Fünf Frauen sind seit Jahresbeginn in Österreich ermordet worden. Bereits 2018 hielt Österreich den grauenvollen Europa-Rekord. Die Regierung nutzt die Gewalttaten für ihre rassistische Instrumentalisierung.
Die rechte Instrumentalisierung von Gewalt gegen Frauen ist nicht neu. Doch gegenwärtig betreibt die österreichische Regierung die rassistische Indienstnahme von Frauenmorden mit einer Kaltblütigkeit, die ihresgleichen sucht.
Fünf Frauen sind seit Jahresbeginn in Österreich ermordet worden, bereits 2018 gab es einen neuen Höchststand an Frauenmorden, Österreich hielt damit den grauenvollen Europa-Rekord.
Das Maßnahmenpaket gegen Gewalt an Frauen, das die rechte FPÖ-ÖVP-Regierung angesichts dieser Eskalation nun medienwirksam ankündigt, ist nicht nur inhaltlich höchst kritikwürdig, so soll z.B. aus ein über viele Jahre gut etablierter Frauennotruf zugunsten eines neuen aufgegeben werden. Begleitet werden diese Ankündigungen überdies von einer beispiellosen Hetze gegen geflüchtete Menschen. Es sei eine Tatsache „dass wir ohne die Migrationskrise von 2015 nicht diese Form an Gewalt gegen Frauen hätten“, behauptet etwa die Außenministerin Karin Kneissl. Mörder mit österreichischem Pass, erklärt Staatssekretärin Karoline Edtstadler zu bloßen Nachahmungstätern, die von den mordenden Migranten quasi inspiriert seien.
Als habe man nur auf die Gelegenheit gewartet, um die Botschaft zu verbreiten, patriarchale Gewalt ginge nur von Fremden oder „den Anderen“ aus.
Historisch ist es genau andersherum: Weiße Männer haben Women of Color systematisch Gewalt angetan
Der Diskurs von der vermeintlich importierten Männergewalt wird leider nicht erst seit den Vorkommnissen der Kölner Silvesternacht beständig aktualisiert. Diese Hetze hat eine lange Tradition. Seit der Kolonialzeit wird vor der drohenden „fremden“ Gefahr durch den „dunklen Gewalttäter“ für die eigene Nation gewarnt – auch wenn es historisch genau andersherum war. Schließlich haben weiße Männer seit der Kolonialgeschichte Women of Color jede nur denkbare Form grausamer Gewalt angetan.
In Deutschland bedient nicht nur die AfD diesen rassistischen Diskurs, sondern etwa auch die rechtsextreme Kampagne #120db, hinter der die „Identitäre Bewegung Deutschland“ steht und die ein „Aufschrei gegen importierte Gewalt, gegen Überfremdung, Gewalt und Missbrauch“ sein will. #120db setzt gut inszenierte Videos ein, in denen Frauen Sätze sagen wie: „Wir sind nicht sicher, weil ihr euch weigert, unsere Grenzen zu sichern.“ Und auch weite Teile der sogenannten Mitte der Gesellschaft stimmen zu.
Rassismus per Email-Direktive
In Österreich enthüllte im vergangenen Herbst ein aufsehenerregender E-Mail-Leak die interne Direktive, dass Sexualdelikte durch Migranten in Presseaussendungen der Polizei „verstärkt kommuniziert“ werden sollen. Eine Anweisung, die von Expert*innen als perfide Maßnahme kritisiert wurde, um rassistische Ressentiments zu schüren.
Bereits das Regierungsprogramm, in dem vor allem von „zugewanderten, geflüchteten Frauen" die Rede ist, die es zu schützen gelte, hatte deutlich gemacht, dass Gewalt gegen Frauen von Schwarz-Blau vor allem als migrantisches Problem adressiert wird. Das ist politisch hinterhältig und in höchstem Maße scheinheilig. Denn besonders groß ist die Empörung über Männergewalt bei denjenigen, die sich sonst entrüstet gegen jede Ausweitung des Gewaltschutzes wehren. Denjenigen also, die sich vor einigen Jahren vehement gegen den „Pograpsch-Paragrafen“ ausgesprochen haben, wie die überfällige Verschärfung des österreichischen Sexualstrafrechts abfällig genannt wurde.
