Im November fand in Berlin zum vierten Mal die Veranstaltung internationaler feministischer Verlage und Publizierender statt. In Lesungen, Gesprächsrunden und einer Performance wurden Themen aus dem Lebensalltag queerer Menschen sowie aus der Arbeitsrealität queer-feminstischer Verlage behandelt.
Zwei Gesprächsrunden widmeten sich der Situation in Mittel- und Südamerika. Aus Mexiko waren die beiden Gründerinnen der Plattform voces en tinta angereist und berichteten von der Geschichte der feministischen Bewegung vor Ort und ihrer Verankerung in wichtigen politischen Kämpfen. Bertha de la Maza und Mérida Sotelo begannen im Jahr 2000 Bücher aus Spanien zu importieren und sie über das Internet zu verkaufen, da es in Mexiko kaum Möglichkeiten gab, an Publikationen zu gelangen, die Themen der LSBT*IQ-Community behandelten. Aus dem großen Bedarf an Informationen und dem Bestreben, an Sichtbarkeit zu gewinnen, entstand über fast zwei Jahrzehnte ein Verlag, der sich für einen kulturellen Wandel in der Region engagiert. Das angeschlossene Forum, das Café und die Buchhandlung verfolgen bis heute das Ziel, eine Plattform zu schaffen, die Austausch und Vernetzung ermöglicht und sich thematisch mit Gender, Feminismus, Maskulinitäten, sexueller Diversität und Menschenrechten befasst. Die beiden Gründerinnen berichteten über die Geschichte, Entwicklungen und Themen der mexikanischen Literatur der LSBT*IQ-Community seit den 1980er Jahren, sowie über die zur Zeit bestehenden Verhältnisse, unter denen in Mexiko geschrieben und publiziert wird. Sie hoben die Wichtigkeit der nationalen politischen Zusammenarbeit der Community hervor und erzählten, welche Auswirkungen diese auf die kürzlich stattgefundenen Wahlen hatte. Außerdem berichteten sie von ihrem Plan, einen Verlag zu etablieren, der weit über die Landesgrenzen hinaus agiert und publiziert und so den transnationalen lateinamerikanischen Diskurs fördern und Koalitionen schaffen soll.
Aus Bolivien reiste der Aktivist, Dichter, Schriftsteller und Journalist Edson Hurtado an. Über einen Zeitraum von mehreren Jahren sprach er mit Menschen aus der LSBT*IQ-Community in Bolivien und sammelte hunderte von kritischen und doch hoffnungsvollen Geschichten. Er verfasste sie in kurzen Episoden und stellte sie neben Reflexionen zu Medien, Kirche, Sprache und Begehren. Unter dem Titel „Ser gay en tiempos de Evo“ wurde das Buch 2011 in Bolivien im Selbstverlag publiziert. 2018 – kurz vor QUEERES VERLEGEN – erschien im Verlag edition assemblage die deutsche Übersetzung Gay sein in Zeiten des Evo Morales. Für die Veranstaltung konnte nun aus beiden Sprachversionen des Buches gelesen werden. Anschließend sprachen Edson Hurtado und seine Übersetzerin Swintha Danielsen über ihre Arbeit. Moderiert und ergänzt wurde die Runde durch die kolumbianische Dichterin Valentina Ramona de Jesús. Die Entwicklungen der bolivianischen Politik und der gesellschaftliche Umgang mit queeren Lebensweisen, die Herausforderungen und Fallstricke wurden mit vielen Beispielen veranschaulicht. Dabei betonte Hurtado die Notwendigkeit einer internationalen Vernetzung queerer Aktivist*innen und die Bedeutung des Austauschs über die Grenzen eines Landes oder gar Kontinents hinweg.
Diese Vernetzungsarbeit zwischen deutschsprachigen und internationalen Akteur*innen aus dem Globalen Süden und Osten ist einer der Schwerpunkte der Veranstaltungsreihe QUEERES VERLEGEN. Auch in diesem Jahr präsentierten die Verleger*innen an Ständen ihre Publikationen und führten intensive Gespräche sowohl mit den deutschsprachigen Verlagskolleg*innen als auch mit dem interessierten Publikum und mit Vertreter*innen aus Vereinen, Berliner Kultureinrichtungen und Politik.
Später im Programm beschäftigten sich Gesprächsrunden mit der Situation queeren Verlegens im deutschsprachigen Raum. Die Teilnehmer*innen thematisierten den zunehmenden Rechtspopulismus und suchten gemeinsam nach Möglichkeiten der Bündelung von Kräften. Es ging konkret um Überlebensstrategien und Fördermöglichkeiten für kleinere Verlage sowie um die Notwendigkeit einer Positionierung gegen rassistische und lsbtiq-feindliche rechte Strömungen. Wie wichtig die Arbeit der Publizierenden, auch für den Nachwuchs in der LGBTIQ*-Gemeinschaft ist, zeigten die Lesungen von Autor*innen des Vereins Lambda Berlin-Brandenburg. Junge Erwachsene stellten ihre Texte vor und gewährten einen lyrischen Einblick in ihre LSBTIQ*-Erfahrungswelten.
Die Veranstaltungsreihe erfreute sich im nunmehr vierten Jahr großer Beliebtheit. Die Sichtbarkeit der queeren Gemeinschaft in Berlin wächst und mit ihr der Bedarf an fundiertem internationalen Austausch.