Selbstverpflichtung reicht nicht: mehr Frauen in Aufsichtsräte

Franziska Brantner
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Franziska Brantner

Im Sommer 2010 bricht die Deutsche Telekom ein Tabu und führt eine Frauenquote in Führungspositionen ein. Man hätte das noch als Werbestrategie abtun können. Doch mittlerweile haben EON, Bosch, Daimler und BMW nachgezogen. Das sind einige wenige Positivbeispiele, von denen allerdings einige noch Probleme bei der Umsetzung haben. Der Anteil von Frauen in den Vorständen der 30 Dax-Konzerne lässt sich noch immer an zwei Händen abzählen. Ein beschämendes Ergebnis der Selbstverpflichtung, die sich die deutsche Wirtschaft vor mehr als zehn Jahren auferlegt hat.

Die Bundesregierung ist weiterhin untätig. Alles was sie tut, ist regelmäßig zu prüfen, wie weit die Gleichstellung von Männern und Frauen in Führungspositionen vorankommt. Das Ergebnis ist ernüchternd. Mit 3,2 Prozent Frauenanteil in Vorständen von Unternehmen mit mehr als 500 Angestellten kann man wohl noch lange nicht von Gleichberechtigung sprechen. Trotzdem bleibt die Bundesregierung untätig und setzt weiterhin auf freiwillige Verpflichtungen und die Selbstregulierung des Marktes.

Vorreiter in Sachen Quotenregelung: Frankreich, Spanien, Norwegen, Belgien und die Niederlande

Der EU-weite Durchschnitt von 3,2 Prozent Frauen in Vorständen und 13,7 Prozent in Führungsetagen ist zwar in den letzten zwei Jahren jeweils um etwa 1,9 Prozent angestiegen; verglichen mit einem jährlichen Anstieg von 0,6 Prozent in den letzten zehn Jahren scheint es hier Fortschritte zu geben. Allerdings geht die Hälfte des Anstiegs auf die Einführung der Frauenquote in Frankreich im Jahr 2011 zurück. Und selbst mit 1,9 Prozent Anstieg pro Jahr brauchen wir noch 40 Jahre, um auch nur annähernd eine Gleichberechtigung in den Chefetagen zu erreichen. Neben Frankreich haben auch Spanien, Norwegen, Belgien und die Niederlande erfolgreiche Quotenregelungen eingeführt - wie lange will Deutschland dieser Entwicklung noch hinterherhinken?

Norwegen wird zu Recht immer wieder als Vorbild genannt. 2003 hat das Land, das zwar nicht zur EU gehört, aber über seine Mitgliedschaft im Europäischen Wirtschaftsraum eng mit der EU verbunden ist, eine Selbstverpflichtung, die sogenannte „Female Future“ eingeführt. Sie sollte ursprünglich als Alternative zur verpflichtenden Quote gelten. Schnell merkte die norwegische Regierung jedoch, dass die Selbstverpflichtung das Ziel nicht annähernd erreicht und führte daraufhin 2005 eine zwingende 40/60-Regelung für Aufsichtsräte ein. Demnach müssen 40 Prozent der Aufsichtsräte entweder Frauen oder Männer sein. Seitdem steigt der Anteil von Frauen in diesen Gremien kontinuierlich.

Und Deutschland? Unsere Wirtschaft verliert Arbeitskräfte und der Staat Geld, das er in die Ausbildung von Frauen steckt, deren Potential dann nicht genutzt wird. Mehr Frauen als Männer machen Abitur, die Mehrzahl der Studierenden ist weiblich und die Anzahl weiblicher Hochschulabsolventen steigt weiter. Doch trotzdem stagniert der Anteil von Frauen in Führungspositionen. Selbst in der öffentlichen Verwaltung findet man weit weniger Frauen im Führungsbereich als ihr Anteil an der Gesamtbeschäftigungszahl vermuten lässt. Woran liegt es also, dass in Zeiten des Fachkräftemangels, einer alternden Bevölkerung und der Finanzkrise der Anteil von Frauen in Führungsebenen noch vatikanähnliche Zustände besitzt?
 
