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Stephen Whittle: „Die Yogyakarta-Prinzipien fungieren als Leitlinien und als stetiger Bezugsrahmen“

Regenbogen-Flagge auf der London Pride Parade 2009
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Pride Parade in London

10 Jahre nach der Ausarbeitung der Yogyakarta-Prinzipien, der „Prinzipien zur Anwendung der Menschenrechte in Bezug auf die sexuelle Orientierung und die geschlechtliche Identität“, spricht Caroline Ausserer mit Professor Stephen Whittle, einem der daran beteiligten Expert_innen.

Caroline Ausserer: Sie gehörten zum Team von Menschenrechtsexpert_innen, die im November 2006 an der Gadjah-Mada-Universität in Yogyakarta, Indonesien, die Yogyakarta-Prinzipien ausgearbeitet haben. Können Sie uns mehr über die Geschichte der Yogyakarta-Prinzipien (YYP) erzählen und wie es zu diesem Treffen gekommen ist? Wie entstand die Idee, diese Prinzipien zu schaffen? Was waren die Hauptgründe dafür?

Stephen Whittle: Es war eine völlige Überraschung. Ich bekam eine Einladung und konnte es nicht glauben, denn niemand hatte uns jemals irgendetwas gefragt. Einer der Gründe, weswegen wir im Vereinigten Königreich als Trans*-Aktivist_innen die eigenständige Trans*-Organisation „Press for Change“ gründeten, war, dass unsere Stimme sonst nicht existierte. Ich war bei der Gründung dabei, und auch bei der Gründung von Transgender Europe (TGEU), und 2007 wurde ich Präsident_in von WPATH, der_die erste Nicht-Mediziner_in und die erste Trans*-Person in dieser Position. Ich vermute, dass ich eingeladen wurde, weil Robert Wintermute einer der Expert_innen war und er sich bei der Internationalen Juristenkommission (ICJ) sehr stark engagierte.

Wir kannten uns bereits mehrere Jahre und hatten bei ILGA-Europe hinter den Kulissen eng zusammengearbeitet. Dabei sorgten wir besonders dafür, dass es keine Auswirkungen auf die Rechte von lesbischen und schwulen Menschen haben würde, wenn Press for Change Fälle vor den Europäischen Gerichtshof oder den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte brachte. Meine Einladung kam also aus heiterem Himmel, zwei Wochen vor dem Treffen. Meine Güte, ich muss nach Yogyakarta – wo liegt das überhaupt? Ich bin mit einem offenen Geist dorthin gereist und dachte, es sei eine Gelegenheit, mit erstaunlichen Menschen zusammenzuarbeiten.


Bild entfernt.Stephen Whittle OBE, PhD, MA, LLB , BA ist Professor of Equalities Law (Professor für Gleichstellungsrecht) an der Manchester Metropolitan University.

1975, mit 19 Jahren, gründete Stephen die erste Trans-Selbshilfegruppe vor Ort im Vereinigten Königreich. Im selben Jahr wechselte er das Geschlecht und lebt seither als Stephen. In den 1970er und 1980er Jahren verlor er oft den Arbeitsplatz, weil er trans war. 1985 erkannte er, dass es nur zu Veränderungen kommen würde, wenn Trans-Menschen Jurist_innen wurden. 1990 qualifizierte er sich als Anwalt, und 1992 war Stephen Mitgründer von Press for Change (PFC, Auf Veränderung drängen), der Transgender-Lobbygruppe im Vereinigten Königreich. PFC hat vor dem Europäischen Gerichtshof und dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte Verfahren durchgefochten, um rechtliche Anerkennung für Trans-Menschen im Gender Recognition Act (Gesetz über die Anerkennung der Geschlechtszugehörigkeit) von 2004 zu erlangen. 2010 hat PFC für Trans-Menschen vollständigen Schutz unter den britischen Gleichstellungsgesetzen erreicht.

Stephen hat die Regierungen des Vereinigten Königreichs, Irlands, Italiens, Japans und Südafrikas, den Europarat und die Europäische Kommission beraten. Er berät Anwält_innen, schreibt regelmäßig Dokumente für Gerichtsverfahren und fungiert in Gerichten auf der ganzen Welt als Sachverständiger.  2015 wurde er zum Sonderberater ernannt für die Parliamentary Women & Equalities Committee Inquiry into Transgender Equality (Untersuchung des parlamentarischen Ausschusses für Frauen und Gleichstellungen über Transgender-Gleichstellung).

