Neben der von Beginn an bestehenden EU-Gesetzgebung mittels Verträgen und Richtlinien (das so genannte hard law) sowie der Strategie Gender Mainstreaming seit Mitte der Neunziger Jahre, besteht EU-Gleichstellungspolitik aus mehrjährigen Politikprogrammen, die regelmäßig seit 1982 verabschiedet wurden.
Damit sind die gleichstellungspolitischen Programme der EU eine zentrale supranationale Maßnahme, die unter dem Label „soft law“ eingeordnet werden kann. Diese Programme wurden und werden häufig als so genannte Mitteilung der Europäischen Kommission verabschiedet, meistens beschlossen durch den Europäischen Rat und mit direkten Auswirkungen für die Mitgliedsstaaten beispielsweise durch Benchmarks oder transnationale Projekte. Die Umsetzung der gleichstellungspolitischen Programme erfolgte häufig unter Beteiligung der Sozialpartner, von Nichtregierungsorganisationen (insbesondere Frauenorganisationen), und mitgliedsstaatlichen Organisationen. Ziel europäischer Politikprogramme ist es generell mittels spezifischer Aktionen zur Lösung von Politikproblemen beizutragen, beispielsweise mit dem Europäischen Sozialfonds Berufsperspektiven zu verbessern.
Die Inhalte der Politikprogramme zur Gleichstellung haben sich im Zeitverlauf verändert: während die ersten zwei noch Frauen als mit Defiziten behaftete Zielgruppe für Arbeitsmarktpolitik fokussierten, erweiterten die Folgeprogramme die Perspektive auf strukturelle Ursachen von Geschlechterungleichheiten wodurch Lebensbereiche mit einbezogen wurden, die nicht genuin zur Arbeitsmarktpolitik zählen. Die Rahmenstrategie für die Gleichstellung von Frauen und Männern 2001-2005 schließlich deckte bereits die Themen ab, die auch heute noch den Rahmen für EU-Gleichstellungspolitik bilden.
Mit dem Anfang März 2006 veröffentlichten „Fahrplan für die Gleichstellung von Frauen und Männern 2006-2010“ vollzog die Europäische Kommission allerdings einen grundlegende Wende bei ihren gleichstellungspolitischen Aktionsprogrammen.
Während bis dato die Politikprogramme dazu dienten neue Politikfelder zu erschließen, europäische Rechtsetzung zu initiieren und innovative Aktivitäten in den Mitgliedstaaten unter Einbezug der Sozialpartner und der Zivilgesellschaft anzustoßen, wurde im Fahrplan lediglich eine Zusammenfassung über die supranationalen Tätigkeiten der Kommission geliefert. Zudem war der Fahrplan das erste gleichstellungspolitische EU-Programm ohne ein klar zugeordnetes Budget, ohne Vorschläge für weitere Rechtsetzung, und ohne direkten Einfluss in den Mitgliedsstaaten; alle Aktivitäten beschränkten sich auf das, was die Kommission an Aktivitäten für die Förderung von Gleichstellung ohnehin in den Folgejahren geplant hatte.
Dieser Wandel kam nicht ungeplant, im Gegenteil, es war das erklärte Ziel der gleichstellungspolitischen Akteure in der Europäischen Kommission mit dem Fahrplan einen Wandel zu vollziehen. Dieser Wandel wiederum stieß auf Seiten eher linker Parteien im Europäischen Parlament, den Gewerkschaften und zivilgesellschaftlichen Organisationen auf harsche Kritik, da sie zum ersten Mal nicht beteiligt waren – weder in der Planung noch in der Umsetzung.
Die Beschreibung der Kommissionsaktivitäten im Fahrplan bot noch mehr Anlass für zwiespältige Interpretationen, nämlich ob die formulierten Ziele und Schritte nun ein Fortschritt oder ein Rückschritt sein würden. Ein Punkt unter anderen war der – verglichen mit dem vorherigen Programm – Wechsel von “gender equality” zu “equality between women and men” im Titel des Programms, ein Wechsel, der in der deutschen Übersetzung nicht weiter auffiel.
Insgesamt ließen die zusammengestellten Aktionen erkennen, dass das Verständnis von Gender Mainstreaming als gleichstellungspolitischer Strategie nicht mehr transformierend angelegt wurde. Stattdessen wurden gleichstellungspolitische Ziele in andere Politikfelder und deren Ziele eingeflochten, beziehungsweise diesen untergeordnet. So wurde die Bekämpfung multipler Diskriminierung als ökonomischer Vorteil gerahmt, also eine Maßnahme um das „Beschäftigungspotenzial [von Migrantinnen] voll auszuschöpfen“ (Fahrplan, S. 4). In ähnlicher Weise wurden Vereinbarkeitsprobleme nicht nur als gleichstellungspolitische Frage sondern als ökonomische gesehen: “Gleichzeitig gefährden niedrige Geburtenraten und eine geringere Erwerbsbevölkerung die politische und wirtschaftliche Position der EU“ (Fahrplan, S. 2). Auch Gleichstellung im Gesundheitswesen wurde unter der Überschrift “gleiche wirtschaftliche Unabhängigkeit für Frauen und Männer” abgehandelt (Fahrplan, S. 4), was in der Konsequenz bedeutete, dass Gesundheit lediglich als Frage der Beschäftigungsfähigkeit und ökonomischen Wohlstands definiert ist und nicht als grundlegendes Recht.
Zusammenfassend kann dennoch festgehalten werden, dass die EU-Politikprogramme zur Gleichstellung fest verankert sind auf supranationaler Ebene und das Spektrum der Politikfelder gefestigt ist. Wenn auch Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik in schier endloser Litanei die ewig gleichen Ziele postulieren, so ist in den Themenfeldern Bekämpfung der Gewalt gegen Frauen, gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern in Entscheidungspositionen und Gleichstellung in der Außenpolitik aktuell deutlich mehr Bewegung zu verzeichnen.