Auch die SZ druckt nun Hasstiraden gegen die Gender Studies. Heide Ostreich schlägt eine Analyse der „Argumentations“figur vor.
Und wieder die Gender Studies. Diese Disziplin zu verhauen und zwar möglichst kenntnisfrei, ist angesagt in den konservativen Medien, zu denen wir spätestens seit April auch die Süddeutsche Zeitung zählen dürfen. Ein Text des Autors Christian Weber vom 16.4. zeigt, wie diese „Argumentations“-Figur gestrickt ist. Man nehme die extremsten Thesen der Genderforschung, multipliziere die mit der Zahl der Professuren, die auch nur im Entferntesten etwas mit Gender zu tun haben und erhält: einen vermeintlichen Skandal. „Nahezu alle Gendertheoretiker verneinen, dass sich biologische Unterschiede zwischen den Geschlechtern auf Kognition, Fühlen und Verhalten auswirken“, erklärt der Autor. Und machen Sie sich mal dies klar: „Jede Million mehr für die Geschlechterforschung ist eine weniger für die Meteorologie oder die Byzantinistik“. Die Byzantinistik! Kaputtgemacht durch die Gender Studies!
So provokant ist es also, wenn man sich nicht mit der Biologie beschäftigt, weil man das Thema, wie wir unsere Geschlechterrollen konstruieren, einfach interessanter findet. Dabei erweisen sich dann oft die angeblichen biologischen Konstanten gerade als gesellschaftliche Konstrukte: Wie lange hat die Hirnforschung zu beweisen gemeint, dass Frauen schlechter abstrakt denken können? So lange, bis die erstaunliche Plastizität unserer Hirne klar wurde. Und das auch vom Weber zitierte evolutionsbiologische Konstrukt: „Männer wollen nur ihr Sperma verteilen“? Noch nicht mal alle Tiere funktionieren so, und die sind sogar völlig unbeeinflusst von gesellschaftlichen Vorstellungen.
Immer Ärger mit der Biologie
Der Witz ist, dass eben bisher niemand nachweisen konnte, wie uns unsere Biologie beeinflusst. Es gibt nur Annahmen darüber und Studien, die öfter widersprüchlich sind, als wir uns das so denken. Ein Klassiker ist die Baby-Studie, nach der weibliche Säuglinge länger in Gesichter schauen und männliche länger auf Autos. Bei einer Wiederholung waren die Ergebnisse dann allerdings nicht mehr so eindeutig. Und dann die Gretchenfrage: Wollen Männer sich tatsächlich lieber mit Autos unterhalten als mit Menschen? Und kann ein Mann eventuell Autos lieben und sich trotzdem noch um seine Kinder kümmern wollen? Unvorstellbar für die Biologist*innen wie Weber – hat er eigentlich Kinder? Und wie oft geht er genau fremd, um seinen Samen zu verteilen?
Es ist verrückt: Denn wir sind alle sehr viel weiter, als diese Autor*innen unterstellen. Noch nicht einmal sie selbst würden wohl zum Beispiel die Elternzeit für Väter in Frage stellen, obwohl die ja nun angeblich gegen unsere Biologie verstößt. Oder unterstützen, dass mehr Frauen Karriere machen können. Das fällt dann auch diesen Autor*innen auf und das wird dann in einem vollendeten Widerspruch ausgedrückt: „Zahlreiche Studien lassen vermuten, dass Frauen auch aus evolutionären Gründen rein statistisch weniger ausgeprägte Karriereambitionen als Männer haben. Was nicht heißt, das man sich nicht ein paar mehr weibliche Dax-Vorstände erhoffen darf.“ Ja, was denn nun? Und wieso ist die „Vermutung“ laut der „zahlreichen Studien“ nun so viel exakter als die Vermutung der Gender Studies, dass da doch eine ganze Menge sozial konstruiert ist?
Man könnte darüber lachen, wenn es nicht so traurig wäre, weil es so furchtbar vorhersehbar in die Reihe männlicher Zuschreibungen passt. Eine kleine Chronologie: Frauen sind keine Menschen und haben deshalb keine Rechte – Frauen können nicht denken und brauchen deshalb keine Bildung – Frauen können nicht abstrakt denken und dürfen deshalb nicht studieren. Na gut, Frauen können zwar doch denken, aber Frauen sind für die Kinder da und bleiben deshalb schön zu Haus. Und nun: die Wissenschaft, die diese Annahmen in Frage stellt, ist gar keine Wissenschaft. Hätte man eigentlich selbst drauf kommen können.