kligman und Gal, Reproducing Gender, 68.
[107] Valentine M. Moghadam und Gizem Kaftan, "Right-Wing Populisms North and South: Varieties and Gender Dynamics", Women's Studies International Forum 75 (1. Juli 2019).
[108] Kováts und Pető, "Anti-Gender-Diskurs in Ungarn". Serdült, "Challenging Orbán’s Echo Chamber".
[109] Für eine ähnliche Argumentation siehe Graff, Kapur und Walters, "Introduction", 544; Engeli, "Gender and Sexuality Research in the Age of Populism", 232.
[110] Kováts und Pető, "Anti-Gender Discourse in Hungary"; Engeli, "Gender and Sexuality Research in the Age of Populism"; Grzebalska und Pető, "The Gendered Modus Operandi of the Illiberal Transformation in Hungary and Poland".
[111] Barát, "Revoking the MA in Gender Studies in Hungary and Right-Wing Populist Rhetoric".
[112] Anne Marie Goetz, "The Politics of Preserving Gender Inequality: De-Institutionalisation and Re-Privatisation", Oxford Development Studies 48, Nr. 1 (2020): 2-17.
[113] Katherine Verdery, "From Parent-State to Family Patriarchs: Gender and Nation in Contemporary Eastern Europe", East European Politics and Societies 8, Nr. 2 (1994): 255.