Sie haben dem Feminismus im Netz ein Zuhause gegeben: Den Gemeinschaftsblog „Mädchenmannschaft“, preisgekrönt und immer frisch, gibt es nun schon fünf Jahre. Vor kurzem aber zog sich auch noch die letzte Gründerin zurück, die „Mannschaft“ ist komplett ausgetauscht. Susanne Klingner, Barbara Streidl und Meredith Haaf hatten die Seite konzipiert, nach dem ihr Buch „Wir Alphamädchen“ sich zum Bestseller entwickelt hatte. Ihr Credo: „Feminismus macht das Leben schöner“. Wellness-Feminimus nannte Alice Schwarzer das abfällig. Aber die drei setzten auf Lebensfreude – gern auch mit Männern - statt aufs Leiden am Patriarchat – und sie trafen damit einen Nerv in ihrer Generation, die sich nicht über das Opferdasein definieren will und dem Schwarzweiß-Feminismus von Alice Schwarzer eher kritisch gegenüber steht.
Die neue Mädchenmannschaft präsentiert sich nicht mehr so arglos. Sie debattiert heftig, der Ton ist rau. Kann ein Slutwalk, leicht bekleidete Frauen, die sich durch ironische Affirmation gegen die Zuschreibung „Schlampe“ wehren, an den Münchner Wiesn vorbei führen, wo es immer wieder zu sexuellen Übergriffen kommt? Frauen, die solche schon erlebt haben, fühlen sich mit der Route überhaupt nicht wohl. Können dabei weiße nackte Frauen, die auf ihren Körper einen schwarzen Schleier aufmalen, so für die Freiheit von Musliminnen demonstrieren? Hätten sie sich mal fünf Minuten in deren Lage versetzt, wären ihnen vielleicht Zweifel gekommen: Weiße, die sich schwarz anmalen, stehen in einer unguten rassistischen Tradition. Und warum sprechen Weiße überhaupt für Musliminnen, und nicht mit ihnen? Critical Whiteness nennt sich der theoretische Ansatz, der die unsichtbaren Privilegien der als „weiß“ wahrgenommenen Menschen und das damit einher gehende Machtgefälle sichtbar machen möchte. Wer spricht über wen? So wurde auch ein Panel bei der Geburtstagsveranstaltung der Mädchenmannschaft kritisiert, weil eine „weiße“ Journalistin dort über den arabischen Frühling sprechen wollte – ihr Spezialgebiet.
Interessante Debatte? In der Tat. Aber wie sie geführt wird, das ist Feminismus zum Abgewöhnen. Da werden Privilegien nicht nur bewußt gemacht. Sondern verfolgt. Jemand regt sich auf, weil heterosexuelle Kleinfamilien ihr heterosexuelles Kleinfamiliendasein vor Menschen aufführen, die vielleicht auch gern Kinder hätten, aber keine haben. Wenn die Slutwalk-Organisatorinnen ihre Wiesn-Route rechtfertigen, schließen sie also Frauen mit Opfererfahrung aus, wird festgestellt. Und die arme Frau, die nichtsahnend – und offenbar auch nicht von der Mädchenmannschaft vorgewarnt - ihren Workshop über den arabischen Frühling anbot, liest hinterher in der Distanzierungserklärung der Mädchenmannschaft, es seien „weiße Dominanzstrategien“ ausgeübt worden: „Sollte sich die Verantwortungsübernahme der betreffenden Workshopgeberin als weiß Positionierte in diesem Aufarbeitungsprozess nicht wiederfinden, halten wir personelle Konsequenzen nicht für ausgeschlossen, steht da.
Das Opfer ist zurückgekehrt. Bei Alice Schwarzer waren es alle Frauen. Heute sind es marginalisierte Gruppen. Ja, es waren privilegierte, als weiß wahrgenommene, zumeist heterosexuelle Mittelschichtstöchter gewesen, die da zu Beginn des Blogs auf fröhlichen Feminismus mit Mann und Kind setzten. Nun sprechen Gruppen, die andere Erfahrungen gemacht haben, Verletzungen erlitten haben. Mit den Verletzungen kommt die Wut. Das ist verständlich. Aber das „Wut rauslassen“ ist eine Strategie, die schon in den Siebzigern nicht aufging. Denn Menschen, die keine Lust haben, die gehen halt einfach.
2012
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ist Redakteurin der taz, die tageszeitung und betreut dort vor allem die Geschlechter- und Gesellschaftspolitik. 2004 erschien von ihr das Buch "Der Kopftuchstreit. Das Abendland und ein Quadratmeter Islam". 2009 wurde sie vom Journalistenverband Berlin Brandenburg für ihre langjährige Berichterstattung über unbewußte Geschlechterklischees mit dem Preis "Der lange Atem" ausgezeichnet.
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