2005 wurde er wegen seiner Arbeit über Transgender-Rechte in der Ehrenliste der Queen zum Neuen Jahr zum Träger des Verdienstordens Officer of the Order of the British Empire (OBE, 2005) ernannt.

Stephen und seine Frau Sarah heirateten 2005, nachdem Stephen als Mann rechtlich anerkannt wurde, sind jedoch seit 37 Jahren ein Paar. Sie haben 4 Kinder durch Samenspende; das älteste hat das Studium abgeschlossen und unterrichtet in China, die anderen studieren gegenwärtig.


Wie würden Sie ihre Rolle während des Treffens beschreiben? Worin lagen die Schwierigkeiten und Herausforderungen bei der Ausarbeitung der YYP?

Meine Aufgabe war dann schließlich, Trans*-Inklusivität sicherzustellen, dass es bei der Arbeit ein Verständnis von der Komplexität von Trans*-Identitäten und Trans*-Lebensentwürfen gab und dass wir eine binäre Vorstellung von Geschlecht hinter uns lassen. Das andere, was mir besonders wichtig war, teils wegen unserer eigenen Familiengeschichte: meine Partnerin hatte immense Schwierigkeiten, ihr Recht auf Samenspenderbehandlung durchzusetzen – weil sie mit mir zusammenlebte. Meiner Meinung nach war es entscheidend, dass wir auch LGBT-Familien einschlossen, aber ich erkannte auch breitere Definitionen von Familie an. So sollten unsere Vorschläge für ein lesbisches Paar in New York mit 2,4 Kindern funktionieren, aber auch für zwei Frauen, die nicht notwendigerweise ein Paar waren und mitten in Nigeria 13 AIDS-Waisen erziehen. Ich wollte sicherstellen, dass unsere Aktionen alle Arten von Familien umfassten, um zu gewährleisten, dass Staaten ihre Verantwortung gegenüber Familien anerkennen.

Worin lagen die Schwierigkeiten?

An erster Stelle das allgemeine Prinzip, dass alle Gerichte dem Kindeswohl oberste Priorität geben müssen. Aber wer entscheidet, was dem Kindeswohl dient? Das wird häufig von Menschen entschieden, die in einem heteronormativen, männlich geführten, von der weißen Mittelschicht geprägten Rahmen leben. Es ging also darum, Möglichkeiten zu finden, im Text für alle Arten von Familien inklusiv zu sein und gleichzeitig anzuerkennen, dass das Kindeswohl oberste Priorität hat.

Zum Beispiel gibt es das Prinzip 24, das Recht auf Gründung einer Familie.

Ja, darauf wird an verschiedenen Stellen verwiesen. Als ich Ihre Mail erhielt, holte ich meine Notizen von damals wieder hervor. Dort steht: „streichen“, „aufnehmen“, „was ist mit Aufklärungsmaterialien?“ usw. Ein ganzes Heft voller Notizen, als wir den Text sorgfältig durcharbeiteten und uns fragten, ob dies alles wirklich inklusiv ist und ob die Gerichte der Welt damit arbeiten können. Das war eine weitere Frage. Denn es ging nicht nur um das britische „Common-Law“-Rechtssystem oder ein europäisches Rechtssystem, das auf dem Römischen Recht fußt, sondern wir untersuchten auch Rechtssysteme von Stämmen, asiatische Rechtssysteme, Sharia usw. und versuchten, das Thema darin zu fassen. Ich hatte das große Glück, dass ich Doktorand_innen aus der ganzen Welt bei der Untersuchung vergleichender Strukturen betreut hatte. Deswegen hatte ich ein recht breit angelegtes Wissen verschiedener Rechtssysteme.

Waren Sie am Ende zufrieden? Was bedeutete die endgültige Fassung der YYP in dieser Phase des Trans*-Aktivismus wurde sie als Eckstein und historische Leistung betrachtet, die die Sache unterstützte, oder hat es Kritik und Kontroversen gegeben?

