"Ganz gleich, wie oft ich meine Sätze umformuliere oder abmildere, ich kann nur selten Rassismus oder Sexismus kritisieren, ohne implizit oder explizit als zornige Schwarze Frau* abgetan zu werden."
Intersektionalität, das war für mich nie ein akademischer Begriff. Wie viele Schwarze Mädchen und Frauen* habe ich wiederholt intersektionales Versagen erlebt, bevor ich es mit einem Begriff bezeichnen konnte. In meiner Schule standen als starke weibliche Vorbilder regelmäßig Emily Pankhurst und Florence Nightingale auf dem Lehrplan. Und wenn es um Rassismus ging, wurde als einzige Schwarze Führungspersönlichkeit stets Dr. Martin Luther King erwähnt. Natürlich hörten wir auch von Rosa Parks, aber sie wurde typischerweise passiv dargestellt, als habe sie den Busboykott von Montgomery zufällig ausgelöst, nicht als die hoch kompetente und erfahrene Bürgerrechtlerin, die sie tatsächlich war. Während ich heranwuchs, hatte ich überhaupt keine Schwarzen weiblichen Führungspersönlichkeiten als Vorbilder.
An der Universität fand ich immer, dass die feministischen Debatten darüber, ob Frauen* Familie und Beruf vereinen konnten, am Kern der Sache vorbeigingen. Ich kam gar nicht auf die Idee, nicht beides zu tun, denn die weiblichen Mitglieder meiner ghanaischen Familie haben immer ihr eigenes Geld verdient und gleichzeitig Kinder aufgezogen. Bei den Schwarzen Studierendenorganisationen machten in der Regel die Frauen* die Arbeit, aber die Führung hatten die Männer. Intersektionales Versagen bedeutet für mich seit jeher, dass meine spezifischen Bedürfnisse und Prioritäten zu oft hintangestellt wurden und werden.
Ich kann schon gar nicht mehr sagen, wie oft ich eine Anfrage für einen Artikel, die Teilnahme an Podiumsdiskussionen oder für Interviews erhalten habe, ohne dass eine Bezahlung erwähnt wurde. Ein Schwarzer männlicher Kollege und ich waren zum Beispiel zu einer Veranstaltung eingeladen, organisiert von einer Arbeitsgruppe der Grünen. Wir sollten die Initiative Schwarze Menschen in Deutschland (ISD) vertreten, und bei der Veranstaltung ging es ausdrücklich um die Umbenennung von Straßen in Berlin zu Ehren Schwarzer Frauen*. Ich wurde wieder ausgeladen, nachdem ich gefragt hatte, ob es wenigstens ein Budget zur Bezahlung der Kinderbetreuung gebe. Mein männlicher Kollege nahm ohne mich an der Veranstaltung teil. Bei anderer Gelegenheit gaben ein anderer männlicher ISD-Kollege und ich ein langes Interview für einen Artikel über Rassismus in Deutschland. All meine Zitate wurden herausgeschnitten, und in der Endfassung wurde ich nicht einmal erwähnt. Interessanterweise wurde jedoch die Stellungnahme eines weißen Mannes eingefügt.
Ganz gleich, wie oft ich meine Sätze umformuliere oder abmildere, ich kann nur selten Rassismus oder Sexismus kritisieren, ohne implizit oder explizit als zornige Schwarze Frau* abgetan zu werden. Der Mangel an Empathie, selbst in sogenannten progressiven Kontexten, ist verblüffend.
Den Begriff „Intersektionalität“ habe ich zum ersten Mal gehört, als er mir fälschlicherweise als Konzept vorgestellt wurde, um die Verbindung von Marginalisierung und Privilegien zu beschreiben, die wir alle an einem Punkt unseres Lebens erfahren. Ich war unzufrieden mit diesem kompliziert klingenden akademischen Begriff, der mir auszusagen schien: wir alle sind Opfer. Im weißen deutschen Umfeld wird er oft in diesem Sinne verwendet, ein weiteres Beispiel für Aneignung. Sobald mir klar wurde, dass das Konzept eigentlich aus Schwarzer feministischer Perspektive entwickelt worden war, um speziell die Erfahrungen Schwarzer Frauen* mit Unterdrückung zu betonen und zu analysieren, verlor ich völlig die Geduld mit allen, die über „Intersektionalität“ sprachen, ohne im selben Atemzug Kimberlé Crenshaw als Urheberin zu erwähnen.
Crenshaw gibt uns eine Analyse an die Hand, die die strukturelle Diskriminierung, wie sie Schwarze Frauen* erleben, benennt, theoretisch unterfüttert und in Kontext setzt. Intersektionalität lässt uns verstehen, warum „anti-rassistische“ Politik nicht unbedingt die Teilhabe Schwarzer Frauen* an der Arbeitswelt steigert oder warum „Frauen*bewegungen“ oft ganz überwiegend weiß sind. Die spezifische, von Schwarzen Frauen* erfahrene Diskriminierung an der Schnittstelle von Sexismus und Rassismus wird nicht angegangen werden, solange feministische Organisationen sich weiter um die Erfahrungen weißer Frauen* drehen und Schwarze Organisationen nichts gegen die männliche Dominanz tun.
Wie könnte das aussehen? Ganz praktisch ist es entscheidend, sich an den Gedanken zu gewöhnen, dass in allen Bereichen von Organisationen alle vertreten sein müssen, auch auf der Entscheidungsebene. Kampagnen wie der „Equal Pay Day“ wollen Lohngerechtigkeit zwischen Frauen* und Männern erreichen. Da stellt sich die Frage – welche Männer? Schwarze Frauen* wissen, dass die Kampagne sich nicht an marginalisierte Männer richtet. Eine Kampagne nach den Lehren des Schwarzen Feminismus würde stattdessen am Abbau der sexistischen Unterdrückung ansetzen (siehe bell hooks) – eine Forderung, die bei radikaler und folgerichtiger Umsetzung allen inner- und außerhalb des Genderspektrums nutzen würde.
Intersektionalität als Werkzeug hat nicht nur meiner Arbeit eine klarere Ausrichtung gegeben, sondern auch mein Bewusstsein für andere Formen von Diskriminierung geschärft, die zwangsläufig aufkommen werden, etwa wegen meiner cis- und heterosexuellen Sozialisation. Ich bin allen Schwarzen Feministinnen dankbar, die uns weiterhin vermitteln, wie wichtig das Prägen von Begriffen ist, um Dominanz zu beleuchten, zu kritisieren und anzufechten.