Feministische Themen und Fragestellungen sind so vielfältig wie gesellschaftliche Problemlagen und Kontexte. Henning von Bargen über aktuell Themen, Fragestellungen und Debatten der Frauebewegungen, da fast jede gesellschaftspolitische Frage auch feministische Perspektiven und Lösungen braucht.
Feministische Themen und Fragestellungen sind so vielfältig wie gesellschaftliche Problemlagen, Kontexte und Debatten. Im Kern geht es immer darum, Dominanz- und Machtverhältnisse zwischen den Geschlechtern (in ihrer Vielfalt) in den Blick zu nehmen, zu analysieren und Lösungen für eine geschlechtergerechte Gesellschaft für alle zu entwickeln.
Einige Themen sind in der jüngeren Geschichte zu Dauerbrennern geworden, da sie hart umkämpft sind und Veränderungen nur langsam vorankommen: Sexismus und Rassismus, sexualisierte Gewalt, sexuelle Selbstbestimmung, der Kampf um reproduktive Rechte, Anerkennung sexueller und geschlechtlicher Vielfalt, politische und gesellschaftliche Partizipation sowie wirtschaftliche Teilhabe und eigenständige Existenzsicherung.
So hat EU-weit eine von drei Frauen seit ihrem 15. Lebensjahr körperliche und/oder sexualisierte Gewalt erfahren, und jede zweite Frau war mit einer oder mehreren Formen der sexuellen Belästigung konfrontiert. Sexualisierte Gewalt ist zwar verboten, auch die bis 1997 straffreie Vergewaltigung in der Ehe. Aber tiefsitzende Geschlechterstereotype und nicht hinterfragte männliche Privilegien führen immer wieder zu – meist männlichen – Grenzüberschreitungen. Feministische Debatten und Forderungen drehen sich daher beispielsweise darum, wie der Schutz vor Gewalt – auch strukturell – verbessert werden kann. Wie Frauenhäuser und Beratungseinrichtungen nachhaltig finanziert werden können oder «Nein heißt Nein» angemessen in nationales Recht überführt werden kann; der Grundsatz also, der in der Istanbuler Konvention des Europarates verabschiedet wurde.
Auch 100 Jahre nach Einführung des Frauenwahlrechts sind Frauen im Bundestag (31 Prozent) und den Landesparlamenten (24,5 bis 40 Prozent) deutlich unterrepräsentiert, ebenso in den meisten Parteien. Feminist*innen fragen, welche Strukturen verhindern, dass Frauen*, Schwarze Frauen* und Menschen mit Migrationsgeschichte politische Ämter übernehmen? Wie müssen rechtliche Regelungen zur Aufstellung von Kandidat*innenlisten gestaltet werden? Helfen uns Quoten etwa für Führungspositionen in Politik und Wirtschaft weiter und, wenn ja, wie müssen sie ausgestaltet sein? Welche gesellschaftspolitischen Fragen sind mit der Einwanderungsgesellschaft verbunden und brauchen feministische Perspektiven?
In den 1970er-Jahren mischten sich zahlreiche Frauen* mit dem Slogan «Wir haben abgetrieben» in die Debatte um die Legitimität von Schwangerschaftsabbruch ein. Schon damals wurde Frauen* das Selbstbestimmungsrecht über ihren Körper und ihre reproduktiven Rechte streitig gemacht. Bis heute ist Schwangerschaftsabbruch verboten, strafbewehrt, aber unter bestimmten Voraussetzungen zulässig. Sogenannte Lebensschützer versuchen, diesen hart erkämpften Kompromiss rückgängig zu machen. Sie verklagen zum Beispiel Ärzt*innen, die Informationen über Schwangerschaftsabbrüche bereitstellen. Feminist*innen kämpfen für ein Recht auf Information und fordern weiterhin die Abschaffung des Paragrafen 218.
Frauen* verdienen in Deutschland im Durchschnitt 21 Prozent weniger als Männer. Der Unterschied bei Alterseinkommen oder bei Frauen* mit Migrationsgeschichte liegt noch wesentlich höher. Diese ungleiche Einkommensverteilung ist ebenso eine zentrale Machtfrage wie die ungleiche Verteilung von Erwerbs- und Sorgearbeit zwischen den Geschlechtern. Feminist*innen fordern hier deutliche Änderungen, zum Beispiel der sozialen Sicherungssysteme. Und es geht um ein Wirtschaftssystem, dass die starre Zuschreibung von Pflege- und Betreuungsarbeit (Care) an Frauen* auflöst. Denn nur wenn Männer* wie Frauen* ihre Existenz eigenständig und unabhängig sichern können, kann das auf Augenhöhe verhandelt werden.
Bin ich zu dick, zu alt, nicht schön genug? Bilder idealisierter Weiblichkeit und Männlichkeit prasseln tagtäglich auf uns ein, verunsichern und vermitteln traditionelle Rollenbilder. Der menschliche Körper ist – nicht zuletzt durch Ökonomisierungszwänge in allen gesellschaftlichen Bereichen – zum «Schlachtfeld» geworden – mit fatalen gesundheitlichen und psychosozialen Folgen, nicht nur für junge Frauen* und Männer*. Feminist*innen setzen diesen Bildern Strategien der Selbstbehauptung entgegen. Sie wollen stereotype Geschlechter- und Körperbilder wie in der Werbung oder in den Medien überwinden.
Nicht zuletzt die Digitalisierung wirft aus feministischer Perspektive neue Fragen auf. Wer gestaltet diesen Veränderungsprozess, und sind alle Geschlechter gleichberechtigt beteiligt? Welche (rechtlichen) Regelungen braucht es, um Hassreden und Diskriminierung im Netz zu unterbinden, ohne Freiheitsrechte einzuschränken? Wie können wir verhindern, dass Algorithmen beispielsweise in der Unterhaltungselektronik sexistische oder rassistische Muster reproduzieren? Welche Chancen bietet die Digitalisierung für eine lernende, geschlechtergerechte und solidarische Gesellschaft?
Dies ist nur ein Ausschnitt von Themen, mit denen sich feministische Debatten und Aktivitäten befassen. Fast jede gesellschaftspolitische Frage aber braucht auch feministische Perspektiven und Lösungen. Denn die jeweils wirksamen Macht- und Dominanzverhältnisse, die Gleichberechtigung verhindern, müssen in den Blick genommen und Wege gefunden werden, sie zu überwinden.