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Soldatinnen als Täterinnen

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Die US-Obergefreite Lynndie England hat im Skandal um das irakische US-Foltergefängnis Abu Ghraib im Frühjahr 2004 traurige Berühmtheit erlangt. Aus dem Gefängnis geschmuggelte Fotos zeigten sie in sexuell aufgeladenen Posen, mit einem nackten irakischen Gefangenen an der Hundeleine oder lachend auf die Genitalien eines anderen Gefangenen zeigend. Das Klischee der friedfertigen Frau erklärt, warum die Medien den Fall Lynndie England gleich doppelt skandalisierten: Eine folternde Frau, die augenscheinlich Spaß an Gewaltausübung hat, verletzt nicht nur Menschenrechte, sondern auch gängige Vorstellungen von Weiblichkeit. Lynndie England soll laut „New York Times“ in einem Verhör ausgesagt haben: „Wir fanden, es sah lustig aus. Deshalb wurden die Fotos gemacht.“ Die in der Hierarchie eher unten stehende Folterin wurde in der Folge zu einer vergleichweise hohen Haftstrafe von drei Jahren verurteilt, ihr Freund, der Rädelsführer Charles Graner, bekam zehn Jahre Haft, außerdem gab es weitere Verurteilungen von Soldaten niedriger Dienstgrade. Der einzig angeklagte Offizier, Oberstleutnant Steven Jordan, wurde mit einem verwaltungsrechtlichen Verweis abgeurteilt. Alle Versuche, Ex-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld anzuklagen, schlugen bisher fehl. Die mitverantwortlichen höheren und höchsten Militärs, die die Misshandlungen direkt oder indirekt angeordnet hatten, blieben also ebenso unbestraft wie die Soldaten, die mit der Vergewaltigung gefangener irakischer Frauen „gängige“ sexuelle Gewalt ausgeübt hatten.

Die pornografischen Fotos haben in den Feuilletons eine Diskussion darüber provoziert, ob es für arabische Männer besonders demütigend sein könnte, von einer Frau gefoltert zu werden. Die taz-Journalistin Heide Oestreich wies darauf hin, dass ein solcher Gedanke auf den Unterwerfungsfantasien derjenigen ruht, die diese Art von Folter anordnen oder durchführen. Nur wer findet, dass rosa Unterwäsche demütigend für einen Mann ist, kann auf die Idee kommen, Gefangene dazu zu zwingen, rosa Unterwäsche zu tragen, wie es in einigen US-Gefängnissen üblich ist. Insofern sagen die Bilder mehr über die Gewaltporno-Fantasien von US-Soldaten gegenüber arabischen Gefangenen aus als umgekehrt. Jenseits dessen ist die kulturalistische Perspektive gefährlich: Gut gemeinte Unterstellungen von Sensibilitäten untergraben den Gedanken der Universalität der Menschenrechte und der universellen Gültigkeit der Genfer Konvention.

Die symbolische Entmännlichung des Feindes, die Lynndie England vornahm, indem sie lächelnd mit Zigarette im Mundwinkel auf die Genitalien eines irakischen Gefangenen zeigte, ist ein bekannter Topos des Militärs. Verweiblichung als Beschimpfung und Herabwürdigung gehört zu jeder Art militarisierter Männlichkeit. Dass eine Frau arabische Männer sexuell demütigen darf, lässt die US-Männlichkeit intakt. Der arabische Gefangene ist ohnmächtig – der amerikanische Soldat nicht, obwohl die Bilder die Angstlust des Mannes vor der starken Frau inszenieren. Die Inszenierung einer „umgekehrten“ Vergewaltigung stützt das System Militär, das auf Herabwürdigung des „Weiblichen“ ruht. Diese Struktur muss nicht zwangsläufig in sexualisierte Gewalt umschlagen, aber sie tut es immer wieder. Auch in den riesigen Rotlichtgebieten, die sich regelmäßig um US-Basen in aller Welt bilden.

Quellen:
Harders, Cilja (2004): Moderne Kriegermütter und die neue Weltordnung, in: Blätter für deutsche und internationale Politik, Nr. 9, Jg. 49, S. 1001-1111, www.de.wikipedia.org/wiki/Abu-Ghuraib-Folterskandal


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