Wie Gynäkolog*innen über die Menstruation von trans Personen entscheiden

Menschen, denen bei Geburt ein weibliches Geschlecht zugeschrieben wurde und/ oder die einen Uterus besitzen, werden vom medizinischen System vielfach diskriminiert. Eine der wohl bekanntesten Diskriminierungen ist der § 218 StGB. Eine weitere, bislang eher unterbelichtete Diskriminierung im Gesundheitssystem: die Verweigerung der sogenannten Endometriumablation, bei der eine Schmerz- und Blutflusslinderung während der Menstruation erreicht werden kann.

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poster "My Trans Body My Choice!"

Eine Alternative zur Hysterektomie?

Jährlich werden ca. 77.500 Gebärmutterentfernungen in Deutschland durchgeführt. Zur genauen Anzahl an Endometriumablationen gibt es bisher leider keine deutschlandweiten Werte. Die Endometriumablation ist ein Eingriff, bei dem die Gebärmutterschleimhaut (Endometrium) und eine dünne Muskelschicht im Uterus entfernt werden. Die Methoden unterscheiden sich je nach Operateur*in. Beispielsweise kann die Entfernung durch eine Elektrowalze bzw. einen Rollerball durchgeführt werden, oder durch das Goldnetzverfahren (z.B. NovaSure®). Der Eingriff findet unter kurzer Vollnarkose statt und dauert ca. 15 bis 30 Minuten. Im Gegensatz zu stationären Eingriffen wie der Hysterektomie (komplette operative Entfernung des Uterus ggf. mit Eierstöcken), kann eine Endometriumablation ambulant durchgeführt werden.

Innerhalb der Trans-Gesundheitsversorgung ist die sogenannte „radikale“ Hysterektomie Praxis (Entfernung des Uterus und der Eierstöcke). Vielleicht nicht für alle, jedoch sicher für einige trans Personen wäre eine Endometriumablation eine willkommene Alternative. Ärzt*innen sprechen darüber allerdings selten, sowohl mit trans als auch mit cis Patient*innen. Die Vorteile der Endometriumablation gegenüber der Hysterektomie sind vielfältig, insofern eine Hysterektomie nicht medizinisch notwendig oder unbedingt gewünscht ist: der Eingriff ist schonender und die Eierstöcke bleiben im Körper, produzieren also weiter körpereigene Hormone. Die OP kann also vor allem für trans Personen interessant sein, die kein Testosteron nehmen möchten. Im Falle einer radikalen Hysterektomie ist eine lebenslange Hormonotherapie unausweichlich.

Effektiv gegen übermäßige Blutungen – nicht aber gegen Endometriose

Der Eingriff wird durchgeführt, um die monatliche Blutung stark zu verringern bzw. sie komplett zu stoppen, ohne dabei Hormone einzusetzen, wenn beispielsweise eine Hypermenorrhoe[1] oder eine Menorrhagie[2] vorliegt. Nicht geeignet ist der Eingriff für Betroffene von Endometriose. In den meisten Fällen verringert sich die Menstruation stark, in 40% der Fälle bleibt sie, laut des Universitätsklinikums Schleswig-Hollstein (UKSH), sogar ganz aus. Dies hat meist zur Folge, dass die mit der Menstruation verbundenen Schmerzen stark verringert werden oder gar nicht mehr auftreten. Laut einer Studie aus Großbritannien seien 87% der Betroffenen mit einer Endometriumablation zufrieden. Die Gynäkologische Tagesklinik in Krefeld verzeichnet eine Erfolgsquote von 95%. Das UKSH betont, dass eine Folge des Eingriffs die dauerhafte Beeinträchtigung der Fruchtbarkeit ist. Eine hundertprozentige Verhütungsmethode sei die Endometriumablation trotzdem nicht. Sie ist daher keine Sterilisation im gängigen Sinne.

Endometriumablation? Nur nach abgeschlossener Familienplanung

Damit der Eingriff durchgeführt wird, ist eine gynäkologische Indikation notwendig, die in der Regel bei starken Menstruationsblutungen erteilt wird, welche zu Blutarmut und Müdigkeit führen können. Die Anamnese beinhaltet nicht nur medizinische Untersuchungen und Diagnosen, sondern auch einen biografischen Teil. Dort geht es vor allem um Familienplanung. Meist müssen medizinische und biografische Komponenten stimmen: Es muss erstens eine medizinische Notwendigkeit vorliegen und zweitens muss die Familienplanung als abgeschlossen gelten.