Ich bin darüber überrascht, wie wenig Kritik es an den Prinzipien gibt. Ich denke, das liegt am breiten Spektrum an Menschen, die dabei waren. Die Tatsache, dass wir aus verschiedenen Ländern ehemalige Richter_innen von Obersten Gerichten dabei hatten, hat unser Wissen wirklich vertieft. Die Prinzipien haben sich bis heute sehr gut bewährt, sie stehen gut im Einklang mit Werten der Menschenrechte, die wir derzeit in der UNO und in Europa haben.

Es war wichtig, dass es sich um kein offizielles UNO-Dokument handelte, aber gleichzeitig platzierte es eine klare und zutreffende Erklärung der Rechte von Menschen ohne Berücksichtigung ihrer sexuellen Orientierung, ihrer Geschlechtsidentität oder ihres Status bei der Geburt in den Rahmen der UNO. Sie sind fast Teil des UNO-Systems geworden – häufig wird angenommen, dass die YYP von der UNO stammen – Rechtsexpert_innen in der ganzen Welt erkennen sie als klare Erklärung der Werte der Menschenrechte für LGBTI*-Menschen an. Sie bieten Anwält_innen und Abgeordneten einen stetigen Bezugsrahmen, an dem sie ihre Arbeit messen können. Beispielsweise wurden die Prinzipien zur Leitlinie bei der Entwicklung der SOGI-Empfehlung des Europarats. Auch bei der Charta der Grundrechte [der Europäischen Union]. Sie sind ein Bündel Leitprinzipien, das ist ihre wahre Rolle.

Wenn Sie auf die 10 Jahre zurückblicken, seitdem die YYP formuliert wurden, welche Auswirkungen haben die Prinzipien gehabt? Global und auch in Ihrer Region? Wie wurden die Prinzipien von Regierungen, Gleichstellungsstellen, Nichtregierungsorganisationen, der Community und insbesondere der Trans*-Community aufgenommen und angewandt?

Beamt_innen wissen nichts davon, bis wir darüber sprechen, aber das gehört zum Prozess der Konsultation und der Beteiligung von Stakeholder_innen während der Erarbeitung von Gesetzen. Hier im Vereinigten Königreich waren sie mit Sicherheit ein Bezugspunkt im Kampf für die gleichgeschlechtliche Ehe. Im Jahre 2004, als das Gender Recognition Act (Gesetz über die Anerkennung der Geschlechtszugehörigkeit) formuliert wurde, wurde auf folgende Regelung bestanden: wenn ein Ehepaar sich scheiden ließ, weil ein_e Partner_in trans* war, dann konnte das Paar eine zivile Partner_innenschaft bekommen, wenn die Geschlechtszugehörigkeit anerkannt worden war. Wenn die Regierung ein Gesetz wollte, das die gleichgeschlechtliche Ehe erlaubt, dann musste sie diese Ungerechtigkeit auflösen – und in den YYP steht, dass es sich um eine Ungerechtigkeit handelt. Im Konsultationsprozess ging es unter anderem darum, dass diesen Paaren zum Zeitpunkt des Marriage (Same Sex Couples) Act 2013 (Gesetz über die gleichgeschlechtliche Ehe von 2013) ihre Ehe zurückgegeben werden sollte, ohne dafür einen komplexen und sehr kostspieligen Weg vorzuschreiben.

Ist Ihnen bekannt, ob sie als politisches Instrument eingesetzt werden, z.B. von LGBTI-Aktivist_innen in Ihrer Region? Setzen Sie sie noch ein?

Ja, ich setze sie ständig ein. Ich arbeite derzeit viel mit Asylbewerber_innen, und die Prinzipien sind eine Möglichkeit, diese Fragen bei den Asylgerichten zu thematisieren; die Prinzipien zu den Themen, mit denen sie sich beschäftigen sollen, wenn es um die Rechte von LGBTI-Asylbewerber_innen geht. Beispielsweise sucht momentan ein indischer Trans-Mann Asyl. Ein Schlüsselfaktor in seinem Fall ist, dass Polizeibeamte in Indien ihn tätlich angegriffen haben, als er wegen eines Verbrechens Anzeige erstattete. Das System der Polizeiarbeit ist in Indien unverändert, Verfolgung gibt es noch immer. Es ist gut möglich, dass der Staat sagt: „Indien hat jetzt ein System, nach dem Menschen des dritten Geschlechts anerkannt werden“ – und ich erläutere, dass das für die meisten Menschen mit einer Trans-Identität nicht relevant ist. Ich muss erklären, dass die Hijra-Frauen ihr Geschlecht nicht in derselben Art und Weise bestimmen wie Trans-Männer dies tun.

