Rassismus und Diversität sind mittlerweile auch zum Thema im Fashion-Business geworden. Models of Color werden für einige Kollektionen lang zum It-Faktor. Aber ändert dies wirklich etwas am wahren Kräfteverhältnis der Gesellschaft?
Kürzlich besuchte ich eine Podiums-Diskussion zum Thema Mode und Diversität. Die Veranstaltung entpuppte sich leider als Flop: Die geladenen Expertinnen – darunter eine äußerst prominente deutsche Modewissenschaftlerin – konnten in der Modebranche partout keine ausgrenzenden Mechanismen feststellen. Im Gegenteil: Die Modeindustrie sei schon lange vorbildlich bezüglich der Integration von People of Color gewesen. Dass sich diese Aussage auf eine durchaus überschaubare Anzahl schwarzer Models und Designer*innen und nicht auf die völlig ausgeblendete, millionenfache Ausbeutung von Textilarbeiterinnen im globalen Süden bezog, war dabei ein psychologisch interessanter Twist, wirklich informiert wirkte es aber leider nicht.
Doch Rassismus und Diversität sind dieser Tage auch im Fashion-Business Thema geworden. Interessanterweise geht es in der Mode vor allem um Trends. Und so finden sich beispielsweise im Presseecho auf die letzte Paris Fashion Week auch allerhand abgeschmackte Trendberichte, welche „ethnische Diversität“ als den neusten Schrei der Saison definieren. Wie kam es dazu? Die schwarzen Topmodels Naomi Campbell und Iman Abdulmajid starteten beispielsweise vor zwei Jahren eine Kampagne für mehr Diversität auf dem Laufsteg. Iman berichtete in Interviews davon, wie sie von Designern abgelehnt wird, wenn diese bereits ihre inoffizielle „One-Black-Girl-Quote“ erfüllt haben. Gut, ein erfolgreiches Model wie Iman wird eine Absage finanziell verkraften, auch wenn es ihr laut eigener Aussage wehtut, aufgrund von Hautfarbe als austauschbarer Typ zu gelten. Iman ist jedoch nicht nur weltweit gefragt, sondern auch in Somalia geboren – einem wirtschaftlich gebeutelten, durch (post-)koloniale Kriege ausgezehrten, von negativen Stereotypen fremdbestimmten Land. Eine solche Einstellungspolitik bedeutet für die meisten anderen somalischen Models mehr als bloße Kränkung. Das „Heute leider kein Foto“- der weltweiten Laufstege erschwert ihnen nicht nur den Zugang zu diesen, sondern auch allerhand anderen Welten. Dabei gesellt sich, wie es im Englischen so schön heißt, „insult“ zu „injury“ – also Demütigung zu Verletzung.
Es geht also auch im Fashion-Business eigentlich und wieder einmal um eine faire gesamtgesellschaftliche Teilhabe. Besonders abträglich für die Integration unterdrückter Gruppen – das wissen feministische Theoretikerinnen wie Nancy Fraser schon lange – sind auf der einen Seite mangelnde Anerkennung und Repräsentation, auf der anderen Seite eben auch wirtschaftliche Fehlverteilung. Die Gefahr einer allzu einseitigen Betonung von Repräsentation lässt sich gut am Beispiel der Fashion-Industrie ablesen: Hier werden Models of Color für einige Kollektionen lang zum It-Faktor, wird nicht-weiße Haut vielleicht zum saisonalen Statussymbol. Aber ändert dies wirklich etwas am wahren Kräfteverhältnis der Gesellschaft?
So ändert ja auch die Frauenquote nichts daran, dass „typisch weibliche“ Berufe weniger Ansehen genießen, als „typisch männliche“ und somit am insgesamt untergeordneten Status von Frauen genauso wenig gerüttelt wird wie am weltweiten Gender Pay Gap. Ebenso wenig hilft es, wenn sich ein Spitzen-Unternehmen wie Google mit seiner diversen Zusammensetzung einen hippen Anstrich geben will. Oder wenn uns der Multikonzern Unilever mit der Seifenmarke „Dove“ feministisches Empowerment verkauft – und als „Axe“ mit seifigem Sexismus Geld macht. Genauso oberflächlich ist es, wenn ein Fashionlabel wie Desigual mit einem von der „Hautflecken“-Krankheit Vitiligo betroffenen schwarzen Model soziales Engagement und „bunte“ Andersartigkeit vorgibt.
Das politisch korrekte „Anderssein“ wird hier zum kulturellen Aushängeschild der betreffenden Firmen und Institutionen. So verheddert sich selbst etwas augenscheinlich Positives schnell in identitären Fallstricken: Die von diesen Entscheidungen profitierenden Frauen oder People of Color erhalten Zugang zu bestimmten Bereichen, ja. Aber im Gegenzug müssen sie das Feigenblatt der Diversität verkörpern und mitunter sogar bestimmten Stereotypen entsprechen. Die gesellschaftlichen Grundlagen jedoch, die sich nicht nur in ungerechter Verteilung ausdrücken sondern diese auch hervorbringen, werden hierdurch regelrecht verschleiert.
Was also kann Diversität erreichen? In einer im doppelten Sinne oberflächlichen Branche wie der Modebranche stößt man besonders schnell an Grenzen, denn solange Diversität über augenscheinliche Andersartigkeit markiert wird, lässt sich diese Spirale des tokenisms, also der politischen Alibifunktion, schwer durchbrechen. So lautete denn auch jüngst der resignierte Ratschlag des ehemaligen Supermodels Bethann Hardison an werdende Models of Color: „Sucht euch eine andere Branche.“