Gläserne Decke als Haupthindernis

Die Gläserne Decke ist wohl die Hauptursache. Sie entsteht einerseits aus der Unvereinbarkeit zwischen der Doppelbelastung für Frauen (Familie und Beruf) und der ständigen Erreichbarkeit und Mobilität von Führungskräften. Andererseits spielt auch die allzu große Bescheidenheit von Frauen eine Rolle. Während Männer eher zu Selbstüberschätzung neigen, stellen Frauen ihre Fähigkeiten und Leistungen gern einmal in den Schatten. Außerdem erschwert das patriarchalische Denken in den männerdominierten Führungsebenen der Unternehmen den Frauen den Aufstieg erheblich.

Dabei haben führende Wirtschaftsberatungsfirmen bereits mehrfach in Studien belegt, dass gemischte Führungsgremien zu signifikanten Leistungssteigerungen, einem ausgeglichenen Risikomanagement und einem besseren Image bei Kundinnen und Kunden sowie den eigenen Angestellten führen. Ein Durchbrechen der gläsernen Decke ist daher nur mit Hilfe einer Quote möglich.
 
Fortschritte auf EU-Ebene

Während sich in Deutschland Familienministerin Schröder und Arbeitsministerin von der Leyen weiter um die Quote streiten und Kanzlerin Merkel ihr konsequentes Nein bereits mehrmals deutlich gemacht hat, gibt es auf EU-Ebene Fortschritte zu vermelden. Die zuständige Justizkommissarin Viviane Reding, die nach eigener Aussage zwar die Quote an sich nicht mag, aber ihre Ergebnisse gut findet, hat im März 2011 ihren Aufruf „Frauen in die Vorstände“ gestartet, mit dem sich Unternehmen freiwillig für eine Quote verpflichten konnten. Nach einem Jahr zog sie dann allerdings eine ernüchternde Bilanz: Lediglich 24 Unternehmen haben den Aufruf unterzeichnet, von denen ein Großteil mittelständische Unternehmen waren.

Viviane Reding hat daraufhin eine EU-weite Konsultation lanciert, die die Notwendigkeit und Ausgestaltung einer Frauenquote zur Debatte stellte und alle Interessierten aufrief, ihre Meinung zu äußern. Seit Ende Mai wertet die Europäische Kommission die Ergebnisse der Konsultation aus; im Sommer will Reding dann ihre Schlussfolgerungen daraus präsentieren: Reicht Selbstregulierung? Oder brauchen wir verbindliche Regelungen, wie sie bereits in mehreren Ländern existieren? Falls ja, müssen diese Regeln auf EU-Ebene festgelegt werden und für welche Unternehmen sollen sie gelten? All diese Fragen wird Viviane Reding in den nächsten Wochen beantworten müssen.

EU-weite verbindliche Quote erforderlich

Aus meiner Sicht ist eine EU-weit verbindliche Quote unbedingt erforderlich, um der männlichen Monokultur in den Chefetagen ein Ende zu setzen. Der kaum vorhandene Fortschritt in Ländern ohne Quote macht deutlich, dass wir uns nicht länger auf Selbstregulierung des Marktes und das Verantwortungsgefühl der Unternehmen verlassen können. Eine Quote von mindestens 40 Prozent, effektive Sanktionen bei Nichteinhaltung und die Ausweitung auf alle staatlichen Unternehmen sowie alle privaten Unternehmen mit mehr als 50 Angestellten sind nötig, damit wir endlich eine echte Gleichberechtigung erreichen.

Wenn Frau Reding verbindliche Regelungen vorschlägt, werden es Länder, die schon über Quotenregelungen verfügen, leichter haben, solch eine EU-weite Vorschrift umzusetzen und den geforderten Frauenanteil zu erreichen. Für Deutschland wird es sehr schwer sein, den geringen Frauenanteil innerhalb einer gesetzten Frist zu steigern. Außerdem haben deutsche Unternehmen schon heute Probleme, wenn sie zum Beispiel an EU-weiten Ausschreibungen teilnehmen und in den Mitgliedsstaaten, in denen sie tätig werden wollen, Quotenregelungen existieren. Deutsche Unternehmen können dann vom Wettbewerb ausgeschlossen werden, wenn sie die Quotenanforderungen nicht erfüllen.

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Franziska Brantner ist Mitglied des Europäischen Parlaments und außenpolitische Sprecherin der Fraktion Grüne/EFA.
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Dieser Arikel ist Teil des Webdossiers: "Europas gemeinsame Zukunft. Wege aus der Krise?"