Wir benutzen sie ständig, und man kann erkennen, dass die YYP ein gut ausgearbeitetes Rechtsdokument sind, weil sie heute noch solide sind.

Was ist mit der Trans-Community?

Ich denke, die Trans-Community hat sich unglaublich gefreut, mit einbezogen zu werden. Es war das erste Mal, dass wir vollständig und ordnungsgemäß einbezogen wurden. Ich kenne Mauro Cabrals Meinung über die Intersex-Community nicht. Eines der Probleme in Europa ist, dass Intersex-Aktionsgruppen tatsächlich von Eltern geführt werden. Was sie suchen ist etwas ganz Anderes als was eine Intersex-Person selbst wollen könnte, wenn sie erwachsen wird. Als wir die Prinzipien ausarbeiteten, mussten diese Probleme thematisiert und durchdacht werden. Die fünf Tage waren wirklich harte Arbeit. Wir mussten unseren Intellekt auf einer höheren Ebene einsetzen als sonst. Es war sehr anstrengend, aber ein Privileg.

Die Sprache ist sehr speziell, „Trans“ kommt nicht vor. Warum?

Die Ausdrucksweise ist sehr bedacht, denn die Prinzipien behandeln universelle Werte — Rechte, auf die jeder Mensch ein Recht hat.

Es war wichtig, dass wir etwas schufen, das absolut universell war; Menschenrechte für Menschen, deren Geschlechtsidentität in irgendeiner Art und Weise anders war, oder deren sexuelle Orientierung keinen heteronormativen Pfad verfolgte. Und wir wollten, dass die Prinzipien die Debatte eröffneten und nicht beendeten. Daher mussten sie offen sein, sie mussten sich einen rechtlichen Rahmen in der Welt vorstellen, in dem Menschen tatsächlich Freiheiten und Entscheidungsmöglichkeiten haben, als Individuen diejenigen Aspekte ihrer Identität, die für sie am besten waren, autonom zu entwickeln; persönliche und politische Entscheidungen treffen können, die sich von den ansonsten von ihnen erwarteten normativen Werten unterschieden.

Wurde Ihrer Ansicht nach die Öffnung der Debatte erreicht?

Absolut. Wären die Prinzipien nicht geschrieben worden, hätten wir nicht das erreicht, was wir erreicht haben, als die UNO diese Themen 2008, 2009 und 2011 diskutierte. Ich habe überhaupt keinen Zweifel daran, dass wir die Debatte innerhalb der UNO eröffnet haben und dass die Prinzipien der Vorstellung von sexueller Orientierung und Geschlechtsidentität in der ganzen Welt einen festen Platz auf der Menschenrechtsagenda eingebracht haben.

Hat das kürzlich entschiedene Mandat eines UNO-Experten zu SOGI also ebenfalls indirekt mit den YYP zu tun?

All das gehört zum Prozess. Vor den Prinzipien hatten wir alle möglichen Dokumente, es gab viele Debatten und Kommentare, aber keinen Rahmen. Niemand hatte sich hingesetzt und alles zu einer Einheit geformt.

Kritiker_innen der YYP haben auf Folgendes hingewiesen: obwohl die Prinzipien verbindliche internationale Rechtsnormen interpretieren, ist das Dokument selbst nicht rechtlich verbindlich, und auch heute richten sich nur sehr wenige Staaten danach. Wie reagieren Sie auf diese Kritik?

Sie haben natürlich Recht. Die YYP werden niemals verbindlich sein, es sei denn, sie würden von einer Organisation wie der UNO angenommen. Es war immer der Fall, dass die UNO, der Europarat etc. ihre eigenen Dokumente innerhalb ihrer eigenen Organisationsstrukturen schaffen und darin die Themen ausarbeiten würden. Was die Staaten betrifft, Nationalstaaten machen nicht viel. Beispielsweise haben wir in Europa so viele Richtlinien, die Staaten nicht einhalten oder absichtlich falsch interpretieren oder eng auslegen. Aber wenn Aktivist_innen vor Ort sich selbst organisieren und beginnen, Fälle vor Gericht zu bringen, dann bedeutet die Tatsache, dass diese Empfehlungen erstellt worden sind, dass Menschen schließlich ihre Verfahren gegen den Staat gewinnen werden.

