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Videodokumentation: Frauen in Bosnien und Herzegowina

Lesedauer: 7 Minuten
Bosnisch-herzegowinische Flaggen vor dem Parlament
Teaser Bild Untertitel
Bosnisch-herzegowinische Flaggen vor dem Parlament

Bosnien und Herzegowina

Eine Videodokumentation von der NGO Infohouse und der Heinrich-Böll-Stiftung in Sarajevo.



Sprache: bosnisch, deutsche Untertitel

Dauer: 11 Minuten 20 Sekunden

Transkript

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  • 1.959.709 Frauen leben in Bosnien-Herzegowina
  • 583.000 Frauen sind arbeitslos
  • 53 % der Frauen haben nur eine Grundschulausbildung oder weniger
  • Nur sieben Prozent der Frauen haben einen Doktor- oder Magistertitel
  • Frauen bilden die Mehrheit der Wählerschaft -  52 %.
  • Frauen sind in der Regierung nur zu 12 % vertreten
  • Nur einmal im Jahr, zum Internationalen Frauentag am 8. März, stehen die Frauen im Mittelpunkt der Gesellschaft, bekommen einen halben Tag frei, und die Zeitungen berichten über sie

Wo stehen die Frauen in der bosnisch-herzegowinischen Gesellschaft heute?



SAMRA FILIPOVIĆ-HADŽIABDIĆ (Agentur für Geschlechter-Gleichberechtigung in BuH)

Die Stellung der Frauen in Bosnien-Herzegowina ist nicht gerade rosig. Eigentlich ist die Stellung der Frauen weltweit schlecht, sie werden weltweit diskriminiert, und Bosnien-Herzegowina ist ein Nachkriegsland, das sich in der Transition befindet und in einer tiefen wirtschaftlichen Krise steckt. Wichtig zu erwähnen ist, dass Bosnien-Herzegowina die Stellung der Frau in der Gesellschaft zumindest im Gesetz klar regelt.



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Das ehemalige Jugoslawien, zu dem auch Bosnien-Herzegowina gehörte, gab den Frauen erst 1945 ihr Wahlrecht. Ein Großteil der Frauen nutzt dieses Recht leider immer noch nicht. Gefangen in den Traumata der jüngsten Kriegsvergangenheit haben sie verdrängt, was für ein stolzes aktivistisches Erbe sie angetreten haben: Bereits 1890 haben Frauen den Klassenkampf begonnen, indem sie Versammlungsrecht, Arbeitszeitverkürzung und Gehaltserhöhungen forderten. Die Frauen haben damals auf Ungerechtigkeit mit Streiks geantwortet, so haben sie sich 1920 an 52 Streiks beteiligt! Der Kampf um Anerkennung ihres Wahlrechts nahm auch im Zweiten Weltkrieg nicht ab, im Gegenteil. Am Volksbefreiungskrieg haben über 100.000 Frauen teilgenommen, von denen ein Viertel im Kampf gefallen war, und dennoch haben sie im Dezember 1942 Zeit für die Landeskonferenz der Antifaschistischen Frauenfront in Bosanski Petrovac gefunden. Der Zweite Weltkrieg wurde auch durch die Frauen geprägt, die an ihm teilnahmen. Und zehn Jahre später wurde das Wahlrecht der Frauen vom damaligen Jugoslawien anerkannt. Sie machten Gebrauch davon.



ADALETA ALATOVIĆ (Geschäftsführerin „Frauenbewegung Sarajevo“):

Die Frauenbewegung Sarajevo ist aus der antifaschistischen Frauenfront des ehemaligen Jugoslawien entstanden, die 1942 von den Kämpferinnen in Bosanski Petrovac gegründet wurde. Seitdem hat sie niemals mit ihrer Arbeit aufgehört, kämpft noch immer für Frauenrechte, Bildung und die Rechte der Frauen in Familie und Gesellschaft. Der größte Erfolg der Frauenfront war die Abschaffung der Verschleierung von muslimischen Frauen.



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Nach den letzten Einparteienwahlen 1986 nahmen Frauen in BuH 24,1% der Parlamentssitze auf staatlicher und 17,3% auf lokaler Ebene ein.



NAILA BEBA MAHIĆ (Vorsitzende „Frauenbewegung Sarajevo“):

Egal um welche Gesellschaftsordnung es geht, sogar im Kommunismus, der meiner Meinung nach die beste Gesellschaftsordnung ist, waren Frauen überall vertreten. Viele waren in der Regierung und im Parlament. Auch in vielen staatlichen Unternehmen waren Frauen in Führungspositionen, was sehr wichtig ist.



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Bei den ersten Mehrparteienwahlen 1990 erreichten Frauen einen Anteil von nur 2,92% in der Legislative. Nur zwei Jahre nach den Wahlen brach der Krieg aus. In den folgenden vier Jahren kämpften mehr als 5.000 Frauen in der Armee BuH. Zehntausende wurden vergewaltigt, gefoltert und traumatisiert. Schätzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates zufolge waren mehr als 20.000 Frauen während des Krieges Opfer von Vergewaltigungen und anderen Formen sexueller Gewalt. Zahlreiche Nachkriegsstudien zeigen, dass die Frauen in Bosnien-Herzegowina während des Krieges 1992-1995 vollkommen traumatisiert wurden, dass sie ständiger Gewalt ausgesetzt waren. Vergewaltigung wurde zum Instrument für Genozid, geschlechterethnische Gewalt und Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Heute, 15 Jahre nach Unterzeichnung des Daytoner Friedensvertrags, haben diese Frauen keinen vollen oder unbegrenzten Zugang zur Krankenversorgung. Die Mehrheit ist abhängig von der Unterstützung durch Nichtregierungsorganisationen.