Ab wann gilt die Familienplanung als abgeschlossen? Das entscheiden oft die Gynäkolog*innen und nicht die Betroffenen selbst. Hierbei spielen meist das Alter der Patient*innen und die Anzahl ihrer Kinder eine Rolle. Bei jungen, kinderlosen Menschen – aber selbst bei Menschen, die „nur“ ein Kind haben, ist die Indikation schnell vom Tisch. Wie viele Kinder muss man haben, um sicher eine Indikation zu bekommen? Welche bevölkerungspolitischen Vorstellungen liegen solchen Zahlen zu Grunde? Warum dürfen Ärzt*innen solche willkürlichen Grenzen festlegen und damit in die körperliche und reproduktive Selbstbestimmung von Betroffenen eingreifen? Wie bei Sterilisationsmaßnahmen zeigt sich hier erfahrungsgemäß, dass es schwierig ist Ärzt*innen zu finden, die den Wünschen nach körperlicher Selbstbestimmung von Menschen mit betroffenen Körpern nachkommen.

Transfeindlichkeit im Indikationsprozess

Neben der Erfahrung vieler trans Personen, von ihren Gynäkolog*innen in ihrer Identität nicht ernst genommen zu werden, gibt es weiteres Diskriminierungspotenzial, gerade im Indikationsprozess. Das Narrativ, dass bei trans Personen die Geschlechtsidentität an erster Stelle stehe und das Kinderthema deshalb zweitrangig sei, hält sich wacker. Die falsche Vorstellung, dass trans Personen sowieso keine Kinder bekommen wollten bzw. vielleicht auch nicht sollten, kommt erschwerend hinzu. Wenn nur auf Basis solcher Annahmen eine Indikation für eine Endometriumablation oder Sterilisation erteilt wird, dann kann von positiver Diskriminierung gesprochen werden.

Solche Vorstellungen sind transfeindlich, da sie ein bestimmtes Narrativ reproduzieren, nämlich ein angeblich transspezifisches Pochen auf körperverändernde Maßnahmen um jeden Preis. Aber: Nicht alle trans Personen möchten (alle möglichen) körperlichen Veränderungen um jeden Preis. Außerdem wollen viele trans Personen Kinder und bekommen sie – egal ob leiblich oder in Co-Elternschaft. Wer will aber, dass trans Personen keine Kinder bekommen? Vor 2011 auf jeden Fall noch der Staat, denn bis dahin mussten sich trans Personen sterilisieren lassen, wenn sie ihren Personenstand ändern wollten. Die Erfahrung zeigt, dass bis heute gesellschaftliche Vorstellungen und tradierte Praktiken im Gesundheitssystem vorherrschen, die darüber urteilen, wer Kinder bekommen soll und wer nicht. Diese Erfahrung machen nicht nur viele trans Personen, sondern auch von Rassismus Betroffene und dis_ableisierte Menschen im Gesundheitssystem. Reproduktive Gerechtigkeit ist noch lange nicht für alle erreicht.

Familienplanung statt Schmerzlosigkeit

Schmerzen sind der häufigste Grund für eine Endometriumablation, aber die Familienplanung bleibt im Indikationsprozess häufig vorrangig. Selbst wenn dieser Faktor durch „genügend“ Kinder geklärt ist, oder durch positive Diskriminierung bei trans Menschen ausgeklammert wird, ändert dies nichts am verhinderten Zugang zur OP und dem medizinischen Paternalismus gegenüber den Betroffenen. Transgeschlechtlichkeit muss als vielfältig lebbar in der Ausbildung von Gynäkolog*innen thematisiert werden. Gleichzeitig müssen Annahmen über einen angemessenen Grad an Schmerzen revidiert und durch die Erfahrungen der Betroffenen ergänzt werden. Wann eine Familienplanung als abgeschlossen gilt, sollten die Patient*innen selbst entscheiden.

Hinter diesen Zuschreibungen liegen die gleichen bevölkerungspolitischen Denkweisen, welche den Zugang zu verschiedenen Sterilisationsmaßnahmen versperren. Die Verweigerung der Endometriumablation ist nur eine weitere Ausformung der gleichen problematischen Vorstellungen. Den betroffenen trans wie cis Personen gehört das Recht zugesprochen, über ihre eigenen Körper selbst zu bestimmen und zwar ohne unsägliche Schmerzen vorauszusetzen, sowie transfeindliche Vorurteile und sexistische Vorstellungen über Familienplanung zu reproduzieren.

 

Weiterführende Informationen:

Infoblatt mit kurzer Übersicht zur Endometriumablation:

https://gynvelen.de/pages/main05.php#b0

NovaSure Ärzt*innensuche:

https://www.starke-regelblutung.com/behandlung/novasure-methode

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[1]Starke Menstruationsblutungen.

[2]Länger als sieben Tage anhaltende und stark blutende Menstruation.