Beispielsweise in Irland. Aus meiner Sicht als Aktivist können rechtliche Angelegenheiten immer verbessert werden, aber die Tatsache, dass LGBT-Rechte es so weit geschafft haben, in einem Staat, der früher von den Werten der römisch-katholischen Kirche kontrolliert wurde, ist erstaunlich. Man muss diese Themen in ihrem breiteren Bezugssystem betrachten. Steter Tropfen höhlt den Stein. Ein Prozess nach dem anderen, ein Rechtsetzungsdokument nach dem anderen. Vielleicht ist das die richtige Vorgehensweise, denn sonst gäbe es so viel Widerstand. Stattdessen, wie man in Irland beim Referendum zur gleichgeschlechtlichen Ehe sieht, haben Aktivist_innen festgestellt, dass es enorme und fruchtbare Unterstützung im Hintergrund gab. Sie entsteht nur aufgrund der dahinter liegenden historischen Entwicklung.

Mauro Cabral sprach über die Notwendigkeit einer Intersex-Version der Prinzipien. Wie ist Ihre Meinung dazu?

Die Prinzipien erkennen die Rechte von Individuen auf Autonomie an bezüglich der Entwicklung ihrer Lebensplanung, ihrer persönlichen Art und Weise zu leben, der Beziehungen, die sie eingehen und der Familien, die sie gründen.

Meiner persönlichen Meinung nach müssen Intersex-Themen in einem anderen Forum aufgegriffen werden, nicht in den YYP. Jeglicher Aktivismus von Intersex-Menschen muss die Komplexität anerkennen, die mit der Elternrolle einhergeht, wenn ein Kind geboren wird. Die Intersex-Debatte muss sich dahin entwickeln, dass sie das Recht jeder Einzelperson oder jedes Kindes respektiert, über die Form des eigenen Körpers zu bestimmen. Machen wir uns doch nichts vor, mehr als 60 Prozent aller Mädchen haben irrationale Gedanken über ihren Körper – das müssen wir erst einmal ändern. Ich denke, dass jegliche Vorschläge für besondere Prinzipien hinsichtlich Intersex-Menschen wahrscheinlich in Anerkennung des Universalitätsgrundsatzes der körperlichen Autonomie gefasst werden sollten. 

Ich bin der Auffassung, dass Operationen im Genitalbereich eines Intersex-Kindes niemals in Betracht gezogen werden sollen, bis das Kind alt genug ist, sich an der Entscheidungsfindung darüber zu beteiligen, was mit seinem Körper geschieht, es sei denn, dass die Operationen lebensrettend sind. Wenn das Thema nicht in Anerkennung des Universalitätsgrundsatzes gefasst wird, werden wir nicht wahrnehmen, dass Menschen unterschiedlich sind.

Wir müssen die Frage der Körperrechte sachgemäß in die Schulbildung einbringen. Bislang haben wir das nicht getan. Aber hier im Vereinigten Königreich sehen wir langsam Veränderungen, etwa in manchen Schulen den Einbau neuer geschlechtsneutraler Toiletten, deren bauliche Gestaltung das Recht des Kindes auf eine körperliche Privatsphäre anerkennt.

Denken Sie, dass eine Trans-Version der YYP sinnvoll wäre, oder eine Aktualisierung, etwa YYP2?

Nein, ich denke, wir brauchen eine Körper-Version. Wir brauchen eine sachgemäße Erklärung der Rechte auf Privatsphäre, Autonomie, und das Ziel sollte sein, jedem Menschen die Fähigkeit zu geben, sich gut zu fühlen ... all diese Dinge, die mit dem Körper zu tun haben. Ich denke, wir haben in der Debatte noch einen weiten Weg vor uns – und diese Debatte sollten wir wirklich als nächste führen.

Vielen Dank für das Gespräch.