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Theorie und Praxis – Zehn Jahre UN-Resolution 1325

 

29. Oktober 2010
Barbara Unmüßig

von Barbara Unmüßig

Die vor zehn Jahren verabschiedete UN-Resolution 1325 zu Frauen, Frieden und Sicherheit hält fest, dass Frauen in die Konfliktbearbeitung auf allen Ebenen und angemessen beteiligt werden müssen. Diese Maßgabe gilt auch für Deutschland – auch wenn davon in der Praxis wenig zu spüren ist.

In Europa haben 13 Staaten – darunter zehn EU-Mitgliedstaaten – einen nationalen Aktionsplan zur Umsetzung der UN-Resolution 1325 entwickelt. Sogar der Rat der Europäischen Union und die EU-Kommission haben einen umfassenden Ansatz für die Umsetzung verabschiedet. Einen bundesdeutschen Aktionsplan gibt es aber nicht. Deutschland droht damit zum Schlusslicht, wenn nicht gar zum Bremsklotz innerhalb der EU zu werden. Deutschland, das für die kommenden zwei Jahre zum nicht-ständigen Mitglied in den UN-Sicherheitsrat gewählt wurde, sollte schleunigst einen stringenten Aktionsplan vorlegen, der auch innerhalb der UN noch Signalwirkung entfalten könnte.

Alle Oppositionsparteien in Deutschland fordern daher zu Recht einen nationalen Aktionsplan zur Umsetzung der UN-Resolution 1325. Doch die Regierungsparteien beharren darauf, dass ein nationaler Aktionsplan unnötig ist. Der CDU-Bundestagsabgeordnete Philipp Mißfelder argumentierte in der jüngsten Bundestagsdebatte zu 1325, es sei nicht hilfreich, parallel zu den bestehenden Strukturen eine neue Bürokratie – gar ein Bürokratiemonster, so seine Worte – zu schaffen.

Dabei bezieht er sich offensichtlich auf zwei bereits bestehende Aktionspläne der Bundesregierung: der Aktionsplan Zivile Krisenprävention und der Aktionsplan II zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen. Doch deren Bilanz ist ernüchternd. Im dritten Umsetzungsbericht zum Aktionsplan Zivile Krisenprävention, der im Juni dieses Jahres verabschiedet wurde, stellt die Bundesregierung zwar fest, dass sie sich für die aktive Einbindung von Frauen in Entscheidungsprozesse einsetzt. Wie das geschehen soll, wird jedoch nicht erläutert, obwohl die Fakten bekannt sein müssten. Frauen sind in der Friedens- und Sicherheitspolitik unterrepräsentiert. Gleiches gilt für internationale Friedensmissionen. Für eine stärkere Partizipation von Frauen zu sorgen, ist eindeutig eine Aufgabe Deutschlands. Doch die negativen Folgen vornehmlich männlich zusammengesetzter Friedensmissionen scheint die Bundesregierung nicht sonderlich zu interessieren: Prostitution, sexuelle Gewalt, Frauenhandel und ein Anstieg der HIV-Infektionen. Ein nationaler Aktionsplan zur UN-Resolution 1325 könnte aufzeigen, wie konkret die Bundesregierung eine stärkere Beteiligung von Frauen an Friedensmissionen ermöglichen will. Auch die Frage, wie das Training von militärischen Einsatzkräften und Friedenpersonal ausgerichtet werden sollte, um etwa Prostitution oder Frauenhandel vorzubeugen, könnte spezifiziert werden. Der Aktionsplan Zivile Krisenprävention reicht dafür nicht aus, anstehende drastische Mittelkürzungen im Haushaltsentwurf 2011 unterminieren zudem dessen Ziele.

Im Aktionsplan zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen, der auf die Lebenssituation von Frauen in Deutschland ausgerichtet ist, sind einige Verweise auf die UN-Resolution 1325 zu finden. Unter dem Kapitel „Unterstützungsmaßnahmen für Frauen im Ausland“ werden Handlungsfelder und Maßnahmen vorgestellt. Dort heißt es unter anderem, dass der Einsatz von Gender-Beraterinnen und Menschenrechtsbeobachterinnen bei Friedensmissionen unterstützt werden soll. Auch hier bleibt offen, wie das geschehen soll. Es fehlt die systematische Bündelung zur Einbeziehung von Frauen auf allen Ebenen der Friedens- und Konfliktbearbeitung. Eine Lücke, die ein nationaler Aktionsplan zur UN-Resolution 1325 endlich schließen müsste. Während mit Blick auf die Lebenssituation von Frauen in Deutschland hervorgehoben wird, dass alle Bundesländer Maßnahmen¬ zur Verbesserung des Schutzes von Gewalt betroffenen Frauen beschlossen haben, fehlt dies mit Blick auf den internationalen Kontext. Hier sind nicht die Bundesländer, sondern gerade die Bundesregierung gefragt, einen entsprechenden Aktionsplan zu entwickeln.

Die ernst gemeinte Umsetzung der UN-Resolution 1325 braucht eine politische und systematische Gesamtstrategie, die Maßnahmen und Verantwortlichkeiten der Bundesregierung, der EU und der UN klar benennt. Das könnte Signalwirkung entfalten für alle Regierungen, die keinerlei politischen Willen für eine konsequente Geschlechterperspektive auf Krieg und Friedensprozesse erkennen lassen. Doch hier versagt die Bundesregierung und ist kein Vorbild auf internationaler Ebene. Weitere Lippenbekenntnisse braucht es zum zehnjährigen Geburtstag der UN-Resolution jedenfalls nicht.


Eine Kurzfassung des Kommentars ist am 29. Oktober 2010 in der taz erscheinen.

 
 
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Barbara Unmüßig

Barbara Unmüßig, geboren 1956 in Freiburg i. Breisgau, studierte an der Freien Universität Berlin Politische Wissenschaft. Von 1996 bis 2001 war Barbara Unmüßig Aufsichtsratsvorsitzende der Heinrich-Böll-Stiftung. Seit Mai 2002 leitet sie die Heinrich-Böll-Stiftung. Sie ist verantwortlich für die Strategie und Programmentwicklung für Lateinamerika, Afrika, Asien, Nahost und das „Gunda-Werner-Institut für Feminismus und Geschlechterdemokratie“. Die Schwerpunkte ihrer Tätigkeit liegen auf den Themen Globalisierung und internationale Klimapolitik, nationale und internationale Geschlechterpolitik sowie Demokratieförderung und Krisenprävention. Im Dezember 2006 wurde sie für eine zweite Amtsperiode wiedergewählt. Barbara Unmüßig hat zahlreiche Zeitschriften- und Buchbeiträge zu Fragen der internationalen Finanz- und Handelsbeziehungen, der internationalen Umweltpolitik und der Geschlechterpolitik veröffentlicht.