Wenn man beginnt, bestimmte Ereignisse, die als Teil eines gesellschaftlichen Prozesses erachtet werden, als Feiertage zu begehen, sollte man sich zwei Fragen stellen: Wie begehen wir den Tag, und handelt es sich immer noch um einen Prozess? Das heißt, verändert sich sein Wesen, wenn ja wie, oder verändert sich nicht noch mehr seine Bedeutung?
An dieser Stelle soll daran erinnert werden dass der 8. März, seit ihm Symbolwert zuerkannt wurde, für Aufstand und Protest, für Opposition und politische wie gewerkschaftliche Forderungen steht und zugleich durchdrungen ist von Forderungen, die als besondere Frauenforderungen bezeichnet werden (die politische Forderung nach dem Frauenwahlrecht, nachdem es Männern schon längst zugestanden worden war; Gleichberechtigung für verheiratete und allein stehende Mütter usw.). Die turbulenten Jahre des frühen 20. Jahrhunderts brachten einschneidende Umwälzungen in Bezug auf die Frauenfrage und den Versuch, die zivilisatorische Ungerechtigkeit gegenüber dem weiblichen Geschlecht zu beseitigen. Der 8. März wurde zum Schauplatz des Kampfes für die Menschenrechte der Frauen, und es ist nicht verwunderlich, dass er in der Anfangsphase in vielen Ländern sehr schnell als Ereignis erlebt wurde, das mit dem Kampf für Frauenrechte verbunden wird. Das heißt, er wurde international.
Als Folge dieses Kampfes konnten später die Frauenrechte in erheblichem Umfang durchgesetzt werden (gegen Ende des Zweiten Weltkrieges führten zahlreiche Länder das Wahlrecht für Frauen ein, ebenfalls andere formale Rechte wie das auf Bildung, Zugang zu allen Berufen und politischem Wirken), was die verbliebenen Ursachen dafür, dass die Ungleichheit zwischen den Geschlechtern immer noch nicht beseitigt war, umso unverständlicher macht. Diesbezüglich stellen die Länder des Ostblocks nach dem Krieg ein besonderes Problem dar, da es dort eine Frauenbewegung, wie sie in den westlichen Ländern entstanden war, nicht gab und sämtliche erwähnten formalen Frauenrechte durch die staatliche der sozialistischen Ideologie verpflichtete Revolution von oben gewährt wurden. Damit übernahm der Staat Pflichten und Initiative, machte den 8. März zu einer staatlichen Angelegenheit und bemächtigte sich seiner.
Sicherlich fand ein Übergang von der Anfangsphase des Aufstandes und Protests, den vornehmlich in den entwickelten kapitalistischen Staaten sich abwickelnden Prozessen bis zur Verherrlichung der Frauen (oder ihres Feiertages) ähnlich einer geschützten Art in den neu entstandenen sozialistischen oder kommunistischen Staaten statt. Die Veränderungen, die der 8. März in den westlichen Ländern durchlief, wollen wir überspringen; wir werden lieber einen Blick darauf werfen, was in unserer Mitte, in den Ländern des Ostblocks und im ehemaligen Jugoslawien in der Phase nach dessen Zusammenbruch vor sich ging. Dabei muss man sofort einräumen, dass die Frauenbewegung in dieser Region mit der Zeit an Einfluss einbüßte, was sich teilweise im Außenbild des 8. März widerspiegelte. Im alten Jugoslawien (1918-1945) beispielsweise gehörten dem Jugoslawischen Frauenbund 50.000 organisierte Mitglieder an, in Zagreb wurde 1925 die Gründungsversammlung der Allianz der Frauenbewegungen ins Leben gerufen, die das Wahlrecht für Frauen einforderte. Während des Krieges zwischen 1941 und 1945 wuchs die Kroatische Antifaschistische Frauenfront zu einer Massenbewegung an, um nach dem Krieg schlicht aufgelöst zu werden. Stattdessen begründete die sozialistische Regierung eine politische Enklave, die Konferenz für gesellschaftliche Aktivitäten der Frauen, die jedoch praktisch ohne Einfluss blieb.
Trotz der sozialistischen Ideologie wurde der Frauentag alsbald eng mit dem Begriff der Mutterschaft verbunden und somit allmählich zu lediglich einem weiteren Muttertag. Mehr und mehr Aufmerksamkeit wurde der biologischen statt der politischen Dimension des weiblichen Geschlechts gewidmet.
