Wie wir als Queer-Feminist*innen im Galopp unserer Wut von Robotern lernen können, besser zu scheitern. Kweek. Der queere Zwischenruf.
Mein Frauentag begann mit „The Terminator and the Washing Machine". Das kleine New-York-Times-Video drehte sich um Robot-angst, also der Panik vor künstlicher Intelligenz und Maschinen, die die menschliche Arbeitskraft abzulösen oder human smartness in Frage zu stellen drohen. Botschaft des Films sollte aber das Well-Being mit niedlichen Pflegeandroiden im Kontext von Ambient Assistant Living sein. Bilder maskulinistischer Terminatoren der 1990er Jahre wurden hierfür durch mit hellen Farben und glänzenden Oberflächen ausgestattete ‚Guthumanoiden’ ersetzt.
Wirklich Freude bereiteten mir aber die Sequenzen am Ende, in denen Roboter von Treppen stürzten, weil sie sich verkalkuliert hatten, oder in denen sie Bildern falsche Bedeutungen zuwiesen. Von Robotern lernen, heißt fehlen lernen, dachte ich mir und war sogleich guter Dinge, in den geschichtsträchtigen und emotional aufgeladenen Frauentag hineinzustolpern, der ja nur selten konstruktives für feministische Debatten bereit hält. Und wumms war es auch schon passiert: Der erste Artikel, den ich las, handelte von der feministischen Selbstdemontage. Zeit Online schenkte sich nichts und machte mit einer weiteren im Duktus der Streitschrift verfassten Hetzrede über die Schuld des modernen, wahlweise postmodernen Feminismus am Verderb frauenbewegter Zielformulierungen auf. Meine Stimmung war dahin, Wut machte sich breit.
Zu laut
Mit nur wenigen Worten hatte die Autorin geschafft, ein Gefühl zu erzeugen, gegen das zu argumentieren sie angetreten war: Wut. Dass sie sich dabei ‚gewitzten’ Konstruktionen bedient, ist wenig überraschend. Mit Formulierungen wie „die leichte Entflammbarkeit feministischer Diskussionen“, „die Übererregbarkeit weiter Teile der feministischen Bewegung“, die „grellen Stimmen des Feminismus“ oder „empfindlichen Teilen der Frauenbewegung“ naturalisiert sie Wut zunächst einmal als per se weibliches Gefühl. Und rundet das Bild ab mit sich wie Maikäfer aufpumpenden Feministinnen – ein Naturschauspiel, das der Begründung dienen soll, die Biologie und „angeborenen Faktoren“ als Ursachen der Geschlechterpolarität anzuerkennen.
Anschließend stigmatisiert und pathologisiert sie Wut mittels eines (selbstverständlich nicht benannten) Wertekatalogs als eine zur Hysterie, Paranoia und Infantilität neigende Emotion. Nun ist die Basis hergestellt, um fordern zu können, infantil zeterndes Wut-Gebaren abzuschaffen und sich versöhnlich mit Männern und Halbtagsstellenfrauen (die Autorin ist unentschieden, wen sie als größeres Feindbild des [post-]modernden Feminismus festlegen soll) in den Armen zu wiegen. Dass sie dabei selbst Anschuldigungen und feminism shaming als potentiell emotionalisierende und verärgernde Stilmittel verwendet, ist ihr offensichtlich egal. Denn wer das formale und informelle Recht hat, wütend zu sein und sich lautstark zu äußern (ich sage nur AfD und wutschnaubendes Protestwahlverhalten), hängt davon ab, wer sich innerhalb des normativen moralischen Wertebereichs befindet. So argumentiert auch die Affekt- und Kulturtheoretikerin Lauren Berlant in ihrem Buch Cruel Optimism.
Die Wut der anderen
Diejenigen, deren Krach zählt („whose noise matters“), kontrollieren die Zonierung von Wut. Damit im Zusammenhang steht aber noch mehr: nämlich die Frage, inwiefern die unterschiedliche Verteilung legitimierter Wut Einfluss auf den Status des Melodramatischen und den der Krisenrhetorik im Politischen hat. Wut, die intelligibel, also im Rahmen geltender Normen oder angesichts vermeintlich verlorener Werte begreiflich ist, verschärft das Sprechen im Modus des Dramas und der (Geflüchteten-, Wohlstands-, Feminismus-)Krise, ohne dabei selbst in eine Krise zu geraten. So erscheint der Populismus eines solchen Wutartikels als feuilletonistisch abgesicherter, politischer Debattenbeitrag oder werden die mit der Krise jonglierenden Wutwahlen als demokratische Akte verkauft. Seehofers „Wut-Kurve“ hält Überforderungsmetaphern in Spur, wird aber anhand diagrammatischer Verzeichnungen rationalisiert und in der norm’schönen’ Mitte männlicher Logik verortet. De Maizière wird wiederum als besonnen bezeichnet und dass, obwohl er ebenso das von Wut angefütterte Vokabular der Überforderung bedient.
Die Wut der feminist killjoys hingegen wird als gefühlsduselige Empörung verworfen, erscheint deplatziert, hysterisch und vor allem eins: nicht politisch.
Was lernen wir daraus? Vielleicht ja, dass wir denen, die die zerstörerische Wut bei den Anderen (in diesem Falle modernen Feministinnen) verortet sehen, die Maske des wohltemperierten Gefühlshaushalts abnehmen sollten und damit die Maske ihrer (männlich) abendländischen Selbstvergewisserung. Das heißt, dass wir sie in ihrer Behauptung enttarnen, über ein emotionales Regime gemäßigter Gefühle zu verfügen.
Wir lernen aber auch, dass das Melodrama nicht das Genre queer-feministischer, politischer Wut sein sollte. Wenn wir Wut nicht nur in ihrem Eifer der maximalen Intensivierung von Drama sehen, sondern in ihren ulkigen Aufführungsschwächen, ihrem abseitigen Gemurmel und sich vergaloppierenden Gepolter wahrnehmen, können wir uns in unserer Kritik gegenüber den strukturellen Bedingungen begegnen.
So auch verhält es sich mit den Robotern: In ihrem alltäglichen Misslingen, ihren unvorhergesehenen Abstürzen und Versprechern erscheinen sie nicht mehr der hollywoodesken Dramatisierung entsprechend als angsteinflößende Maschinen, sondern als Vergewisserungen menschlicher Fehlbarkeit. Von Robotern lernen, heißt Scheitern lernen beziehungsweise das Trial-&-Error-Prinzip als menschliches wieder und wieder zu entdecken und aufzuspüren.
Geschätzte Selbstdemontage
In besagtem Artikel dem Trial-&-Error-Verfahren der Argumentierung nachzuspüren, ist weder schwierig noch dramatisch, sondern kann als der alltägliche Lapsus eines von Wut getriebenen Echauffierens verbucht werden. Da wird einmal hysterisches Gebrüll angeklagt, um dann postfeministische Müdigkeit als Problem hochzustilisieren. Oder es wird die „verbrannte Erde“, die die Frauenbewegung hinterlassen habe, mit der Behauptung verknüpft, der Feminismus würde, bevor es überhaupt brennen würde, schon Feuer schreien. Da geht halt manches durcheinander.
Und so erscheint inmitten dieses ja doch sehr wütenden Artikels der Autorin zumindest eine potentiell teilbare Gemeinsamkeit: die der unbeabsichtigten Selbstdemontage. Denn im Galopp der Wut verstrickt sich die Autorin in den vielen Argumenten, Für- und Gegenreden und der Gleichzeitigkeit widersprüchlicher Aussagen. Annäherung ist daher in der Selbstdemontage möglich.