Geschlossene Grenzen schützen keine Frau, im Gegenteil
Natürlich ist auch Kickl, Strache & Co bewusst, dass Gewalt gegen Frauen kein importiertes Problem ist, dass sie stattdessen kulturübergreifend und in allen Gesellschaften und Milieus existiert. Ebenso bekannt und belegt ist außerdem die Tatsache, dass es nicht die Täter hinterm Busch und in der Tiefgarage sind, die wir am meisten fürchten müssen. Es sind die Männer in den eigenen vier Wänden, vor denen das größte Risiko ausgeht, wie sämtliche Statistiken zeigen. Es sind Ehemänner, Partner, Verwandte und Bekannte, die für den Löwenanteil der verübten Gewalttaten verantwortlich sind, das ist seit langem bekannt – sicherlich auch dieser Regierung. Eine Anweisung, die fordert, dass Meldungen besonders dann lanciert werden sollen, wenn es um migrantische Übergriffe im öffentlichen Raum geht, bei denen „zwischen Täterin und Opfer keine Verbindung besteht“, wie es im geleakten Mail wörtlich heißt, ist also eine gefährliche Verzerrung realer Bedrohungsszenarien. Gewalt soll dabei konsequent nicht als gesellschaftspolitisches Problem verhandelt werden, sondern ausschließlich als „Sicherheitsproblem“. Doch gegen häusliche Gewalt richten rigidere Asylgesetze nichts aus, denn – und das kann nicht deutlich und oft genug gesagt werden! – hierfür braucht es eben keinen besseren Grenzschutz, sondern dafür ist ein Kulturwandel nötig.
Doch genau diesem Kulturwandel stellt sich die rechte Regierung Österreichs entschieden entgegen, nicht nur durch das reaktionäre Frauen- und Familienbild, das sie vertritt, sondern ganz konkret auch durch die massiven Kürzungen bei vielen feministischen und frauenpolitischen Initiativen im vergangenen Jahr. Die Arbeit dieser Organisationen richtet sich auf allen Ebenen gegen Machtmissbrauch, Sexismus und Ungleichheit, denn das ist die einzige sinnvolle und nachhaltige Strategie gegen Männergewalt. Dem frauenpolitischen Kürzungswahn der Regierung fielen dabei auch konkrete Gewaltschutzmaßnahmen zum Opfer. So hat das Innenministerium eine Konferenz für Hochrisikofällen abgeschafft, mit dem gewalttätige Gefährder möglichst früh identifiziert werden zu können, Maßnahmen, nach denen nun wieder verlangt wird.
Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) beruft sich übrigens bei seinem Hardlinerkurs gegen Asylsuchende zwar gerne auf Frauenrechte, Menschenrechte hingegen empfindet er als hinderlich. Den jüngsten Eklat gab es in Österreich – einem Land, in dem laut Österreichischem Rechtsanwaltskammertag inzwischen „die Gefährdung der Grund- und Freiheitsrechte in der Luft” liegt und ein Rating zum Zustand der Zivilgesellschaft von bisher „offen“ auf „eingeengt“ herabgestuft wurde – wegen Kickls Angriffen auf die Europäische Menschenrechtskonvention. Verärgert über verfassungsrechtliche Einwände gegen seinen Vorschlag, Ausgangssperren zu verhängen und Asylbewerber*innen in Zukunft auch ohne rechtskräftiges Urteil abschieben zu können, sagte Kickl: „Das Recht hat der Politik zu folgen und nicht die Politik dem Recht.“ Letzteres ist aber die Grundlage von Rechtsstaatlichkeit.