Kinderwunschmesse – Deutschland ist eine Insel

Feministischer Zwischenruf

Im Februar finden die ersten Kinderwunsch Tage in Berlin statt. Techniken und Möglichkeiten werden angepriesen, die hierzulande illegal sind. Doch anstatt sich mit weiteren Verbotsgedanken zu plagen, stünde eine ausgewogene Debatte zu der Vielzahl an Möglichkeiten der deutschen Politik sehr gut. Ein feministischer Zwischenruf.

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Künstliche Befruchtung steht in Deutschland nicht jedem offen.

Diesen Februar finden in Berlin erstmals die Kinderwunsch Tage statt. Eine Messe die über Angebote der Reproduktionsmedizin informiert. Doch es regt sich Protest: Denn es werden auch Angebote aus dem Ausland präsentiert, die in Deutschland nicht erlaubt sind (Leihmutterschaft, Eizellspende, Samenspende für bestimmte Gruppen...). 

Die Veranstalter*innen der Messe machten sich, so Politiker von Bündnis 90/Die Grünen und der SPD, auf Nachfrage der Welt, eine Gesetzeslücke zu nutze. Es ist nicht verboten über (illegale) Angebote im Ausland zu informieren, jedoch ist es Ärzt*innen verboten an Kolleg*innen im Ausland zu vermitteln. Diese Lücke gilt es zu schließen, so die befragten Politiker, denn nicht zuletzt werde unter Umständen Menschen mit der großen Hoffnung auf ein eigenes Kind eine enorme Summe Geld abgenommen, eventuell sogar ohne Erfüllung dieser Wünsche.Erfolgsgarantien gibt es nicht, je nach Art der Behandlung liegt die sogenannte Baby-Take-Home-Rate bei unter 20 Prozent pro Versuch.

Prof. Dr. Maria Wersig ist Juristin und Politikwissenschaftlerin. Sie unterrichtet Sozialrecht an der Fachhochschule Dortmund und forscht und publiziert zu sozial- und geschlechterpolitischen Themen und den Schnittstellen von Sozial- und Familienrecht. Sie ist Mitglied des Bundesvorstands des Deutschen Juristinnenbundes.

 

Informationsverbote sind absurd

Doch die geforderte Schließung der Gesetzeslücke ist absurd, denn der Markt lässt sich auch sehr leicht online überblicken. Den Zugang zu Informationen zu begrenzen, löst die gesellschaftlichen und ethischen Probleme nicht. Verschämtes Schweigen über das Thema ist nicht die Lösung – eine differenzierte Debatte schon. So sollte die Frage gestellt werden, warum in Deutschland das Interesse an reproduktionsmedizinischen Angeboten in aller Welt besonders hoch ist. Ein Grund könnte sein, dass die Rechtslage in Deutschland überaus rigide ist, bis hin zu der Tatsache, dass es zwar ein Embryonenschutzgesetz gibt – aber kein Fortpflanzungsmedizingesetz, das den Zugang zu Reproduktionstechnologien diskriminierungsfrei regelt.

Vermarktlichung von Kinderwünschen

Eine strenge Gesetzeslage ist sicher nicht automatisch schlecht, sie sollte aber trotzdem kritisch diskutiert werden. Aus dem Reproduktionstourismus lässt sich jedenfalls ein gewisser Leidensdruck von Menschen ablesen, die in Deutschland keine Möglichkeiten der assistierten Reproduktion haben. Alleinstehende Frauen* zum Beispiel oder lesbische Paare. Andererseits muss die Frage, ob der Kinderwunsch alle Maßnahmen rechtfertigt, wie es die Hochglanzbroschüren nicht nur der ausländischen Reproduktionsmedizin nahelegen, gestellt werden. In einer Welt, wo es vor allem um (Selbst-)Optimierung, ein gelungenes Leben und die Erfüllung von Wünschen geht, gehört das biologisch eigene Kind inzwischen ganz selbstverständlich zum gelungenen Lebensentwurf. Es lässt sich also nicht verhindern, dass Menschen auch im Ausland reproduktionsmedizinische Dienstleistungen in Anspruch nehmen. Dies gilt für bestimmte Gruppen besonders. Zum Beispiel homosexuelle Paare - eine wichtige Zielgruppe der Messe in Berlin. 

Die Debatte endlich führen

Eine ausgewogene Debatte zur Reproduktionsmedizin fehlt bisher in Deutschland. Gibt es vielleicht doch Reproduktionstechnologien, die diskriminierungsfrei zugänglich sein sollten, also zum Beispiel unabhängig vom Familienstand? Hieße Alles können auch alles dürfen? Oder sollte es Mindeststandards geben für die Inanspruchnahme von Leistungen im Ausland, wie der Leihmutterschaft, von denen dann die Anerkennung der Wunschelternschaft in Deutschland abhängt? Gibt es überhaupt das behauptete Recht auf ein genetisch „eigenes“ Kind? Die Politik hält sich bisher sehr bedeckt. Einzig Kindern die in Deutschland mittels Samenspende gezeugt wurden, hat man das Recht auf die Information über die eigene Herkunft gesichert, die Bundesregierung will dessen Umsetzung weiter voranbringen. Mittels eines neu zu errichtendes Samenspenderegister, das die Informationen vorhalten soll. Dänische oder niederländische Spenderinfos wird es allerdings nicht enthalten – eine typische Insellösung auf der reproduktionsmedizinischen Insel Deutschland.