Die Zeit nach 1990, die ohne Übertreibung nicht nur im Krieg, sondern auch in seiner friedenszeitlichen Fortsetzung als scheußlich bezeichnet werden kann, ist von einer besonders rückschrittlichen, patriarchalischen, nationalistischen Politik gekennzeichnet, die sich im verfügbaren Rahmen nicht umfassend beschreiben lässt. Kurz gesagt, wurden die Frauen mehr oder weniger erfolgreich zu Müttern/Ehefrauen verwandelt (zumindest was die staatliche Politik angeht), bestimmt und begrenzt durch ihre eigene biologische Ausstattung, während die wenigen wertvollen Bemühungen, die der zivilgesellschaftlichen Szene entsprungen waren, ihren politischen Kompass oder besser gesagt ihr Konzept aus den Augen verloren zu haben scheinen.
Diese Ausschaltung der Frauenbewegung, die auf die Erfüllung der Forderungen nach den Grundrechten für Frauen folgte, scheint ein Vakuum auf der strategischen und konzeptionellen Ebene hinterlassen zu haben. Sicherlich hat ein Übergang stattgefunden von einem politischen Kampf, der (äußerlich) kritisch gegen die Gesellschaft und das soziale System gerichtet war, wie zu Beginn des Textes unterstrichen, von Aufstand und Protest, Widerstand und Opposition, zu einer einfacheren gewissermaßen „realpolitischen“ Korrektur und Verbesserung von Mängeln innerhalb vorgegebener/aufgezwungener Rahmenbedingungen, wo bestimmte Dinge verändert werden können, aber genau diese sehr begrenzte Möglichkeit gewährleistet, dass die Grundstruktur des System unverändert bleibt. Ein kritisch gegen die Gesellschaft gerichteter politischer Kampf hätte als Grundlage für eine breitere Mobilisierung der Frauen dienen können, stattdessen sind die Frauenorganisationen zunehmend in die (Eigen)Isolation geraten, ähnlich dem, was Pierre Bourdieu als „introvertierte Revolte kleiner Selbsthilfegruppen“ beschreibt.
Darin war und ist die notorische Kluft zwischen Aktivismus und Theorie. Aktivisten konzentrieren sich darauf, Einzelfälle zu lösen, und betätigen sich im Sozialwesen, die anderen sind fokussiert auf hochtrabende theoretische Diskussionen, deren Qualität schwerlich als hochrangig beurteilt werden kann. Ganz zu schweigen von möglichen spürbaren Effekten. Bourdieus Kommentar, es handle sich um eine „typisch männliche Idee von einer Großen Theorie“ zu diesem Phänomen, ist hier relevant, natürlich kontrastierend zu Studien, die der Realität entstammen und somit fruchtbarer, nützlicher und vom theoretischen Standpunkt aus auch angemessener sind. Aus all diesen Gründen sollte die Frauenbewegung das Vermögen für eine breitere Mobilisierung einbüßen und sich inwärts und den eigenen Organisationsstrukturen und Beziehungen zukehren.
In Anbetracht all dieser begrifflichen und auch physischen Unterbrechungen und in Ermangelung eines klar definierten politischen Drehpunktes verwandelt sich der 8. März leichthin in nichts mehr als einen Feiertag. Die Politik, die ihn vor dem Schicksal der Versteinerung und des Gefangenseins in Vitrinen der Geschichte, aus denen er einmal im Jahr wie eine Reliquie hervorgeholt wird, bewahren könnte, ist eine grundsätzlich andere. Es ist eine Politik, die sich wegbewegt von öffentlichen Kundgebungen unter dem Motto moralischer Prinzipien oder der symbolischen Bestätigung einer weiblichen Identität, eine Politik, die von der formalen Anerkennung der Gleichheit weiter schreitet zur schwierigen Realität ihrer Anwendung und dabei versteckte Diskriminierung aufdeckt, die in jedem letzten Winkel, wo sich die Dinge wirklich offenbaren, Rechte durchsetzt und dann zurückkehrt zu Systemveränderungen. Neben anderen Zielen, insbesondere Regierung und Arbeitgebern, sollte Frauenpolitik die politischen Parteien ins Visier nehmen, denen es als Vermittlern zwischen sozialen Interessen und Regierung nicht erlaubt sein sollte, sich auf den Lorbeeren der Gleichstellungsgesetzgebung auszuruhen, aber auch die Gewerkschaften, die im Angesicht von Verstößen gegen die Arbeiterrechte der Frauen sich defensiv auf die Position des Verbots von Sonntagsarbeit unter der Schirmherrschaft der Kirche zurückziehen, statt für das Recht auf gerechten Lohn und verdienten Urlaub zu kämpfen.
Die Krise, die seit geraumer Zeit die Frauenbewegung erschüttert (weltweit, nicht nur in einigen Teilen), mag sie von Grund auf verwandeln, sie wird aber sicherlich die Tatsache der Ungleichheit als solche nicht abwandeln. Genau aus diesem Grunde und weil der 8. März das symbolische Potenzial für einen radikalen Auf- und Widerstand der Frauen in sich birgt, sollte man damit aufhören, ihn zu feiern.
Aus dem Englischen von Vesna Ivančević Ježek.
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