MUNIRA SUBAŠIĆ (Vereinigung „Mütter der Enklaven Srebrenica und Žepa“)

Wir Mütter haben uns zusammengeschlossen, haben eine Bewegung gegründet, in der wir die Rolle der Ärztinnen, Physiotherapeutinnen, Psychiaterinnen, Mütter, Hausfrauen, Nachbarinnen, Freundinnen und noch viel mehr spielen.



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Frauen und ihre Belange, von der Traumaarbeit bis zur Stärkung der beruflichen Kompetenzen, sind den Frauenorganisationen überlassen, die hervorragende Arbeit leisten. Viele zivilgesellschaftliche Organisationen sind sich der Wichtigkeit dieses Ziels bewusst und organisieren täglich Aktivitäten, die Frauen aber auch Männer daran erinnern sollen, dass die Gesellschaft auf Gleichberechtigung basiert. Ca. 30 Frauengruppen haben eine Plattform für ein Frauennetzwerk BuH gegründet. Jedes Jahr beteiligen sich mehr Organisationen und Städte in BuH an der Kampagne „16 Tage Aktivismus gegen geschlechterbasierte Gewalt“. Denn der Zustand der „Unsichtbarkeit“ und Marginalität der Frauenbewegung, der die weibliche „kollektive Identität“ verwässert, kann nur durch Wissen und Informationen besiegt werden.



VEDRANA FRAŠTO (Stiftung CURE)

Wie dieses Jahr werden wir auch im nächsten Jahr feministische Wander-Workshops organisieren. Diese Workshops sind für junge Frauen, Künstlerinnen, Aktivistinnen und all jene gedacht, die sich auseinander setzen wollen mit der Gleichberechtigung, mit jenen Frauen, die die Welt verändert haben und Erfolge in der Welt und in BuH feierten.



STANOJKA TEŠIĆ (Frauenforum Bratunac)

Bosnien-Herzegowina, und somit Bratunac, ist ein Milieu, in dem Frauen und Männer nicht gleichgestellt sind. Bei Entscheidungen haben meistens die Männer Priorität, zum einen weil BuH ein traditionelles Land ist, es zum anderen mit dem Erbe aus der kommunistischen Zeit lebt. Aber die kontinuierliche Stärkung der Frau zeigte Resultate. Im Jahr 2000 hatten wir nach den Wahlen vier Frauen im lokalen Parlament, 2004 waren es fünf Frauen. Heute haben wir in Bratunac acht Frauen, so dass wir zwar nicht von einem Gleichstand sprechen können, die Macht aber nicht mehr nur den Männern vorbehalten ist.



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Nach dem Ende des kommunistischen Regimes in Europa und Ex-Jugoslawien wurde der 8. März zum inoffiziell unerwünschten Feiertag und immer seltener begangen. Seit 1995 erinnern in Bosnien-Herzegowina nur vereinzelte Auftritte feministischer Organisationen die Öffentlichkeit daran, dass dieser Tag nicht der Muttertag ist.



BRANKA INIĆ, Anwältin

Vielleicht kann der 8. März für die Situation der bosnisch-herzegowinischen Gesellschaft insgesamt oder die Rolle der Frau bzw. ihre Vernachlässigung durch die Gesellschaft eine wesentlich größere Rolle spielen und größere Bedeutung haben, als es in den vergangenen Jahren oder sogar im letzten System der Fall war.



SAMRA FILIPOVIĆ-HADŽIABDIĆ (Agentur für Geschlechter-Gleichberechtigung in BuH)

Für mich hat der 8. März eine Bedeutung! Auch wenn ich mich von Berufs wegen damit beschäftige, ist das der Tag, an dem wir rekapitulieren, was und wie Dinge in der Vergangenheit geschahen. Wir müssen uns an diesem Tag daran erinnern, dass jemand unsere Rechte für uns erkämpft hat.



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Aber nicht nur der 8. März ist eine Gelegenheit, an die Gesetze zur Gleichstellung der Geschlechter, an all die Konventionen und Aktionspläne zu erinnern, die als Antwort auf die Zurücksetzung der Frauen in der Gesellschaft formuliert wurden.



Alle kommenden Wahlen sind ein Schritt in Richtung einer Gesellschaft, in der Männer und Frauen nicht nur die gleiche Verantwortung, sondern auch die gleichen Rechte haben.



Die Lokalwahlen 2012 und die allgemeinen Wahlen 2014 sind eine Gelegenheit für die Frauen, ihr aktivistisches Erbe anzutreten und jeden Tag zum Internationalen Frauentag zu machen – dem Tag, an dem die Frauen von der Gesellschaft respektiert werden!



Erinnern wir uns am 8. März 2011, an seinem hundertsten Geburtstag daran, dass der Internationale Frauentag in der Jahrhundertwende, in einer Zeit des großen industriellen Fortschritts, aber auch großer Turbulenzen, Krisen und radikalen Ideologien geboren wurde, und dass er die Wurzeln der Proteste, des politischen Aktivismus, aber auch des Kampfes gegen alle Formen von Unterdrückung, Diskriminierung und Segregation in sich trägt.

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